Kurz nachdem Rock am Ring das “Ausverkauft” für dieses Jahr vermeldet hatte, sind viele bereits beim Packen und voller Vorfreude: Es geht endlich wieder los! 90.000 Fans pilgern zum Nürburgring, um mit Größen wie den Broilers, Green Day, Placebo, Muse, Korn oder Volbeat ausgiebig das Wiedersehen zu feiern. Die meisten Fans reisen schon am Donnerstag an und laufen dann am Freitag in aller Früh von den Zeltplätzen und Ferienwohnungen aus der Umgebung in Richtung Festivalgelände. Hierfür wird teilweise auch ein Fußmarsch von über 6 Kilometern in Kauf genommen. Nichts kann die Fans davon abhalten, endlich wieder richtig zu feiern. Auch nicht die Meldung, dass sich das komplette Programm am ersten Tag um 20 Minuten nach hinten verschiebt – an dieser Stelle müssen wir uns einen Witz über den diesjährigen Sponsor DB Cargo verkneifen. Diese Zeit kann gut genutzt werden, um schonmal das Gelände mit den vielen verschiedenen Ständen, dem Riesenrad oder dem Autoscooter zu erkunden.
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Passend zum ersten Song Calling rufen die Donots das Publikum zur Utopia Stage, der Hauptbühne, was sich schon in Masse versammelt hat. So manch spätere Band könnte neidisch sein bei diesem Anblick. Die Bühne verfügt in diesem Jahr über einen langen Steg, der direkt von Ingo Donot genutzt wird. “Was ist denn hier los? Rock am Ring ist zurück Leute! Wir sind die Donots und mega glücklich, hier das Opening zu machen” sagt er uns, während er von den Fans angeschrien wird. “Ich weiß gar nicht mehr, ob ich das noch kann, also hab ich mir mit meiner Tochter YouTube-Videos angeguckt” spricht er weiter. Verlernt hat hier jedenfalls keiner was. Ingo springt energiegeladen über die Bühne, das Publikum tut es ihm gleich. Ein Hitfeuerwerk der Band später, bei dem das Publikum lautstark mitsingt, sagt Ingo uns, wie toll es ist nach 888 Tagen endlich wieder auf der Bühne stehen zu dürfen. “Es kommen heute noch viele tolle Bands, aber der Headliner ist das Publikum”, erzählt er weiter und meckert, dass die Toten Hosen nicht hier sind, obwohl die ihr 40-jähriges Jubiläum feiern. Als Ausgleich wollen sie den Song Hier kommt Alex covern. Das Publikum singt noch lauter mit als zuvor, schafft es allerdings nicht über die erste Hälfte des Songs. Dort kommen die Toten Hosen selbst auf die Bühne und das Publikum explodiert förmlich. Zusammen spielen die beiden Bands den Song nochmal in voller Länge, bevor sie zusammen Schrei nach Liebe von den Ärzten covern. Das Publikum ist nicht mehr zu halten und singt lauter mit, als es aus der Anlage hallt. Allein diese Aktion sorgt wohl dafür, dass dieses Konzert auf die Liste der besten Festival-Opener überhaupt geschrieben werden kann.
You Me At Six haben an diesem Tag in den Unglückstopf gegriffen. Erst heute konnten sie aus England einfliegen, nur um auf dem Weg zum Ring einen Unfall zu haben. Alles geht glimpflich aus, dennoch steht die Band erst ca. 40 Minuten nach eigentlichem Beginn auf der Bühne. “It was our fucking dream to play Rock am Ring in our career”, sagt uns Sänger Josh Franceschi. Der Traum ging nun in Erfüllung, wenn auch nur kurz, denn durch die Verspätung verweilt die Band für nur 15 Minuten auf der Bühne. Die Fans genießen jede Sekunde um so mehr und sind extra laut, was die Band sehr zu genießen scheint. Schade, dass der Auftritt so kurz war – hoffentlich wird das nachgeholt.
Vor der Utopia Stage wird das Publikum nicht weniger, als Weezer diese betreten. Mit Songs wie Beverly Hills und My Name is Jonas heizen sie der Menge ein, welche sich anfangs zurück hält, mit der Zeit jedoch einen Pit nach dem anderen öffnet. Natürlich dürfen hier auch die Über-Hits Island in the Sun und Buddy Holly nicht fehlen – diese versetzen das Publikum direkt in Karibik- Urlaubsstimmung – was für ein Auftritt! Es ist jedoch auch mal Zeit, die anderen Bühnen zu begutachten. Auf der Orbit Stage, der kleinsten Bühne, machen es sich die Texaner von Fire From The Gods gemütlich, wenn man das überhaupt so sagen darf. Die Mischung aus Rap und Metalcore zwingt das Publikum förmlich in Bewegung. Sänger AJ Channer spornt die Menge immer weiter an, während der Drummer und gebürtige Wiesbadener Richard Wicander etwas gefühlvoller mit uns wird. “Vor 13 Jahren war ich als Besucher hier und jetzt zocken wir hier nen Gig, das ist der Hammer!” sagt er uns, was AJ nur mit einem “what he said?” beantwortet, weil er natürlich kein Wort verstanden hat. Die an diesem Tag erschienene Single SOS feiert zugleich auch ihre Live-Premiere und findet viel Anklang. Zur Abkühlung holt Bassist Bonner Baker einen Kasten Wasser auf die Bühne und wirft die einzelnen Flaschen ins Publikum, was dieses zu diesem Zeitpunkt auch nötig hat.
