Aufgestanden am Sonntagmorgen und gemerkt: Ja, da stecken schon so ein bis zwei Tage Festival in den Knochen. Aber nichts, was sich nicht mit einer frischen Dusche und einem morgendlichen Heißgetränk beheben ließe. Zeit zum Verschnaufen gab es schließlich ohnehin kaum, denn auch am Festivalsonntag begann das Programm wieder zur frühen Mittagszeit. Also auf und Richtung Bühnen marschiert, denn mit Hell Boulevard und Aeverium wurde bereits von der Main Stage aus wachgerüttelt und auf der Club Stage eröffneten Oul das Programm und konnten bereits ein neugieriges Publikum begrüßen.
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Wie man es kennt, ging es dann auch direkt Schlag auf Schlag weiter, um 12:05 Uhr spielten Then Comes Silence als nächster Act auf der Club Stage und begeisterten mit einer guten Mischung aus Gothic Rock und Post-Punk. Sehr auffällig dabei auf der Bühne: die weiße Kleidung des Sängers. Gute Wahl eigentlich, zieht auf jeden Fall die Sonne nicht so an, denn auch am Sonntag meinte es das Wetter noch einmal richtig gut mit dem diesjährigen Festival. Eine halbe Stunde lang spielten die Schweden ein gelungenes Set mit Stücken ihrer bisherigen Alben und gaben auch Kostproben des neuen Albums Hunger zum Besten dabei.
02. We Lose the Night
03. Chain
04. Dark End
05. Rise to the Bait
06. Strange Kicks
07. Strangers
Während anschließend Unzucht auf der Hauptbühne loslegten, war es auf der Club Stage nach dem kurzen Umbau Zeit für A Life Divided – und damit eine weitere Band, die schon eine ganze Weile dabei ist. Mit dunklen Rockklängen und druckvollem Stücken sorgte die Band für Bewegung vor der Club Stage und dürfte dabei auch einige abgeholt haben, die sie bisher nicht kannten. Und ein Stück dürfte wohl jeder gekannt haben: Alphavilles Sounds Like A Melody funktioniert auch im Gothic Rock-Gewand prima und kann sich in der Interpretation von A Life Divided gut hören lassen. Weiter ging es anschließend mit drei eigenen Stücken, bei denen leider The Last Dance auch genau diesen bereits darstellte. Da hätte man auch gerne länger zugehört. Aber zumindest mit Sänger Jürgen Plangger sollte es abends noch ein Wiedersehen geben, ist er doch auch Gitarrist bei Eisbrecher.
02. Drive
03. Enemy
04. Right where I belong
05. Sounds like a melody (Alphaville Cover)
06. The Lost
07. Heart on Fire
08. The Last Dance
Einmal rüber zur Hauptbühne, wo bereits The Beauty Of Gemina mit ihrem Set begonnen hatten – mit einem weiteren Teaser für den Abend, indem sie Nine While Nine von den Sisters of Mercy coverten. Mit atmosphärischem und doch auch treibendem Gothic Rock zeigten sie auch in diesem Jahr, warum sie regelmäßig wieder ein gern gesehener Gast in Hildesheim sind. Auch im hellen Tageslicht und bei Sonnenschein ist die Melancholie nicht zu überhören und kann Gänsehaut beschweren mit Stücken wie One Step to Heaven. Da so eine Festivalshow eine relativ kurze Angelegenheit ist, nutzten die Schweizer auch die Gelegenheit, auf die kommende Clubtour hinzuweisen, ergänzt um den Zusatz, falls die Politik es nicht zu kompliziert machen würde… Gehen wir doch mal davon aus, dass die Tour stattfinden wird und man die Band schon bald wieder hierzulande wie geplant live sehen kann.
