ROCK AM RING 2022 Tag 3 – Nürburgring, Nürburg (05.06.2022)

Fotos: Rock am Ring 2022 - Tag 3
Volbeat, © Mirco Wenzel
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Am dritten Tag des Rock am Ring sollten wir unsere Aussage über die Shrimps auf dem Gelände noch bereuen. Denn was brauchen Shrimps? Richtig, Wasser. Dieses kommt nun am Morgen reichlich von oben und hinterlässt nicht nur einige Pfützen auf dem Gelände, sondern auch abgekühlte Luft. Wo vorher noch ein T-Shirt reichte, muss nun zumindest ein Pullover herhalten. Oder noch besser eine Regenjacke, denn der Regen sollte uns noch eine Weile begleiten.

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So auch direkt bei der ersten Band des Tages auf der Utopia Stage, Black Veil Brides. Sei es noch dem anhaltenden Regen geschuldet, ist zwar die Dichte an Regenponchos groß, in Sachen Publikum jedoch noch nicht unbedingt. “We are the Black Veil Brides and we are very happy to be here tonight”, sagt uns Sänger Andrew Dennis Biersack, während er lässig auf seinem Kaugummi herumkaut. Mit Songs wie Crimson Skies und In the End wird der Regen jedoch langsam vertrieben. Oder haben die Fans ausversehen einen Anti-Regentanz vollzogen?

Bei Airbourne gibt es dafür Regen der anderen Art. Sänger und Gitarrist Joel O’Keeffe hält es nicht lange auf der Bühne. Nein, er klettert nicht wie Fever 333 am Vortag die Bühne hoch, sondern auf die Schultern seines Technikers, der ihn durch die Menge trägt, die inzwischen deutlich zugelegt hat. Dort haut dieser sich eine Bierdose so lange auf den Kopf, bis diese zerplatzt und sich entsprechend auf alle umliegenden verteilt. Der darauf entstehende Jubel ist jedoch fragwürdig. Jubel für das töten der Bierelfen? Und das wird noch weiter mit mehreren Pits zelebriert? Das verlangt erstmal ein frisch Gezapftes zur Beruhigung.

Wer bei Skynd denkt: die Stimme kann nicht nur von einer Person kommen, der hat falsch gedacht. Der Stil der Sängerin ist genauso verblüffend wie das Gesamtkonzept der Band. Corpsepaint und Masken treffen auf Texte, die ausschließlich auf True Crime basieren. Sie sind damit Pioniere auf ihrem eigenen Genre. Noch kann man die Band als Geheimtipp beschreiben. Die Frage ist nur wie lange man das noch sagen kann.

Wie könnte es auch anders sein, setzt passend zu Shinedown der Regen wieder ein. Der Witz schreibt sich schon fast von selbst. “Hello boys and girls, we are Shinedown, welcome to the show”, begrüßt uns Sänger Brent Smith nach den ersten Songs. “You still got your singing voice with you? The first few songs were just a warm up” erzählt er weiter, bevor die ersten Töne von Cut the Cord ertönen. Die Fans singen natürlich lautstark mit, auch wenn es für viele das erste Konzert der Band ist. Dies zieht sich über das komplette Set, bei welchem generell viel Energie freigesetzt wird. Sowohl auf der Bühne, als auch im Publikum.  

Währenddessen ist die Stimmung auf der Mandora Stage bei Royal Republic auf dem gleichen Level. Habt ihr mal versucht, einen Song der Band zu hören, ganz egal welchen, ohne dabei zumindest mit dem Beim im Takt zu wippen? Es ist nicht möglich. Entsprechend herrscht im Publikum viel Bewegung und die Stimmung könnte nicht besser sein. Lautes Singen steht auch hier an der Tagesordnung, was schon zu Beginn bei RATA-RATA zu spüren ist. Da ist es auch egal, dass auf der Bühne nicht allzuviel passiert. Alle Musiker sind an ihre Instrumente gefesselt. Mehr als ein kurzes Abklatschen ist nicht drin, braucht es aber auch nicht. Royal Republic kann erstaunlich viel nur über Mimik steuern – und das Publikum braucht eigentlich keinen weiteren Ansporn um zu tanzen.

