M’ERA LUNA FESTIVAL 2023 – Samstag (12.08.2023)

Fotos: M’ERA LUNA 2023 – VV -MainStage- Samstag (12.08.2023)
VV - M'era Luna © Sandro Griesbach
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“THE END OF THE RAINBOW ISN’T BRIGHT – IT’S BLACK” – Esmeshion

Wenn man den Flugplatz in Hildesheim Drispenstedt im Blick behält, ergibt sich einmal im Jahr ein deutliches Bild – denn dann färbt sich das gesamte Areal nahezu gänzlich in schwarz. Stets am zweiten Augustwochenende breitet sich hier der dunkle Schleier des M’era Luna Festivals aus. Bringt dieser gar Furcht und Trübsal mit sich? Aber nein, ganz im Gegenteil. 25.000 Schwarzlinge von nah und fern beziehen für eine kurze Weile mit Sack und Pack das Gelände, um gemeinschaftlich, vergnügt und ausgelassen ihre musikalischen Lieblinge, aber auch einige Neuentdeckungen zu feiern. Auf zwei stattlichen Bühnen spielen stets um die 40 Bands. Dazu wird ein Mittelaltermarkt errichtet, der mit seinen Gauklern und seinem Flair aus einer längst vergangener Zeit zum Verweilen einlädt. Ein vielfältiges Rahmenprogramm lockte die Besucher bereits am Freitag zu spannenden Lesungen von Markus Heitz, Liza Grimm und Christian  Aster oder dem beliebten Crypt-Talk – zwischen Chris Harms von Lord Of The Lost und dem Veranstalter Stephan Thanscheidt. Namhafte Szene-DJs machten zudem in dem Flugzeug-Hangar mit ihren angesagten Clubtracks die Nacht zum Tag. Und obwohl das Gros der Anwesenden über Nacht im eigens aufgebauten Zelt verschwand, verwandelten sich diese am Morgen zu aufwendig hergerichteten Schönheiten. Viele planten und kreierten ihren einzigartigen Look bereits weit im Voraus.

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Nach einem typischen Campingfrühstück ging es dann am Samstag endlich richtig los und die Schar machte sich auf den Weg zu dem Mittelpunkt des Geschehens, an dem der Zauber seinen Lauf nahm – dem Infield samt seiner beiden schmucken Bühnen. Die Main Stage zierten zwei riesige Sidedrop-Banner, auf diesen begegnete uns Amatekuro – steht das diesjährige Festival doch im Zeichen dieses sechsarmigen Wesens, der Ikone des Untergangs und der schwarzen Sonne. Es ist zu einer lieb gewonnen Tradition geworden, das M’era Luna von Bands eröffnen zu lassen, die den zuvor veranstalteten Newcomer Contest gewonnen haben. Von den Zuschauern auserkoren wurden diesmal Antiage sowie Dragol. Erstere haben das große Los gezogen, am ersten Tag in die Vollen zu gehen. Sänger Kaa Soleil trotzte den schwülwarmen Temperaturen und enterte mit einem Pelzmantel die riesige Bühne. Zwei Damen mit putzigen Hasenmasken eilten in hautengen schwarzen Gymnastikanzügen herbei und nahmen dem Fronter seinen schwarz-weißen Überwurf ab. Veto Lestard bearbeitete sein Keyboard, das auf einer riesigen Sprungfeder prangte und somit fluffig dynamische Bewegungen ermöglichte. Der Sound des Thüringer Trios bestand aus elektronischen, aber auch rockigen Elementen. Ihre beiden Partyhasen warfen schwarze Rosen ins Publikum und steckten die Besucher hüpfend und klatschend an. Während die erste Reihe bereits headbangte, ließ sich Kaa dann sogar zu Screams hinreißen. Es war klar zu erkennen, dass die drei Jungs richtig Bock hatten und sie diesen großen Gig in ihrer jungen Karriere aufrichtig genossen. Zur Belohnung ernteten sie obendrein Zugabe-Rufe – mehr kann man sich als Opener wohl kaum wünschen.

Setlist ANTIAGE
01. No Sacrifice
02. All Flowers Dead
03. Serenade
04. Lone
05. Divine
06. Hologram

Zeit für einen Ortswechsel – nun stand auch die Eröffnung der Club Stage an. Vor dieser wurde ein imposantes, rundes Sonnendach platziert – das einen vor gnadenlosen Sonnenstrahlen bewahrte, aber auch bei den noch aufkommenden Regengüssen angenehmen Schutz spendete. Intent:Outtake heizten den Fans nun mit ihrem Dark Electro ein. Für ihren Auftritt haben sie ein aufsehenerregendes Bühnenbild geschaffen. Schließlich waren die Synths in die Front eines Autowracks eingebettet. Am Mikroständer prangte ein mit Schläuchen versehener Puppenkopf, Tarnnetze wurden ebenfalls drapiert und die drei Musiker wirkten, als wären sie gerade erst einem heftigen Kampf entschwunden. Nun galt es aber, die Menge zu erobern. Sebastian Polak ergriff die Gelgenheit beim Schopfe “Hier kommt unser sarkastischer Beitrag zum Gendern: ,Gott:innen’. Wir brauche jetzt eure Hände. Come on!” Aus rostig anmutenden Tonnen stießen Nebelschwaden hervor und das Publikum folgte den Worten des Sängers und setzte sich auch Zusehens in Bewegung. Entschlossen untermalte Sebastian die Lyrics des Tracks Endtime Prophets, als würde er gerade mit aller Kraft und einer Schaufel in der Hand ein Loch ausheben – “We break the system and dig a hole.” Ihr kurzweiliger Auftritt fand mit Tic Toc Tod auch schon ein jähes Ende. “Dieses Stück gilt all den Influencern, Selbstdarstellern und Instasternchen.” Diese bekamen bei dem anstehenden  Finale ordentlich ihr Fett weg. Sebastian sprang in den Bühnengraben und zelebrierte die letzten Momente gemeinsam genüsslich mit seinen Anhängern.

Setlist INTENT:OUTTAKE
01. Das Letzte Geleit
02. Tabula Rasa
03. Gott:innen
04. Endtime Prophets
05. Tic Toc Tod

Auf der Hauptbühne schlugen Versus Goliath nun auch eine härtere Gangart ein. Nicht nur die Band feierte ihre Premiere auf dem Festival – auch die Booker wagten hier einen neuen Schritt. Soundtechnisch fügte sich der Mix aus Rock und Metal noch ganz geschmeidig in die bekannte Genremischung ein. Doch die dazugehörigen Rapeinlagen in deutscher Sprache waren den Besuchern völlig neu. Verschmitzt beobachtete ich eine gewisse Irritation, die sich zunächst breit machte – war die Szene bereit für solch frischen Wind? Stimmlich erinnerte der Stil von Florian Mäteling durchaus an Casper. Thematisch üben Versus Goliath zwar harte Kritik an der Gesellschaft und zeichnen eine Welt, die im Chaos zu versinken scheint – im Gegensatz dazu hält aber auch immer wieder die Liebe Einzug in ihre Texte. Was würde uns in dieser Welt sonst aufrechthalten? “Wir spielen dieses Jahr zum ersten Mal hier und überhaupt unsere ersten Shows. Fuck Corona!” Und siehe da, die Hände vor der Bühne gingen tatsächlich in die Höhe und der professionelle Auftritt der Münchener fand durchaus seinen Anklang. Mut wird halt doch zumeist belohnt.