02. End
03. Hunters
04. One Step to Heaven
05. Rumours
06. Endless Time to See
07. Shades of Summer
„Nebenan“ ging es weiter mit Soman, die auf der Club Stage für Bewegung sorgten, die Main Stage wurde bereits am frühen Nachmittag von einem Nummer-1-Act bespielt: Feuerschwanz standen in den Startlöchern, um natürlich Stücke vom aktuellem Album Memento Mori zu spielen, aber auch weitere Stücke ihrer bisherigen Laufbahn zu spielen. Gute Stimmung war dabei garantiert, als Feuerschwanz ihr Metfest feierten und auch mit abwegigen Kompositionen für Unterhaltung sorgten, wie beispielsweise mit ihrer Interpretation von O-Zones Dragostea Din Tei. Gerade in solchen Momenten zeigt sich auch wieder, dass man bei Feuerschwanz das Augenzwinkern nicht vergessen darf. Auch dann nicht, wenn sie ihr Set mit Warriors of the World United beenden, womit sie zum Abschluss noch Manowar huldigten. Kurzweilige Unterhaltung war garantiert.
02. Untot im Drachenboot
03. Metfest
04. Ultima Nocte
05. Schubsetanz
06. Dragostea Din Tei (O-Zone Cover)
07. Rohirrim
08. Das Elfte Gebot
09. Warriors of the World United (Manowar Cover)
Ein kleiner Gang übers Gelände, denn der Besuch der Club Stage sollte sich lohnen. Zwar mussten The Cassandra Complex absagen, aber mit Priest wurde ein starker Ersatz verpflichtet. Die maskierte Synthpop-Formation, die auf den ersten Blick samt Bandlogo gar nicht recht nach Synthpop und Elektro aussieht, zelebrierte in Trio-Besetzung eingängige Elektroklänge, gab sich trotz ihrer optisch bedingten Anonymität publikumsnah und hatte auch sichtlich Spaß an der Performance und der kurzfristigen Möglichkeit, das Festival zu spielen. Ein Highlight dabei war Blacklisted, das mit Unterstützung von Mimi Barks gespielt wurde, die als zusätzliche Stimme prima in das Stück passte. Auch, wenn es insgesamt ein recht eingängiger Sound war, den Priest darboten, gab es immer mal Ecken und Kanten zu spüren, was sich bis zum Schluss in Vaudeville gern immer mal wieder bemerkbar macht. Ein starker Auftritt und für viele wohl auch eine spannende Neuentdeckung des Festivalwochenendes!
02. The Pit
03. A Signal in the Noise
04. Neuromancer
05. Blacklisted (feat. Mimi Barks)
06. The Cross
07. Nightcrawler
08. Obey
09. History in Black
10. Vaudeville
Schon während Priest spielten, wurde das Trio komplettiert, als Combichrist auf der Hauptbühne loslegten. Trio? Ja, denn auch außerhalb des M’era Lunas sind Combichrist gerade mit Priest und Mimi Barks auf Tour, wobei auch Combichrist eigentlich an diesem Sonntag ein Ersatz waren. Schade für die Crüxshadows-Fans zweifelsohne, aber ein Ersatzact, der bestens mit dem Festival vertraut ist. „This is my familiy. Not through blood, but through music”, drückte es Andy LaPlegua aus, während er den längst gewohnten Metalstil der Band auf das Publikum losließ. Stücke wie Get Your Body Beat und Blut Royale sorgten in der Nachmittagssonne für beste Stimmung und kombinierten Härte mit Tanzbarkeit, während die Fläche vor der Bühne gut gefüllt war. Andy LaPlegua und seine Band feierten eine ordentliche Party, bis diese mit Maggots at the Party ihr umjubeltes Ende fand.