Bei Bullet For My Valentine bleibt das Tanzen derweil aus. Hier wird das Haar zum Kreisen gebracht. Aber auch hier haben wir wieder das Problem mit der Bewegung auf der Bühne. Sie ist einfach wenig vorhanden, worunter die Show etwas leidet. Hier hat die Show jedoch eine Antwort parat: Zu Omen gibt Sänger und Gitarrist Matthew Tuck seine Gitarre an seinen Techniker und singt den Song während er über die Bühne läuft und ausgiebig den Steg benutzt. Seit 2005 ist die Band immer wieder auf dem Ring, sagt uns Matt, und es ist jedes mal wieder schön hier zu sein. Daher widmet er dem Publikum den Song All These Things I Hate (Revolve Around Me). Generell gibt es heute viele alte Songs, die das Publikum innerlich ein paar Jahre zurückversetzen. Bei Tears Don’t Fall singen die Fans lauthals mit und applaudieren bis in die letzten Reihen. “We got one more breakdown, on the count of 4 I want to see all of you bounce!”, sagt uns Matt beim letzten Song Scream Aim Fire – und sollte genau das bekommen.

Wer auf den Nostalgie Zug aufgesprungen ist, ist im Anschluss direkt rüber zu A Day To Remember. Passend dazu hat die Band schon fast ein Oldschool-Set vorbereitet, welches fast ausschließlich aus alten und beliebten Songs besteht. Schon beim ersten Song The Downfall of Us All wird der Ablauf des Konzerts sichtbar. Sänger Jeremy McKinnon springt wortwörtlich über die Bühne und treibt die Stimmung immer weiter an, während das Publikum sich nicht wirklich anders verhält – nur ohne Bühne. Circle Pits und vor allem Crowdsurfen stehen an der Tagesordnung. Eins sollten wir laut Jeremy jedoch nicht tun: Auf einem anderen Crowdsurfer crowdsurfen. “It’s absolutely dangerous and you should not do this”, sagt er, sollte aber genau das bekommen. “Make some noise for the local security”, meint er später, was diese sich zu diesem Zeitpunkt redlich verdient hat.

Das A Day To Remember und Korn zeitgleich spielen ist schon im Vorfeld einigen sauer aufgestoßen. Entsprechend wird es erst zur Mitte des Sets, als die Bands sich nicht mehr überschneiden, richtig voll. Genau passend zu Coming Undone, bzw. Freak on a Leash. Die Party geht also direkt weiter, während der Bass von der Bühne einem versucht den Mageninhalt umzudrehen. “It feels good to be back, it’s been such a long time”, sagt Sänger Jonathan Davis. Es sind so ziemlich die einzigen Worte die während des Konzerts fallen. Die Spielfreude ist der Band definitiv anzusehen, aber auch dem Publikum. Viel Bewegung gibt es auf beiden Seiten, die Pits jedoch nur auf einer. Gesungen wird wiederum laut von beiden Seiten. Kein Wunder, die Setlist lässt keine Wünsche übrig. Von Got the Life bis zu dem finalen A.D.I.D.A.S. und Blind ist alles dabei was das Herz begehrt. Zum Schluss gibt es noch Luftschlangen für das Publikum, welche aufgrund des Windes jedoch eher im Bühnenaufbau als irgendwo anders landen.

Auch wenn heute schon einige Ring-Urgesteine auf den Bühnen standen – es gibt eine Band, die immer einmal mehr auf dem Festival gespielt hat als alle anderen: Die Rede ist von den Beatsteaks die bereits zum achten Mal auf dem Poster stehen. “Keine Band steht da öfter als wir – das heißt, wir sind achtmal besser als alle anderen – aber Eigenlob stinkt ja”, witzelt Sänger Arnim Teutoburg-Weiß. Auch wenn die Berliner Truppe laut eigener Aussage keine Profis, sondern nur zum Spaß hier sind, so läuft die Show dennoch reibungslos und mit viel Freude auf und vor der Bühne, wobei Fronter Armin auch wie selbstverständlich den Kontakt zum Publikum sucht und bei Gentleman of the Year von der Bühne runter klettert, um den Fans mal die Hände zu schütteln. Songtechnisch gab’s einen bunten Querschnitt aus über 25 Jahren Bandgeschichte inklusive einem Geburtstagsständchen an die Mutter des Sängers. Wir sind gespannt, ob die Beatsteaks irgendwann mal von ihrem Treppchen gestoßen werden oder ob wir uns weiter in regelmäßigen Abständen über die Truppe freuen dürfen.

Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr wenn der Beat angeht – So oder so ähnlich. Ist es Zufall, dass zwei Bands mit Beat im Namen gleichzeitig spielen? Der Headliner des letzten Abends sind Volbeat, die den Platz vor der Utopia Stage ein letztes Mal voll machen. Viel Bewegung steht auch hier an der Tagesordnung. Sänger Michael Poulsen ist zwar meist an sein Mikro gebunden, hat dafür aber eine simple Lösung parat: Es gibt einfach mehrere. Eins davon auf dem Steg, welches immer wieder Verwendung findet. Dennoch wird es schon zu Beginn sentimental. Der Song Fallen wird dem im letzten Jahr verstorbenen Stage Manager Jake Raggio gewidmet. Viel Applaus ist hier selbstverständlich. Anschließend wird zu Wait a Minute My Girl das Saxophon ausgepackt. “Germany you were so good to us. You can wish for one Song.”, sagt uns Michael. “Shotgun Blues? You Sure? Okay i wanna see you bang your head”, erzählt er weiter. Den Song sollten wir schließlich auch bekommen. Aber auch bei dem letzten Act auf der Mainstage müssen irgendwann die Lichter ausgehen. Eine Zugabe gibt es aber natürlich auch. “Oh you are still here. I can’t hear you. Feed me, feed my ego”, spaßt Michael weiter, bevor es mit dem Song Still Counting Richtung Finale geht. Heute nur ganz ohne Feuerwerk. Generell gab es keine große Bühnenshow. keine Pyro, kein Garnichts. Nur die Musiker, aber mehr braucht es auch für eine gute Show nicht.

Warum spielen Billy Talent auf der Mandora Stage? Diese Frage hat man in den letzten Tagen oft gehört. Als diese auf die Bühne kommen, steht diese auch weiter im Raum, denn der Platz ich brechend voll. Voller als bei jedem Auftritt zuvor. Kein Wunder, die Band darf mit einigen Liedern wohl in keiner Party Playlist fehlen. Entsprechend verhält sich das Publikum auch. Schon beim ersten Song Devil in a Midnight Mass singt dieses lauthals mit und hört damit auch das gesamte Set nicht mehr auf. Dennoch gerät die Menge etwas außer Kontrolle. “Can you all do me a favor and take one step back? People are getting crushed up here”, sagt Benjamin Kowalewicz und verweist auf die ersten Reihen, die zeitweise keine gute Zeit haben. Auch bei Billy Talent findet sich ein Cover in Gedenken an jemand Verstorbenen wieder. Everlong von den Foo Fighter soll an Taylor Hawkins erinnern. Das Publikum legt hier gesanglich nochmal eine Schippe drauf. ”Thank you from the bottom of our heart. We love Rock am Ring, Rock im Park and Germany”, sagt uns Benjamin schließlich und wirkt sichtlich berührt. Zum Abschluss gibt es die Songs Viking Death March, Fallen Leaves und Red Flag. Mit dieser Song Kombination kann man sich den Abbau der Bühne auch sparen, das übernimmt in diesem Fall schon das Publikum.

Und das war das Rock am Ring 2022. Nach Billy Talent bleiben die meisten noch lange stehen, hoffen dass die Band einfach wieder auf die Bühne kommt. Auch wenn diese schon vor 30 Minuten von eben jener gegangen ist. Genau dieses Bild beschreibt das Wochenende wohl am besten. Viele haben auf das Festival hingefiebert und meist gar nicht realisiert, dass es wirklich stattfindet, bis sie tatsächlich da waren. Vor Ort war es dann eine Erfahrung, die man nicht wieder hergeben möchte. Hoffen wir, dass es dabei bleibt und wir im nächsten Jahr vom 02. bis 04. Juni 2023 auf dem Nürburgring wieder in die gleichen Gesichter vor der Bühne blicken können. 

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