INTENT:OUTTAKE im Interview: “Social Media ist ein zweischneidiges Schwert”

INTENT:OUTTAKE im Interview: "Social Media ist ein zweischneidiges Schwert"
Intent:Outtake
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Im härteren Dark-Electro-Bereich haben sich Intent:Outtake mittlerweile einen Namen gemacht. Vor allem Songs des bislang letzten Albums Days Of Doom (2019) sorgten in den Clubs für volle Tanzflächen. Nun haben Andreas Engleitner und Bastian Polak eine neue EP herausgebracht. Auf Tic Toc Tod setzen sich die Leipziger unter anderem mit der von Social Media dominierten heutigen Gesellschaft auseinander. Für das kommende Jahr hat das Duo aber noch vieles mehr im Köcher, wie es uns im Interview verriet.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Erstmal die Frage, die man aktuell vielleicht noch jedem Kunstschaffenden, insbesondere im eher szenig-nischigeren Bereich, stellt: Wie seid Ihr, mental wie monetär, durch die vergangenen zweieinhalb Jahre gekommen?
Andreas: Monetär hatten wir Gott sei Dank keine Probleme, da die Band noch nicht unser Haupterwerb ist. Aber mental hat es schon Spuren hinterlassen. Plötzlich von Tour auf Stillstand war schon hart. Wir haben dennoch die wenigen Möglichkeiten genutzt, Shows zu spielen, was für die Seele einfach auch gut und wichtig war.
Bastian: Für mich persönlich war es wie eine Art Winterschlaf. Jeder war irgendwie in der Situation gefangen und wusste nicht wirklich damit umzugehen. Wie Andreas schon sagt, gab es zum Glück Veranstalter, die in dieser schwierigen Zeit vorangegangen sind und Konzerte veranstaltet haben.

Einzelne ausgewählte Shows standen ja an, so zum Beispiel beim E-Tropolis 2021 oder WGT 2022. Haben sich diese Auftritte vom Gefühl und den Publikumsreaktionen her von vorpandemischen Shows unterschieden?
Andreas: Meinem Empfinden nach war auf beiden Seiten eine Veränderung spürbar. Ich hatte ganz stark das Gefühl, dass beide Seiten einfach froh und auch dankbar waren, wieder auf-, bzw. vor der Bühne stehen zu können oder besser noch, stehen zu „dürfen“. Unsere beiden Shows 2020 nach Beginn der Pandemie waren einerseits von der Stimmung absolut großartig, aber andererseits war halt dennoch der Respekt vor diesem Virus spürbar und so waren die persönlichen Kontakte, speziell nach den Shows, wesentlich verhaltener als vor der Covid. Fotos nach der Show sind halt meist komplett ausgefallen, da es nur die Wahl gab zwischen einem Foto mit viel Abstand oder eben dem Photo mit Maske. Und dennoch: Es waren zwar seltsame, aber dennoch sehr schöne Momente.
Bastian: Da kann ich mich Andreas nur anschließen. Man hat die besondere Stimmung gespürt. Sie war intensiver und irgendwie magisch. Ich hatte das Gefühl, dass vielen bewusst wurde, was für ein Geschenk Freiheit ist.

Nun ist eine neue EP erschienen. Der Titelsong von Tic Toc Tod behandelt die Social-Media-Sucht in unserer Gesellschaft und das Selbstdarstellerisch-Manipulative, mit dem dort viele unterwegs sind. Was war für Euch ausschlaggebend, dieses Phänomen in einem Song zu thematisieren? Gab es einen besonderen Auslöser?
Andreas: Es gab dazu nicht den einen einzigen Auslöser, es war eher das Resultat aus vielen Dingen, die man so täglich aufgeschnappt hat. Da hatte wahrscheinlich auch COVID seinen Anteil dran. Natürlich ist dieses Thema nicht erst dadurch entstanden, aber es wurde meiner Meinung nach schlimmer. Es war zwischenzeitlich so, dass ich persönlich Social Media auf das Allernötigste reduziert habe. Da ging es dann zeitweise wirklich nur noch um Dinge, die mit der Band zu tun hatten. Ich war halt irgendwann nicht mehr nur belustigt, sondern habe mich teilweise auch echt aufgeregt. Es geht mir dabei auch nicht um eine einzelne Plattform, sondern generell um Social Media. Ebenso geht es mir nicht nur um die Leute, die diesen Blödsinn verzapfen. Es geht auch die User, die diesen Müll verschlingen und solche Leuten noch dazu die Bühne bieten, sie „vergöttern“. In meinen Augen ein Teufelskreis, der sich immer schneller dreht. Ich bin wahrscheinlich zu oldschool.
Bastian: Ja, da hat Andreas die richtigen Worte gefunden. Mir macht diese ganze Entwicklung Angst und man weiß nicht, wohin sich das alles entwickelt. Jeder möchte der tollste sein und anderen imponieren. Wenn ich diese Bilder sehe, wo tausende Menschen auf einem Konzert das Handy in der Hand halten, verstehe ich den Sinn dahinter nicht und habe Mitleid mit den Künstlern.