Setlist VERSUS GOLIATH
01. Virus
02. Steh Auf
03. Engel
04. Ich Sterbe Nicht
05. Alle Hände Hoch
06. Bis Es Verloren ist
07. Im Regen
08. Strom

Verwirrung machte sich zunächst beim Start des Sets von A Projection breit. Während die Band noch inmitten ihres Soundchecks steckte und ihr Sänger Rikard Tengvall uns noch seinen Rücken zuwendete, begann eine junge Frau neben mir bereits zu tanzen. Ich war irritert! Es handelte sich doch noch um den Soundcheck, oder? Moment mal! Zur Überraschung der restlichen Anwesenden und besonders zu der des Fronters (!), spielte die Band bereits doch schon ihren ersten Song Careless. Da die Zeiten bei einem Festival auf den Punkt fixiert sind, gab es auch kein zurück. Also galt es die Arschbacken zusammenzukneifen und den Fauxpas mit Humor zu nehmen. Dies gelang Rikard aber bravourös: “Sorry for the messed up introduction!” Im Nu legte er den Schalter um und performte locker aus der Hüfte heraus. Die Schweden verzichteten übrigens komplett auf einen visuellen Hinweis ihres Bandnamens. Da beim M’era Luna generell keine Moderatoren die jeweilige Band ansagen, half einem aber die App bei der Frage, um wen es sich hier eigentlich handelte. Wie auch immer, die Mischung aus Dark Wave und Post Punk kam wirklich gut an. Schnell gewann A Projection das Publikum für sich.

“Dankeschön, you beautiful, sexy people. We continue with ,No Control’ – like the beginning of this set.” Das Universum meinte es heute aber auch nicht gut mit den Jungs – nun setzte auch noch Regen ein. Konnte dieser der Stimmung einen Abbruch tun? No way! Rikard lud uns ein, die Synthwaves des Tracks Anywhere zu genießen. Die Ähnlichkeit zu den Vibes von Alphavilles Sounds Like A Melody lag auf der Hand und doch klang der Rest des Songs individuell. Anywhere hatte zwar Oldschool Einflüsse – es gelang der Band aber galant, ihre Musik nicht altbacken wirken zu lassen. Zwei männliche Fans tanzen derweil mit freien Oberkörpern im Regen – so schnell kann man sich auf einem Festival den Sprung unter die Dusche sparen. Zu Darwin’s Eden kniete Rikard nieder und blickte bedrückt auf den Boden “I don’t want to hurt you and I’d hate to see you cry.” Mit einem Satz sprang er in die Höhe und ließ sich ausgelassen von dem Sound tragen. Die abwechslungsreiche Lightshow kam übrigens zu der frühen Tageszeit überraschend gut zur Geltung. Nachdem sich die Band unter großem Jubel verabschiedete war klar: A Projection – diesen Namen müssen wir uns unbedingt merken!

Setlist A PROJECTION
01. Careless
02. Regenerate
03. No Control
04. Confession
05. Anywhere
06. Darwin’s Eden
07. Transition
08. No Light
09. Exit

Ein freudiges Wiedersehen stand uns an der Main Stage bevor. Rave The Requiem haben bereits im vergangenen Jahr hier gespielt – heftige Technikprobleme führten jedoch leider zu einem arg kurzen Set. Als faire Geste wurden die Schweden also erneut eingeladen. Die junge Formation ist seitdem stetig gewachsen und begeisterten mittlerweile auch die Metalheads auf Wacken und beim Summer Breeze. Abgesehen von Filip Lönnqvist, der passend zu seiner schneeweißen E-Gitarre ein darauf abgestimmtes Hemd trug, setzen man ansonsten auf ein freundliches schwarz. Beginnend mit Crack The Sky, preschten sie uns prächtig gelaunt, ihren modernen Symphonic Industrial Metal um die Ohren. Filip, Sängerin Jenny Fagerstrandh und Trommler, sowie Anheizer Rickard Lindgren sangen teils gar zu dritt. Immer wieder fegten Bassist Peter Perseivs und Rickard quirlig über die Bühne. Jenny lud die Menge ein, mitzumachen “You wanna dance? This is your chance – ,Fvck The Vniverse’. M’era Luna, are you with us?” Filip ergänzte: “Let’s get heavyyyyy!” Schon wurden die Schöpfe geschüttelt und Rickard sprang geradewegs in den Graben, um einzelne Fans zu knuddeln. Jenny war vom Anblick der Besucher ganz fasziniert. “M’era Luna is the prettiest looking crowd in Europe. Because you’re so stylish!” Rickard hingegen war überrascht, wieviele Menschen sich hier bereits eingefunden haben: “Jesus Christ, there are so many of you, I’m getting nervous. We’re at some kind of signing session – what is it called? I forgot it.” Filip konnte aber lösen: “Sonic Seducer!” Ofelia lud nochmal alle zum Mitfeiern ein. Eins war klar: härtere Klänge stehen dem M’era Luna außerordentlich gut.

Setlist RAVE THE REQIUEM
01. Crack The Sky
02. Saint Jvdas
03. Fvck The Vniverse
04. Mono Heart
05. Ofelia

Nachdem Wisborg bereits auf dem WGT und dem Amphi Festival gespielt haben, tourten sie zuletzt erfolgreich mit Lord Of The Lost und vergrößerten erneut ihre Fanschar. Zuletzt hat sich das Trio dazu entscheiden, ihre Band aufzustocken und mit Peter Thiele einen weiteren Gitarristen zu integrieren. Sänger Konstantin Michaely kann sich somit fortan entspannt auf den Gesang und seine Position als Fronter fokussieren. Auf der LED Leinwand war bereits das schmucke Logo der Band zu sehen. Mit neongrünem Nagellack, grünem Augen-Make-up und einem schwarzen Shirt, das nahezu bis zum Bauchnabel ausgeschnitten war, enterte der Sänger mit seinen Mannen die Bühne der Club Stage. Temporeich legten die smarten Goth-Rocker mit I Believe in Nothing los. “Es ist früh, ihr seid hier – danke dafür. Wir sind Wisborg und wollen euch tanzen sehen. Ich sehe schöne Gesichter, bekannte Gesichter. Es ist wundervoll hier zu sein.” Wie machte sich eigentlich Peter? Der Neuzugang zog etliche Blicke auf sich. Er meisterte seine neue Aufgabe in der Band fulminant. Einzig sein leicht ungläubiger Blick verriet, dass er kaum fassen konnte, was hier gerade geschah. Konstantin blickte zu seinen Kumpel Nikolas Eckstein hinüber und erinnerte sich: “Seitdem wir Teenager sind, gehen wir auf dieses Festival und sagten ,irgendwann stehen wir auf dieser Bühne!’ Einige von euch sind seit der ersten Stunde da – danke. Danke auch unsere wunderbare Bookerin, ohne sie wären wir heute nicht hier. Und wir danken Bruno Kramm, der unsere Sachen über sein Label herausbringt.”