02. Not My Enemy
03. Throat Full of Glass
04. Get Your Body Beat
05. Blut Royale
06. Compliance
07. Hate Like Me
08. Can’t Control
09. Maggots at the Party
Dann war da mal wieder die Sache mit den Überschneidungen… Diorama auf der Club Stage legten direkt los, VNV Nation Classical auf der Main Stage wurde mit großer Spannung erwartet. Zurecht, denn wie was hier gemeinsam mit der Philharmonie Leipzig auf die Beine gestellt wurde, war nicht weniger als die Erfüllung eines Traums für Ronan Harris, der das Set mit „and now for something completely different“ eröffnete. Selten hat man es so still auf dem Gelände erlebt und es war einfach nur Gänsehaut, als Nova und Illusion eröffneten. Wobei Gänsehaut eine Untertreibung ist, selbst Ronan Harris selbst war so gerührt, dass Tränen zu sehen waren. Es war definitiv ein besonderer Moment, diesen Auftritt erleben zu dürfen. Ein Moment, der Ronan Harris zu einem emotionalen und gleichermaßen überzeugten „I love my job“ hinriss. Sowohl die Stücke, die auch im Original schon ruhig sind, begeisterten in der Orchester-Umsetzung als auch solche wie The Farthest Star, bei denen man schon aufgrund ihres Tempos nicht als erstes an ein Orchester denken würde. Ein fantastischer Moment dieses Wochenendes, für alle Beteiligten. Auch den Streichern auf der Bühne merkte man an, dass sie hier gerade Teil von etwas Besonderem waren. Das war einfach nur ganz groß!
02. Illusion
03. Legion
04. Further
05. Standing
06. The Farthest Star
07. Only Satellites
08. Resolution
Nach dem Ausflug ins Klassische war es Zeit für Club-Feeling. Und wo bekommt man das? Genau, auf der Club Stage. Beispielsweise bei Rotersand. Eine Band, die ebenfalls bereits auf eine lange Zeit mit dem M’era Luna zurückblicken kann – und eine Band, die sich hier auf das Publikum voll und ganz verlassen kann. Stücke wie Torn Realities mussten an diesem Sonntag am Übergang zum frühen Abend niemandem mehr vorgestellt werden, es durfte einfach getanzt werden. Die Band animierte gar vom Bühnenrand aus dazu und bescheinigte der neu geschaffenen Club Stage dabei ein gutes Zeugnis. Während bei anderen Bands (bevorzugt solchen, die tendenziell eher nicht auf dem M’era Luna Festival spielen) die Fans Stofftiere und ähnliches auf die Bühne werfen, war es hier umgekehrt: Teddys mit Fanshirt in Stofftier-Größe wurden großzügig über das Publikum verteilt. Hat man auch nicht alle Tage. Und auch sonst ein schöner Auftritt!
Völlig anders indes das Programm auf der Main Stage: Mit Schandmaul war eine der eingesessenen Formationen im Auftrag des Mittelalter-Rocks unterwegs. Das macht auf der einen Seite Spaß, wenn Stücke wie der Froschkönig gemeinsam mit dem Publikum zelebriert werden, geizt aber auch nicht mit Botschaft, wenn es bspw. in etwa der Mitte des Sets Bunt und nicht braun heißt. Mit im Gepäck hatten Schandmaul selbstverständlich auch ihr Top-Ten-Album Knüppel aus dem Sack, das kürzlich erschien. Dessen Titelsong löste die Ballade Dein Anblick ab und ließ auf den ruhigen Moment direkt einen äußerst rockigen folgen. Insgesamt mag das alles wenig überraschend sein, wenn dann noch lautstark das Mitsingen der Walpurgisnacht eingefordert wird, aber das dürfte auch kaum die Erwartungshaltung gewesen sein an diesen Auftritt, der mit Feuertanz ein gutes Ende fand.
02. Hexeneinmaleins
03. Froschkönig
04. Mitgift
05. Das Gerücht
06. Krieger
07. Bunt und nicht braun
08. Der Teufel…
09. Königsgarde
10. Dein Anblick
11. Knüppel aus dem Sack
12. Walpurgisnacht
13. Feuertanz
So langsam bog das Festival in Richtung Finale ab. Als vorletzte Band der Club Stage spielte Thomas Rainer mit Nachtmahr auf, auf der Hauptbühne wurde umgebaut für eine der Band, die auch bei weitem nicht zum ersten Mal hier war: The Sisters of Mercy waren als Co-Headliner des Sonntags an der Reihe. Die Story um die Band, die seit 1990 kein Album herausgebracht hat: längst bekannt… Und die mit dem vielen Nebel. Halt! Hier war die besondere Auffälligkeit des Abends zu spüren: Man konnte die Band sehen! Gilt bei den Sisters of Mercy oftmals das olympische „Dabeisein ist alles“, so konnte die Band an diesem Abend doch positiv überraschen. Man merkte, dass es der Band Spaß machte, wieder in Hildesheim auf der Bühne zu spielen und ihre Hits darzubieten. Denn zweifelsohne: Viele Klassiker und Evergreens hat die Band uns in ihrer Geschichte beschert, die sich zum Ende hin verdichteten. Stücke wie More, Temple of Love und This Corrosion sind schließlich Szene-Standards. Völlig zurecht, wie man an diesem Auftritt sah.