INTENT:OUTTAKE - TIC TOC TOD (2022) - Official Videoclip

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Habt Ihr eigentlich selbst einen TikTok-Account? Bzw.: Wie viel Zeit verbringt Ihr täglich in den Sozialen Medien?
Bastian: Ich habe keinen TikTok-Account, kann es aber auch nicht ausschließen, dass ich nie einen haben werde. Ich habe nichts dagegen wenn man diese Plattform als Medium benutzt um seine Kunst oder seine Talente zu zeigen. (Es ist ja auch nicht alles schlecht.) Aber ich verstehe nicht, wie z.B. ein kleiner Junge, der Tool auf dem Schlagzeug nachspielt, 1000 Likes bekommt und jemand, der mit aufgespritzten Lippen nur dumm in die Linse grinst, 10.000.000 Likes hat.
Andreas: Tatsächlich haben wir auf den gängigen Plattformen auch unsere Profile bzw. Accounts. Aber bei TikTok sind wir nicht. Aufgrund von Promo und Kommunikation mit Fans verbringe ich fast jeden Tag etwas Zeit in Social Media. Es ist schon ziemlich selten, dass ich mal nicht bei FB oder Instagram reinschaue. Wenn dazu noch etwas ansteht, was den Leuten näher gebracht werden muss, dann gehen da schon mal zwei bis drei Stunden pro Tag drauf.

Ist Social Media für Euch allgemeiner eher Segen als Fluch? Klar, es frisst Zeit (und bisweilen auch Hirn), ist aber als Kommunikationsmittel für Musiker mittlerweile unerlässlich …
Andreas: Es ist in jedem Fall ein zweischneidiges Schwert. Für uns, bzw. für fast jeden Künstler, ist es der einfachste und auch meist schnellste Weg, mit Fans zu kommunizieren. Oder auch mal mit Musikerkollegen, von denen man halt nicht die Handynummer eingespeichert hat. Zudem kann man seine Themen wunderbar und schnell präsentieren, seien es Konzerte oder Releases. Es ist tatsächlich unerlässlich, zumindest für uns. Ich möchte daher Social Media nicht generell verteufeln. Das wäre auch etwas scheinheilig, denn dann dürften wir keine Profile auf irgendeiner Plattform haben. Ich sehe es durchaus noch etwas eher als Segen.
Bastian: So sehe ich das auch. Als Künstler kommt man ohne Social Media wohl nicht mehr aus. Ich sehe es auch eher als Segen, aber man muss echt aufpassen. Wie viele Zombies sieht man Tag ein und Tag aus, die mit geneigtem Kopf durch das Leben taumeln. Wie viele Gespräche verstummen, weil jeder dieses Ding in der Hand hält. Ein gutes Beispiel ist die Situation in der Kantine. Früher hat man am Tisch miteinander erzählt. Heute glotzt jeder in das Handy und versinkt in einer Scheinwelt. Ich finde, es prasselt zu viel auf einen ein. Sei es Sex, Tod, Krieg oder Leid, ungefiltert für jedermann.