Fall From Grace fand nicht nur bei der Metal-Fraktion im Publikum Anklang. Die Menge vor der Bühne tanzte geschlossen weiter. An Erotic Funeral bildete mit seinen elektronischen Elementen den perfekten Kontersong. Eine Frauenstimme läutete den Song ein: “Take my breath away.” Konstantin legte einen kessen Hüftschwung hin und schlich sich dann an Peter heran. Dieser poste zusammen mit dem Sänger und fegte dann mit seiner Gitarre über die Bühne. “Ist die Luft raus, oder wollt ihr noch einen?” Der Frontmann stellte noch die Bandmember vor und verriet, dass Peter an diesem Tag erst zum dritten Mal mit Wisborg auf der Bühne stehe. Nikolas betitelte er liebevoll als “seine bessere Hälfte”. War er doch von Anfang an dabei und zudem sein bester Freund. Mit Spirits That I Called verabschiedete sich das Quartett von uns. Die Jungs haben ihren einstigen Traum verwirklicht, Peter ist nicht mehr wegzudenken und die Fanbase ist erneut gewachsen. Wenn das kein Happyend ist? Wisborg werden sicherlich noch viel erreichen. Wir freuen uns mit und werden gerne erneut vorbeischauen.

Setlist WISBORG
01. I Believe In Nothing
02. Becoming Caligari
03. Fall From Grace
04. An Erotic Funeral
05. L‘Amour Fait Mal
06. Perfume & Cigarettes
07. Words Like Violence
08. Spirits That I Called

Tanzwut lockten unterdessen auf dem Main Field zu einem mittelalterlichen Rock-Spektakel. Bereits das Intro erzeugte mit allerlei Gebläse für eine mystische Stimmung. “Einen schönen guten Tag, wir sind Tanzwut. Lockert eure Handgelenke, wir wollen die Tanzwut ausrufen.” Selbstredend ließ sich die Schar vor der Bühne nicht lange bitten und sogleich entstand ein geselliges Miteinander. “Wir haben gute Laune – stehen endlich mal wieder auf der Bühne. Wir haben letzte Nacht wenig geschlafen, viel getrunken – habt ihr bestimmt auch gemacht. Ein Lied haben wir mitgebracht, bei dem wir ein Meer von Händen sehen wollen. Reißt alle eure Hände in die Höhe! Das Lied heißt ,Bis Zum Meer’. Da bin ich einst hingelaufen, als die Pest im Lande war. Dieses Meer von Händen wollen wir nun hierher holen. Genau davon haben wir in dieser Zeit geträumt.” Mittlerweile sind auch all die Langschläfer in die Pötte gekommen und der Blick in die riesige Menschenmenge war einfach nur fantastisch. Eifrig wurden die Arme hin- und hergeschwenkt und der romantische Wunsch des Teufels erfüllte sich. In diesem Genre durfte natürlich auch die der Einsatz eines Dudelsacks keineswegs fehlen. Bei dem Stück Schreib Es mit Blut hatte dieser seinen großen Auftritt. Gemeinsam mit dem Teufel besang das Publikum den Pakt, sich diesem ewiglich anzuschließen.

“Habt ihr euch heute schon selbst bewundert? Wir schon – heute Morgen. Da sahen wir noch nicht so gut aus. Holt mal alle eure Handys heraus, macht ein Selfie und schickt es uns.” Im dazugehöriger Song Narziss thematisierten Tanzwut eine Welt, die sich einzig und allein um einen Egomanen zu drehen scheint. Pfui, Teufel! Das Bühnenbild veränderte sich für Den Puppenspieler. Zwei schwarze Stellwände waren mit allerlei divers bemalten Masken versehen. “Vielleicht wissen es einige noch nicht. Wir sind Puppenspieler. Wir bauen Marionetten und machen ein Puppenspiel für Groß und Klein und haben natürlich ein Lied dazu mitgebracht. Alle Hände in die Höhe! Lasst uns durchdrehen!” Auch die Gesichter der Musiker waren nun bedeckt – sie trugen güldene Pechmasken. Robin Hund leitete mit einem Solo an seiner durchsichtigen E-Gitarre den vollendenden Song ein: Pack. Tanzwut gelingt es immer wieder, auch Genreskeptiker von sich zu überzeugen – so war es auch hier. Die breite Masse erfreute sich sichtlich an der gelungenen Performance und der einnehmenden Art des Teufels. Und die Zugabe-Rufenden wurden mit einem Versprechen vertröstet: “Die Zugabe gibt es im Herbst auf – unserer Silbernen Hochzeit Tour.”

Setlist TANZWUT
01. Herrenlos & Frei
02. Die Tanzwut Kehrt Zurück
03. Bis Zum Meer
04. Schreib Es Mit Blut
05. Narziss
06. Puppenspieler
07. Freitag Der 13.
08. Pack

Um die nötige Dosis EBM kümmerten sich derweil die beiden Belgier von Absolute Body Control. Hierbei handelte es sich übrigens um die einzige Band, die diese Sparte auf dem diesjährigen M’era Luna vertrat. Wer also mal klassisch mit seinen drei Schritten vor und drei zurück den Einheitsschritt vollziehen wollte, war hier goldrichtig. Die Urgesteine Dirk Ivens und Eric Van Wonterghem haben für diesen Gig eine gelungene Mischung ihrer Diskografie zusammengestellt. Auch ihr Schätzchen Is There An Exit? aus dem Jahr 1981 wurde aus ihrer musikalischen Schatulle gezogen. Selbstverständlich hatte das M’era Luna neben den musikalischen Darbietungen auch noch mehr zu bieten. Die vielfältige Händlermeile lud zum entspannten bummeln ein. Sehen und gesehen werden spielt bei den Festivals heutzutage eine immer größere Rolle. Make-up Workshops und aufwendige Gothic Fasion Shows gehörten also ebenfalls zu den Möglichkeiten, Freiräume zwischen den Konzerten zu füllen.