02. Crash and Burn
03. Summer
04. Here
05. First and Last and Always
06. I Will Call You
07. Alice
08. Ribbons
09. More
10. I Was Wrong
11. But Genevieve
12. Lucretia My Reflection
13. Temple of Love
14. This Corrosion
Ein letztes Mal ging für dieses Jahr der Blick zur Club Stage. Front Line Assembly hatten die Headliner-Position inne und man spürte nach den Sisters of Mercy das große Interesse an dieser Show: Es gab eine große Publikumswanderung zu den Elektro-Legenden, die live als Band aufspielten, unter anderem mit Tim Skold an der Gitarre. Nebst eigenem Material hatten auch Front Line Assembly eine Coverversion im Gepäck und würdigten Falco, indem sie dessen Rock Me Amadeus coverten. In einem Set, das den Spannungsbogen aufrechterhielt und zum Ende hin steigerte. Nummern wie Mindphaser und Millenium wurden bspw. erst recht spät gespielt und hinterließen ein zufriedenes Publikum.
02. Killing Grounds
03. Unknown
04. Plasticity
05. Angriff
06. Deadened
07. Rock Me Amadeus (Falco Cover)
08. Resist
09. Mindphaser
10. Millenium
11. Blood
Das große Finale des diesjährigen Festivals fand indes bereits auf der Hauptbühne statt, die an diesem Abend Eisbrecher headlinen durften. Nicht nur der große Publikumszuspruch zeigte, wie verdient diese Position ist, nicht nur „der Erfolg gibt ihnen recht“ gilt, sondern auch die Tatsache, dass die Band eine wirklich gute Show abliefert, legen davon Zeugnis ab. Sänger Alexander Wesselsky lebt seine Stücke aus, trägt auch im Hochsommer Mantel und Mütze, wenn es zum Stück passt und es darf auch schon mal auf der Bühne schneien. Bei aller Show wird auch nicht vergessen, auf das Publikum zuzugehen und die Nähe zu den Fans zu suchen. Eisbrecher zogen zum Ende des Festivals noch einmal alle Register und hinterließen ein begeistertes Publikum, nachdem sie das Set mit Out of the Dark, also ebenfalls einem Falco-Cover, beendeten. Anschließend gab es – wie schon zuvor bei Rotersand – noch Stofftiere für das Publikum. Ganz stilecht natürlich Eisbären. Aber ob nun mit oder ohne Eisbär: Man konnte bester Laune das Festivalgelände verlassen und an ein hervorragendes Festival-Wochenende zurückdenken.
02. Frommer Mann
03. Fehler machen Leute
04. FAKK
05. Eiszeit
06. Im Guten Im Bösen
07. Sturmfahrt
08. Prototyp
09. Himmel, Arsch und Zwirn
10. This Is Deutsch
11. Volle Kraft voraus
12. Was ist hier los?
13. Miststück (Megaherz Cover)
14. Out of the Dark (Falco Cover)
Was ebenfalls bereits am Sonntag bekannt wurde, waren die ersten Ausblicke auf das Jahr 2023. Da wird das Festival wieder am gewohnten zweiten August-Wochenende stattfinden, also am 12. und 13. August. Mit In Extremo, Project Pitchfork, Subway to Sally, Joachim Witt, The 69 Eyes, Solar Fake, Letzte Instanz, Gothminister und Blitz Union gibt es hierfür auch schon einen vielversprechenden ersten Schwung an Bands. Tickets sind bereits erhältlich. Neben dem wehmütigen Blick zurück darf man sich somit auch schon einmal auf das kommende Jahr vorfreuen.