Bei Hören der EP kam mir der Gedanke, dass ein weiterer neuer Song auf der EP, Generation Dead, sehr Single-tauglich ist und, gemessen am Titel und Text, durchaus mit Tic Toc Tod verlinkt sein könnte. Ist dem so?
Andreas: Generell sind viele unserer Songs thematisch miteinander verflochten, da wir natürlich auch bestimmte Themen haben, die uns mehr bewegen als andere. Es geht sehr häufig um die Verrohung der Gesellschaft, fehlende Werte, Unterdrückung von Menschen oder leider auch Krieg. Wir können solche Dinge besser verarbeiten, in dem wir Songs daraus machen. Allerdings baut der Song nicht unmittelbar auf einem anderen Song auf. Es ist vielleicht eher die Ähnlichkeit der Thematik.
Bastian: Genau, wir wollen mit unseren Songs und Texten zum Nachdenken anregen und ja, vieles verarbeiten wir darin. Wir wollen wachrütteln und so erzählt auch der Song Generation Dead von dem Zerfall unserer Gesellschaft.

Ihr habt schon angekündigt, dass ein neues Album in den Startlöchern steht. Was könnt Ihr dazu vorab verraten? Gibt es ein Release-Datum?
Andreas: Genau, Tic Toc Tod ist ja die Singleauskopplung davon. Das Album wird unser fünfter Longplayer und kommt im Frühjahr. Natürlich sind wir auch der Meinung, dass es das Beste ist, was wir je gemacht haben, so wie fast jeder Künstler nach Fertigstellung eines Albums 😉 Wie bei den Vorgängeralben haben wir sowohl deutsche als auch englische Songs auf der Platte. Was ich auf jeden Fall verraten kann: Es gibt beim fünften Album zum ersten Mal eine streng limitierte Sammlerbox. Wir wurden schon so oft danach gefragt. Nun sind wir diesem Wunsch nachgekommen.
Bastian: Für mich ist es das beste Album 😉 Aber schauen wir mal, was die Fans dazu sagen. Ich finde man hört, dass wir uns ständig weiterentwickeln und echt noch eine Schippe drauf gepackt haben. Ich kann auch noch eine Kleinigkeit verraten: Wir haben dieses Mal mit einem neuen Grafiker zusammengearbeitet und wir sind restlos begeistert von diesem neuen Style. Also, seid gespannt!


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Zusätzlich konntet ihr nun vier Konzerte im Frühjahr ankündigen plus einen Auftritt auf dem Mera Luna, auf dem Ihr erstmals auftretet. Was dürfen Fans erwarten und auf welchen Gig freut Ihr Euch besonders?
Andreas: Ja, wir werden im August unseren ersten Auftritt beim Mera Luna spielen, worüber wir uns sehr freuen, weil es nunmal auch ein Festival ist, dass man seit Ewigkeiten kennt und das zudem eine Institution in der schwarzen Szene ist. So erging es uns bspw. auch beim Amphi, WGT oder NCN, um nur ein paar aufzuzählen. Man stand jahrelang vor diesen Bühnen und hatte das Ziel und auch den Traum, irgendwann selber da oben zu stehen. Der Moment, in dem das dann geklappt hat oder indem es durch die Buchung greifbar wird, ist halt schon sehr toll. Doch auch, wenn ich mich sehr auf das Mera Luna freue, so freue ich mich auch wahnsinnig auf unsere Tour. Fulltime-Shows mit unseren Fans zu erleben, ist immer etwas besonders. Dies wird dann im Rahmen unserer ersten eigenen Tour dann nochmal mehr besonders. Wir sind übrigens auch gerade dabei, für den Herbst/Winter 2023 eine zweite Tour-Rutsche zu planen. Abschließend kann ich nur sagen, dass ich mich sehr auf das kommende Jahr freue.
Bastian: Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Wir freuen uns auf unsere Fans und darauf unsere neuen Songs endlich der Öffentlichkeit präsentieren zu dürfen. Also bis bald.

Termine INTENT:OUTTAKE Tour 2023

03.03.2023 Leipzig, Moritzbastei
10.03.2023 Hannover, Subkultur
25-03.2023 Berlin, Silverwings Club
15.04.2023 Oberhausen, Kulttempel (mit Centhron)
12./13.08.2023 Hildesheim, Mera Luna Festival

Weblinks INTENT:OUTTAKE

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