Setlist ABSOLUTE BODY CONTROL
01. Invisible Touch
02. Waving Goodbye
03. Earth Takes A Break
04. Is There An Exit?
05. Figures
06. Surrender No Resistance
07. Automatic
08. I Wasn’t There
09. Never Seen
10. Give Me Your Hands

Drüben stand nun Neue Deutsche Härte auf dem Plan – darf man das eigentlich noch sagen? Ist diese Härte auch nach 30 Jahren noch neu? Wobei, Alte Deutsche Härte klingt unattraktiv, belassen wir es also dabei. Megaherz standen nun jedenfalls parat. Nach einem kurzen Intro flitzten die Jungs auf die Bühne und gaben zu ihrem Opener Vorhang Auf  direkt Vollgas. Die Musiker um Sänger Alex Wonhaas kamen im Priester-Look daher. Wie üblich waren die Mannen schwarz-weiß geschminkt. War Alex auf Krawall gebürstet? Sein Mikro war nunmal in einen Baseballaschläger eingebettet. Das einzige, was er aber aufmischen wollte, was die konzerthungrige Menge vor ihm. “Servus, M’era Luna. Es tut so gut, wieder hier zu sein und auf dieser fucking Bühne zu stehen. Letztes Jahr hat es ja nicht geklappt aber danke an die Veranstalter, dass sie uns dieses Jahr wieder eingeladen haben. Ich hoffe, ihr habt jede Menge Bock mitgebracht?! Ich kann euch gar nicht sagen, wieviel Bock wir mitgebracht haben. Jetzt zu Beginn kommt der erste Bocktest!” Zur Belohnung für die exzellente Kooperation des Publikums bei dem Song Roter Mond folgte ein sanfter Luftkuss. Zart und hart – so sind sie. Perfekt mimte Alex auch die irre Miene des Horrorclowns.

Voller Vorfreude kündigte er darauf folgend die neue Platte der Band an. In Teufels Namen wird das Werk heißen und “Wie immer nehmen wir kein Blatt vor den Mund. So auch bei der nächsten Nummer. Egoisten gab es schon immer. Ein bis zwei Arschlöcher in der Familie kann man ja verkraften. Schwer, aber es geht. Aber ich hab das Gefühl, wir leben in einer Arschlochgesellschaft! Wer am lautesten brüllt, hat immer recht. Der mit der dicksten Karre, der hübschesten Freundin oder dem oberflächlichsten Spruch bekommt den meisten Applaus. Werte wie Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Disziplin, Fleiß, dazu stehen, was man mal getan hat, ist nicht mehr up to date. Unsere Message an euch: Nehmt euch selbst nicht so wichtig und denkt mal an andere. Ansonsten seid ihr alle Arschlöcher!” Entschlossen zog er sein Sakko aus – auf seinem Shirt prangte der nächste Songtitel: Alles Arschlöcher. Damit hat er voll ins Schwarze getroffen. Seine Fangemeinschaft feierte emsig mit. Eine abgewandelte Spieluhrmusik erklang und läutete einen weiteren neuen Titel mit dem Namen Engelsgesicht ein. Im Song lockt eben dieses die Männer mit ihrem anziehenden Aussehen an, um sie eiskalt in ihr Verderben zu stürzen. Zum Schluss durfte das Miststück natürlich nicht fehlen, das jeder gedanklich mit Megaherz verbindet. Voller Inbrunst stimmten die Zuschauer mit ein und Alex ließ genoss nochmal jede Sekunde mit seinen Anhängern. Abwechselnd ließ er nochmal Männlein und Weiblein im Chor gegeneinander antreten, ehe die kurzweilige Show von Megaherz ihr Ende fand.

Setlist MEGAHERZ
01. Vorhang Auf
02. Roter Mond
03. Horrorclown
04. Alles Arschlöcher
05. Engelsgesicht
06. Für Immer
07. Miststück
08. Jagdzeit
09. Himmelsstürmer

Nachdem in der Umbaupause ein kräftiger Schauer auf das Gelände niederprasselte, war der Spuk mit dem Beginn des nächsten Acts schlagartig vorbei. Schirme zu und Capes hinfort für Rabia Sorda! Mit animalischen Bewegungen begaben sich Drummer Marco und  Tänzerin Giulia während des Intros auf die Bühne. Die junge Frau platzierte sich hinter zwei Stand Toms. Erk Aicrag stürmte gemeinsam mit seinem Gitarristen Titus hinzu und die wilde Party nahm ihren Lauf. Beginnend mit Perfect Black fand nun das Electro-Gewitter auf der Club Stage statt. “The rain stopped, it’s time to go crazy, M’era Luna!” Erk simulierte eine beginnende Rangelei mit seiner Tänzerin und stachelte die Menge damit auf. Zu Out Of Control und Radio Paranoia konnte man sich nach Herzenslust austoben und all den lästigen Stress des Alltags hinter sich lassen. Giulia wusste es, sich gekonnt in Szene zu setzen und ihren Körper zu verbiegen. Sie genoss es dabei durchaus, dass sie die Blicke auf sich zog. Beim Closer We’re Not Machines eskalierte die gesamte Band gemeinsam und nach diesem musikalischen und darbietenden Wirbelsturm auf der Bühne, mussten alle erstmal wieder zur Puste kommen und die trockenen Kehlen mit einem kühlen Getränk befeuchten. Der erste Abriss des Tages war hiermit besiegelt.

Setlist RABIA SORDA
01. Perfect Black
02. Violent Love Song
03. Deaf
04. I’m Tragedy
05. Out Of Control
06. Radio Paranoia
07. King Of The Wasteland
08. Destruye
09. We’re Not Machines

Zurück zur Main Stage. Hier erwarteten uns bereits Diary Of Dreams. Viva La Bestia löste eine bedrohliche Stimmung aus. Die ersten Lyrics klangen noch ruhig und gefasst: “I pray like a saint, I sing like an angel, I preach like a savior. But the monster is…” Doch dann stieß Adrian Hates voller Hingabe und mit rauer Stimme die dramatische Wendung hervor: “The monster is me!” Die Kenner des aktuellen Albums Melancholin reagierten sofort und riefen im Chor “Say my name, say my name, say name.” Welch ein gelungener Einstieg in die dunkle Traumwelt der Band. Mit wuchtigem Sound und einer Menge Druck im Gepäck folgte Epicon. Dieser Kontrast zwischen Adrians zunächst zerbrechlich wirkender Stimme und dem nächsten Moment, in dem er passend zum Sound mächtig und fordernd klang, hinterließ mich nach wie vor beeindruckt zurück. “Wir machen weiter mit einem Geheimnis.” The Secret läutete nun den tanzbaren Part des Sets ein. Endless Nights öffnete mir einst in einem kleinen Club auf einer Tanzfläche den zuvor stets verschlossenen Zugang zu der Welt von Diary Of Dreams. Bis heute verfehlt der Song seine faszinierende und betörende Wirkung nicht und wenn man dieser Band einmal erlegen ist, ändert sich das vermutlich auch nie wieder. Hat eigentlich schon jemand die neue, endlos coole E-Gitarre von Hilger Tintel wahrgenommen, die im roten Snake-Look Style daherkam? Zu diesem Kauf möchte ich ihn beeindruckt beglückwünschen.

Während Undividable gewaltig rockte, glänzte Felix Wunderer in seinem silbernen Anzug hinter seinen Keys und schien die plötzlich aufkeimenden Sonnenstrahlen einzufangen. Funklende Seifenblasen verteilten sich zudem über den Köpfen der vorderen Reihen und schienen durch die Luft zu tanzen. The Fatalist ließ Adrian seine Arme ausbreiten. Blauer Nebel verteilte sich auf der Bühne und zu den treibenden Beats entstand eine besondere Atmosphäre. Schon wollte man die Zeit anhalten und diese Momente endlos genießen. Doch ein jähes Ende nahte bereits… “Wir kommen schon zu unserem Abschlusssong. Wir haben uns etwas mutiges ausgedacht. Es gibt einen Song, der uns schon lange begleitet. Wir haben eine abgespeckte Version daraus gemacht. Herr Kapellmeister? Ihr singt mit, solange ihr Lust habt.” Kapellmeister Felix stimmte am Piano den Traumtänzer an. Dazu gesellte sich einzig der Gesang von Adrian. Ganz bedächtig stimmten die Schwarzlinge mit ein “Wirst du mich nie verstehen? Wirst du denn nie verstehen? Hast du noch nie gesehen… wie meine Augen glitzern?” Zweifelsohne ließ es sich der langhaarige Fronter nicht nehmen, den bedeutsamen Refrain mit seinen Fans im Wechsel zu singen, bis er diesen final selbst mit sanfter Stimme beendete. Glücklich wendete er sich ein letztes Mal an seine Fans: “Wir hatten ‘ne riesen Zeit mit euch!” Wir auch, Adrian… Dankeschön.

Setlist DIARY OF DREAMS
01. Viva La Bestia
02. Epicon
03. The Secret
04. Endless Nights
05. Undividable
06. Tha Fatalist
07. Traumtänzer

Als Neuroticfish die Clubs Stage betraten, zogen finstere Wolken auf. Ein Sturm zog auf und eins der beiden riesigen Sidedrops löste sich. Der Wind verfing sich darin und ließ es direkt in die Höhe flattern. Doch die emsigen Techniker hatten schnell ihre stärksten Kabelbinder parat, um den ungestümen Banner wieder zu bändigen. Sänger Sascha klein ließ sich von dem kleinen Zwischenfall und dem Blick Richtung Himmel nicht beeindrucken – zu groß war die Freude über diesen Gig: “Wir sind Neuroticfish und wir haben das schöne Wetter mitgebracht.” Ihr geschmeidiger Electrosound samt der glasklaren Stimme von Sascha lenkte auch sogleich die Aufmerksamkeit auf den Gig. Auf das Wetter hatten wir eh keinen Einfluss – dann konnten wir auch einfach feiern. “Es ist schon wieder ein paar Jahre her, dass wir auf dem M’era Luna waren.” So ist es – 2019 haben die beiden zuletzt in Hildesheim gespielt. Ich erinnere mich an ein M’era Luna vor vielen Jahren, an dem wir einzig und allein für Neuroticfish hierhergefahren sind. 2003 müsste es gewesen sein und trotz der brütenden Hitze im Hangar hatten wir eine grandiose Zeit. Mit Colourblind und Walk Alone startete das Duo hier erstmal auf sanfte Art und Weise. Das Mikro brauchte auch ein Weilchen, um Saschas Stimme zu uns allen durchdringen zu lassen. Dank Rewind zog das Tempo dann parallel zu der Stimmung in der Menge an.

“Geht’s euch gut? Ihr seht jedenfalls toll aus!” Civilized fetzte ordentlich, verlangte Saschas Stimmbändern aber auch einiges ab. Er nahm es mit Humor “Danach ist meine Stimme immer im Arsch, sorry.” Stets wiederkehrende Diskussionen lösten Neuroticfish einst mit ihrem Song Is It Dead aus. Stellten sie hier doch die eklatante Frage, ob EBM am Ende sei. Hier aktivierten sie eher den Flummimodus, hüpften die Fans doch mit leuchtenden Augen zu dem treibenden Beat und der fröhlichen Melodie umher. Henning Verlage – der Mann an den Synths hatte ebenfalls sichtlich Spaß an diesem Auftritt. Vergnügt gab Sascha noch die Veröffentlichung ihres neuen Albums mit dem einprägsamen Namen The Demystification Of The Human Heart bekannt. Im Dezember soll es soweit sein und passend dazu stehen dann auch Gigs in Hamburg, Oberhausen und Rüsselsheim auf dem Plan. Mit dieser herrlichen Aussicht war es auch zu verschmerzen, dass schon der letzte Track bevorstand. Zuletzt haben die Jungs ihrem all-time favourite Clubtrack Velocity ein schnittiges fresh-up spendiert. Happy begleiteten die Fans Neuroticfish ein letztes Mal: “And it really kicks my head, rips me up and makes me sad. Sending shiver down on me, expressing velocity.” – “M’era Luna, es war wunderschön mit euch!”

Setlist NEUROTICFISH
01. Colourblind
02. Walk Alone
03. Former Me
04. Silence
05. Civilized
06. Is It Dead
07. Fluchtreflex
08. What Is Wrong
09. Velocity N20

Allzeit Schelm Joachim Witt legte derweil auf der Hauptbühne los. Mit wehendem Haar und adrett gestutztem Bart sah er in seinem feinen Zwirn richtig edel aus. An seiner Kette hing ein großes Pentagramm. Sein dunkler Kajal saß ebenfalls wie eine eins. Beginnend mit dem Titel Das Geht Tief rockte er wie ein junger Hüpfer über die Bühne. Mittlerweile war nicht mal mehr ein Sitzhocker zu sehen. Kess trotze er den 74 Jahren, die sein Alter auswiesen. Und auch sein Mundwerk war wie gehabt kaum zu bändigen. “Ein kurzes Intro von Bayreuth 1 – 1998, original Jacke – 1998, original Hemd – 1998 und der Rest ist von 1949 – knapp daneben.” Ein Schmunzeln konnte er sich hierbei nicht verkneifen. Felix Wunderer unterstütze den Auftritt übrigens hier ebenfalls an den Keys. Joachim war einst ein Mitbegründer der Neuen Deutschen Welle. Doch gerade seine aktuellen Songs haben mit diesem Genre nicht mehr allzu viel gemein, sind diese doch geprägt von rockigen und modernen, elektronischen Klängen. “Wir müssen durziehen, wir müssen durchziehen – wir haben keine Zeit!” Auf Kopfschwul folgte der Herr Der Berge mit seinen düsteren Klängen.

Ein Raunen ging durch die Menge, als Die Flut einsetze. 1998 entstand der mega Hit in Kooperation mit Peter Heppner. Als sein Part begann, enterte er ebenfalls die Bühne “Und du rufst in die Nacht und du flehst um Wundermacht. Um ‘ne bessere Welt zum Leben, doch es wird keine andere geben.” Gemeinsam besangen sie ihre Flut und sorgten für strahlende Gesichter vor der Bühne. Herzlich drückten sich die beiden Kultsänger und mit einem warmen Applaus wurde Peter verabschiedet. Pure Dramatik baute sich bei dem lauernden Dämon auf. “Einen hab ich noch für euch. So’n blödes Lied, das niemand kennt.” Mit deutlichen Handzeichen machte Joachim der Menge klar, dass sie jetzt nochmal mitmachen soll. Nun sprang er auch noch auf und ab, als sein NDW Klassiker der Goldene Reiter einsetzte. Es ist schwer zu sagen, wer hier am Ende mehr rockte, das Publikum, die Musiker oder Joachim. Es war jedenfalls ein Fest, ihn bei bester Gesundheit straight abliefern zu sehen.

Setlist JOACHIM WITT
01. Das Geht Tief
02. Treibjagd
03. Ohne Dich
04. Kopfschwul
05. Herr Der Berge
06. Die Flut
07. Dämon
08. Schwör Mir
09. Goldener Reiter

Auf den Auftritt von Amduscia habe ich mich im Vorfeld besonders gefreut, war es doch eine gewühlte Ewigkeit her, dass ich die Mexikaner live erlebt habe. Nachdem aus dem Trio im Jahr 2010 tragischerweise ein Duo wurde, weil Edgar Acevedo seinem Leukämie Leiden erlag, blieben die beiden Brüder Polo und Raul Amduscia zurück. Doch zu meiner starken Verwunderung tauchte Raul an den Keys gar nicht auf. Stattdessen stand dort Ulli Volkland – eine Freundin des Sängers. Polo hatte sichtlich Bock und strotze vor Energie “Come on, Deutschland!” Erneut gab es also Aggrotech für die Electroheads vor der Bühne. Club Tracks wie Solo Maquina und Impulso Biomecànico machten den Tanzenden ordentlich Beine. Und doch sprang bei mir der Funke leider nicht über. Zu groß war die Enttäuschung über die veränderte Formation und gerade Ulli trug nicht gerade dazu bei, dass ich in Ekstase geriet. Unauffällig stand sie hinter den Keys, wippte leicht hin und her, drückte hier und da mal eine Taste und lächelte nett. Also das reichte mir nicht – so sehr sich Polo auch bemühte. Ihm fehlte es wirklich an nichts. Er machte Stimmung, sang voller Ekstase und ihm gelang es auch, das Gros der Menge zu begeistern. Da ich niemanden mit meiner Irritation anstecken wollte, trat ich flugs den Rückzug an – das Programm an der Main Stage war eh schon wieder im Gange.

Setlist AMDUSCIA
01. Oscuridad En Ti
02. Absolution
03. Solo Máquina
04. Placeres Negros
05. Impulso Biomecànico
06. Profano Tu Cruz
07. Beyond The Darkness

Zumindest laut Zeitplan, denn angefangen hatten Projekt Pitchfork noch nicht. Streikende Technik löste ein unruhiges Gewusel auf der Bühne aus. Mit einer leichten Verzögerung – die aber noch im Rahmen war, starteten die Urgesteine des Electro-Waves. Peter Spilles blieb die Ruhe selbst. “M’era Luna, dann fangen wir mal an.” Die riesige LED-Leinwand beeindruckte mit ihren stimmungsvollen Visuals und sorgte gemeinsam mit der fein abgestimmten Lightshow und den Nebeleffekten für ein besonders ansprechendes Bühnenbild. Erneut hatten die Pitchies auch wieder zwei Schlagzeuger dabei – die stets einen wirkungsvollen Effekt erzielten. Souls traf auch direkt mitten ins Herz “So there are you and here am I. Let’s realize our dream”…”Danke, dass wir bei euch sein dürfen.” Aus dem Jahr 1992 haben sie uns dann Conjure mitgebracht. Einen Track – der nicht nur die alten Hasen unter uns begeisterte. Und den nächsten Kracher hatten sie bereits in der Hinterhand – Beholder. Nun war knallhartes Wadentraining angesagt. Die Hüpfparade war eröffnet und Peter sprang eifrig und beglückt mit. “Wir verstehen uns!”

Wenn man gen Himmel blickte, schien der nächste Wolkenbruch bevorzustehen. “Beim nächsten Song müsst ihr laut sein, sonst zieht er den Regen an. Entweder mitsingen, klatschen oder sonst wie laut sein.” Noch lachte der Fronter – er hatte schließlich auch ein Bühnendach über seinem Kopf. “Rain keeps falling down, down into the rivers of life…” Den Anweisungen wurde Folge geleistet. Kräftig wurde mitgesungen und ausgelassen getanzt. Und dennoch – der Himmel hatte kein Erbarmen und die dunklen Wolken brachten erneut einen Regenguss hervor. Volcano wärmte immerhin mit seinen hinreißend schönen Klängen die Seele von innen und somit ließ sich niemand von dem Schauer ärgern. Gegen Ende des Songs kam gar noch die Partnerin von Peter hinzu und sang die letzten Zeilen mit ihm gemeinsam. Zum Abschied gab es einen flüchtigen Kuss auf den Mund und weiter ging’s. “Wer hat nicht aufgegessen?! Der Regen tut uns nichts. Ihr seid großartig.” Auch beim Timekiller konnte hier niemand stillstehen. Onyx entzückte mit seinen herrlich dunklen Vibes. Mittlerweile hat sich auch die Sonne zurückgekämpft. Gegen Ende machte Peter noch eine Ankündigung: “Wir können uns im Herbst wiedersehen – mit einer neuen Scheibe im Gepäck. Wir lieben euch!” Sämtliche Tourdaten erschienen nach und nach auf der Leinwand (welche cleverer Zug) und zu Existence schwangen wir noch einmal gemeinsam das Tanzbein.

Setlist PROJECT PITCHFORK
01. Souls
02. Conjure
03. And The Sun Was Blue
04. Beholder
05. Acid Ocean
06. Rain
07. Volcano
08. Timekiller
09. Onyx
10. Titânes
11. Existence v4.1

Sven Friedrich ist ein gern gesehener Gast auf dem M’era Luna Festival. Oftmals hat er den Flugplatz in Hildesheim schon musikalisch beackert. In diesem Jahr waren also mal wieder Solar Fake an der Reihe – und zwar im schönsten Abendlicht. Die zweite Area war proppevoll und Sven war sichtlich überrascht “Watt is denn hier los?” Gleich von Beginn an war hier Partystimmung par excellence angesagt. At Least We’ll Forget und This Pretty Life wurden von der Menge getragen, als hätte diese heute nicht schon den ganzen Tag gefeiert. Aber die abendliche Kühle gepaart mit der Vorfreude auf die Band und den antreibenden Electroklängen hat scheinbar neue Reserven freigesetzt. “Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Glaub, ich sag besser gar nix.” Zu Not What I Wanted setzte auch noch der leidenschaftliche M’era Luna Chor ein. Sven war sichtlich ergriffen. Neuigkeiten gab es auch: “Ein Teil von euch hat es sicher schon gehört. Wir arbeiten an einem neuen Album. Wir spielen jetzt ein neues Stück. Hoffentlich in einer ähnlichen Version, wie es dann auch geplant ist. Das Stück heißt ,Disagreee’.” Unerwartet poppig klang der Neuling. Man darf gespannt sein, wie sich die anderen frischen Tracks entwickeln.

“Wir spielen jetzt das Stück, das gar nicht von uns ist. Vielleicht kennt ihr es ja.” Sven ist bekannt dafür, dass er gerne Songs, die er mag seinen eigenen Schliff verleiht. Diesmal hat er sich Ghosts Again von Depeche Mode vorgeknöpft und seine Version stand dem Original in nichts nach, war sie doch gar tanzbarer und zwischenzeitlich auch ein wenig verträumter. André Feller verausgabte sich wie üblich an seinen Keys und Jeans glänzte an den Drums. Solar Fake habe ich bereits häufig live gesehen aber so befreit, locker und fabelhaft gelaunt habe ich Sven selten wahrgenommen. Aus seinem Honigkuchenpferdchenmodus fand er gar nicht mehr heraus und das war auch gut so. Denn die Fans strahlten sichtlich mit dem Fronter um die Wette. “Es ist schon soweit. Jetzt kommt unser letztes Stück.” Observer läutete also den zweiten Totalabriss des Tages ein. Neben der zuckersüßen Seite stand Sven seine energische, ungebremste Facette besonders gut. “Escaped before I fell apart. Why the fuck you broke my heart? Another end, another start. Why the fuck you broke my heart?!” Die Euphorie war an der Clubs Stage greifbar. An dieses Konzert werden sich Solar Fake aber auch wir Zuschauer wohl noch häufiger zurückerinnern. Well done! Und wir freuen uns bereits auf das neue Album.

Setlist SOLAR FAKE
01. At Least, We’ll Forget
02. This Pretty Life
03. Under Control
04. All The Things You Say
05. I Don’t Want You In Here
06. Not What I Wanted
07. Disagree
08. I Despise You
09. It’s Who You Are
10. The Pain That Kills You Too
11. Ghosts Again
12. Sick Of You
13. Observer

Mit In Extremo standen nun die letzten mittelalterlichen Klänge des Tages an. Wie es sich für mittelalterliche Bands in der Dunkelheit gehörte, sparte man keineswegs an diversen Feuereffekten. Feuerschübe, Flammenwerfer, Feuerbälle – hier gab es alles, was das lodernde Herz begehrte. Dudelsack und Harfe kamen selbstredend ebenfalls zum Einsatz. Mit einem musikalischen Spaziergang durch die Diskografie der Band, sang sich das Sextett in die Herzen ihrer Fans. Für einen Song reisten sie gedanklich nochmal besonders weit in die Vergangenheit: “Zurück zu dem Song, mit dem alles angefangen hat. Vielen Dank für die langjährige Treue.” Im Jahr 1998 erschien Ai Vis Lo Lop. Der Song wurde in alt-französicher Sprache verfasst und die Lyrics waren den Fans auch an diesem Abend präsent, wie eh und je.

“Im nächsten Lied geht’s um Alkohol. habt ihr heute auch schon ein bis zwei Gläser getrunken?” Sternhagelvoll griff nun um sich. Bis in die letzten Reihen wurde selig geschunkelt und mitgesungen. Selbst als der Song längst endete, sang die riesige Schar noch eine Weile weiter. Auch beim Spielmannsfluch geizte man nicht mit Special Effects. Wir hörten die Zeilen “Es regnet – es regnet Blut! Es regnet – den Spielmanns Fluch!” und blickten in rote Pyrofunken, die den dunklen Himmel erleuchteten. “Liebe Leute, wir spielen jetzt das letzte Lied. Erzählt jedem wenn ihr nach Hause kommt, was für eine schöne Zeit ihr hier hattet.” Pikse Palve bot den krönenden Abschluss. Fröhlich nahm man sich nochmal in die Arme, sah dem munteren Treiben auf der Bühne zu und erwärmte sich an den heißen Schüben, der aufsteigenden Flammen.

Setlist IN EXTREMO
01. Troja
02. Vollmond
03. Feuertaufe
04. Küss Mich
05. Unsichtbar
06. Liam
07. Rasend Herz
08. Ai Vis Lo Lop
09. Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein
10. Sternhagelvoll
11. Frei Zu Sein
12. Sängerkrieg
13. Störtebeker
14. Spielmannsfluch
15. Pikse Palve

Die Synthpopper von Mesh hatten das große Los gezogen, für London After Midnight einzuspringen, die kurzfristig ihre Absage kundtun mussten. Bei den Gothrock Fans sorgte diese Hiobsbotschaft für enttäuschte Gesichter. Zumal bereits eine Weile zuvor Fields Of The Nephilim ihre Zusage zurückziehen mussten. Für diese rückten dann Mono Inc. nach. Doch an der zweiten Bühne wollten viele eine klassische Gothicband als Headliner sehen. Mesh schlugen nunmal in eine völlig andere Kerbe. Fans der Band empfingen die Neuigkeit aber mit blanker Freude und versammelten sich zahlreich vor der Club Stage. Das Sonnendach erstrahlte mittlerweile in herzlichem pink und die letzte Electro-Sause des Tages konnte beginnen. Eine Sause baut sich ja gewöhnlich erstmal auf – so war es auch hier. Im Gegensatz zu Solar Fake entschiedenen sich Mesh für einen seichteren Einstieg in ihr Set. Man darf sich auch mal Zeit für verträumte Momente nehmen. Auch für eine B-Seite entschieden sich die Engländer, so kam auch From This Height zum Zuge. Etwas mehr Licht wäre übrigens durchaus wünschenswert gewesen. Die Jungs von Mesh wussten aber selbstredend auch, was man wirklich von Ihnen erwartete. Die Fans wollten nunmal tanzen! Just Leave Us Alone, It Scares Me und Born To Lie vermochten dann die Anhänger der Band zu beflügeln. Durch eine Überschneidung mit dem Headliner der Main Stage verpasste ich leider das Grande Finale. Aber ich bin mir sicher – die Freunde des Synthpops haben mich sicherlich würdig vertreten.

Setlist MESH
01. Intro (Faling Into Pieces)
02. I Fall Over
03. My Protector
04. From This Height
05. The Fixer
06. Just Leave Us Alone
07. It Scares Me
08. The Traps We Made
09. Born To Lie
10. Last One Standing
11. Kill Your Darlings
12. Taken For Granted

Nach einem Bruch mit seiner Band HIM und einer musikalischen Auszeit, konnte es der Gründer des Love Metals dann doch nicht lassen und bestreitet seinen Weg nunmehr auf Solopfaden. Zur Krönung klingelten dann auch noch die Festivalbooker bei ihm durch. Nun war es tatsächlich soweit. VV – Ville Valo kam endlich wieder “nach Hause” – als Headliner des 22. M’era Luna Festivals. Im Hintergrund der riesigen Bühne erstrahlte das Heartagram 2.0. Raffiniert wurde dieses an der Spitze um den Buchstaben “V” erweitert und somit wurde der Solokünstlername VV visuell perfekt integriert. Die Bühne war in pinken Farben ausgeleuchtet und nachdem sich seine Mitmusiker positioniert haben, betrat auch Ville die Bühne. Seine lockiges Haar war unter einer Schiebermütze verborgen. Er trug einen adretten schwarzen Anzug mit einem Shirt, samt tiefgeschnitten V-Neck, das uns damit einen Blick auf ein tätowiertes Auge ermöglichte. Seine Augenpartie war wie in früheren Zeiten mit Lidschatten und Kajal betont. Die Fans stimmten von Beginn an in die Lyrics von Echolocate Your Love mit ein: “If you wanna dream what I dream, don’t close your eyes. If you wanna feel what I feel…” Zu den Worten “Kill the liiiiight” ging er stimmlich leidenschaftlich in die Höhen und das besondere Gefühl aus vergangenen HIM-Zeiten flammte wieder auf – auch, wenn es sich hierbei um einen der solo Songs handelte.

Doch die HIM Anhänger, für die damals eine kleine Welt zusammenbrach, als die einschneidende Nachricht über die Auflösung der Band die Runde machte, bekamen auch etliche Songs von HIM zu hören. Mit Poison Girl läutete der smarte Finne nämlich das muntere Wechselspiel der Setlist ein: Auf einen Song der Solokarriere folgte in der Regel die Coverversion eines HIM Songs. Schließlich entstammen diese Stücke ebenfalls seiner Feder. Der perfekt abgestimmte Sound machte richtig Laune. Aber natürlich stand Ville hier allein im Fokus des Geschehens. Seine Musiker verhielten sich eher unauffällig. Und Ville? Er glänzte besonders mit seiner Stimme. Man hat sogar den Eindruck, dass diese live heutzutage noch perfekter klingt, als damals. Ansonsten hielt er sich das ganze Set über am mittleren Bühnenrand auf. Viel Bewegung war nicht im Spiel. Dafür suchte er immer wieder den Blickkontakt zu seinen Fans und lächelte sie freundlich an. Das Heartagram wechselte dazu fröhlich seine Farben und die Bühne erstrahlte in den schönsten rosa- und lilafarbenen Nuancen. Was Ville Valo definitiv schaffte, war ein Gefühl der Beseeltheit auszulösen. Wenn man in die Gesichter um einen herum blickte, sah man sehr glückliche Menschen. Und eins hatten sie alle gemein – sie waren absolut textsicher. Songs, die uns eins berührten, verankern sich halt tief in unserem Inneren.

Zu Bured Alive By Love lieferte uns Ville hinreißende Screams. Seine neuen Tracks hatten zwar mehr Love als Metal inne, aber er präsentierte diese voller Gefühl und holte uns definitiv auch damit ab. Etliche Seufzer machten die Runde, als Join Me (In Death) folgte. Hier kamen viele Erinnerungen hoch. Selbst die vermeintlich härtesten Kerle wurden hier übrigens butterweich, wenn sie beispielsweise Wings Of A Butterfly hingebungsvoll mitsangen. War das schön anzusehen. Schwer und mächtig erklangen die Gitarrenriffs beim Abschiedssong Saturnine Saturnalia. Schwer fiel auch der Abschied und doch war ich auch ein kleines bisschen enttäuscht. Warum? Wer Ville bereits auf der Tour oder einem der bisherigen Festivals erlebt hat weiß, was ich meine. Er war nunmal DER Headliner am Samstagabend. Bei vorigen Darbietungen strahlte er zudem bedeutend mehr – gut er war nun auch schon seit Monaten unterwegs und die ganzen Gigs und all die Reisen verlangen einem natürlich einiges ab. Spezialeffekte wie ein Feuerwerk, Leuchtraketen oder ähnliches hätten auch nicht zu ihm gepasst. Aber zumindest eine kleine Überraschung, wie zum Beispiel eine Abwandlung der Setlist – ein oder zwei Songs, die es zuvor nicht stets zu hören gab, hätte ich mir zumindest gewünscht.

Sei es drum, das Konzert war gelungen und der erste Tag des Festivals war ein Fest für die Seele. Das Wetter war deutlich besser, als angesagt und man konnte sich kaum an all den spannenden Menschen auf dem Gelände sattsehen. Jeder konnte nun auf seine Art den Abend ausklingen lassen – indem man einfach das Geschehen beobachtete, ein letztes Mal die Akkus in der Disco herausforderte, einer der witzigen Aktionen auf dem Airfield beiwohnte oder einfach mit einem Glas Wein und seinen Freunden noch vor seinem Zelt saß. Etwas Schlaf und eine Pause für die gebeutelten Füße musste aber durchaus drin sein, denn der Sonntag hatte noch ein stattliches Programm für uns parat. Gute Nacht, M’era Luna!

Setlist VV - VILLE VALO
01. Echolocate Your Love
02. Poison Girl
03. The Foreverlost
04. Right Here In My Arms
05. Run Away From The Sun
06. Buried Alive By Love
07. Heartful Of Ghosts
08. Join Me (In Death)
09. Neon Noir
10. The Kiss Of Dawn
11. Loveletting
12. Wings Of A Butterfly
13. Salute The Sanguine
14. The Funeral Of Hearts
15. Saturnine Saturnalia

P.s.: hier findet ihr die kompletten Bildergalerien des ersten Tages von der Main Stage, der Club Stage und all unseren Impressionen.

Den Bericht zum Sonntag findet ihr hier:

M’ERA LUNA FESTIVAL 2023 – Sonntag (13.08.2023)

Weblinks M’ERA LUNA:

Homepage: https://meraluna.de/
Facebook: https://www.facebook.com/meralunafestival/
Instagram: https://www.instagram.com/meralunafstvl/

 

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