Zurück auf der Hauptbühne beehren uns Måneskin aus Italien. Die 2017 durch X-Faktor bekannt gewordene Band, die 2021 durch ihren Sieg beim Eurovision Song Contest auch international viel Aufmerksamkeit bekam, macht auch vor dem Rock am Ring keinen Halt. Mit ihrem Gewinnersong Zitti e buoni starten sie in ihr Set und ziehen damit direkt das Publikum in ihren Bann. Die Songs danach gehen fast nahtlos ineinander über, Ansprachen gibt es nur wenige. “Our drummer is taking his gloves off, so we are about to get serious”, sagt uns Sänger Damiano David zwischendurch, bevor die Band noch eine Schippe drauflegt. Das Publikum singt dabei lauthals mit, auch die italienischen Songs. Wenn es nicht singt, tanzt es ausgelassen zu eigenen Songs, einem Cover von Beggin von The Four Seasons oder I Wanna Be Your Dog von The Stooges. Zum großen Finale gibt es dann den Song I wanna be your slave, den die Band zusammen mit Iggy Pop geschrieben hat.
Wer bei The Offspring auf viele Songs von der neuen Platte gehofft hat, wurde enttäuscht. Wer allerdings für den “alten Scheiß” da war, konnte den Auftritt als einen wahren Glücksgriff verbuchen. Man könnte meinen, dass die besten Jahre der Band gezählt sind und dies auch angekommen ist. Das Set gleicht einem Best-Of, während sich die Bewegungsreichweite der Band auf einen Perserteppich beschränkt, im wahrsten Sinne des Wortes. Diese liegen auf der Bühne und werden während der ganzen Show kaum verlassen. Die Show ist daher leider nicht die spannendste, was sich auch im Publikum widerspiegelt. Energiegeladen sieht anders aus, laut mitgesungen wird dennoch, gerade bei Songs wie You’re Gonna Go Far, Kid, The Kids Aren’t Alright oder dem finalen Self Esteem kann man irgendwie auch nicht anders.
Mit etwas Verzug kommen Caliban auf die Orbit Stage und entschuldigen sich prompt dafür. Sie wollen nicht länger reden und dafür mehr Songs spielen, was direkt umgesetzt wird. Der Pit ist direkt sehr groß und überzeugt in allen Disziplinen. Wall of Death, Circle Pit – alles wird dem Publikum abverlangt, auch wenn das hier zu einem Zeitpunkt leider blutig endet, wofür sich die Band entschuldigt und auf mehr Rücksicht appelliert. In den letzten zwei Jahren hat die Band ebenso viele Alben veröffentlicht, die nun entsprechend live bespielt werden. Nicht fehlen darf aber das Cover von Sonne von Rammstein. Final ruft Sänger Andreas Dörner zum Crowdsurfen auf. “Gebt der Security was zu tun”, sagt er. Diesem Wunsch kommen entsprechend viele zu Ich Blute Für Dich nach.
Wer nun schnell war, konnte noch zur Utopia Stage rüber huschen, um die letzten Minuten der Broilers zu erwischen. Hier geht es deutlich harmonischer zu und Sammy Amara erzählt immer wieder Anekdoten zu den Songs. Als Alice Weidel ihn z.B. angerufen haben soll, aufgrund des Songs Alice und Sarah. Wieviel daran wahr ist, wissen wir jedoch nicht. Die Fans feiern auf jeden Fall jeden Song laut und ausgelassen ab.
Wie euch vielleicht aufgefallen ist, haben wir bisher noch nicht von der Mandora Stage berichtet. Dies soll sich nun ändern, als Marteria`s Gig hier ansteht. “Das letzte Mal war ich vor drei Jahren mit Casper hier, seitdem hatten wir das alles hier nicht. Ich will Moshpits sehen, Circle Pits, Zungenküsse, alles was die Zeit nicht ging!”, ruft er uns schon zu Beginn zu. All dies sollte er bekommen, wenn auch den Zungenkuss anders als erwartet. Das Set besteht vor allem aus Songs des neuen Albums 5. Dimension, beliebte Songs werden jedoch nicht ausgelassen. Auch der Song Adrenalin schafft es, wird jedoch nicht zusammen mit Casper performed. Dafür gibt es jedoch viele andere Gäste, wobei auch ein alter Bekannter vom Auftakt auftaucht: Campino. Zusammen perfomen sie ihren Song SCHEISS OSSIS, bei welchem beide auch besagten Zungenkuss vollführen. Zum krönenden Abschluss springt Marteria ins Publikum, um von dort weiter zu spielen. Aber auch sein alter Ego Marsimoto bekommt seinen kurzen Moment Aufmerksamkeit. Nach dem Song Bengalische Tiger, welcher die Bühne komplett in roten Nebel hüllt und in der Menge Bengalos gezündet werden, wird die Bühne plötzlich grün. Es folgt ein Video “2023, vier Zahlen, ein Ende”. Können wir uns auf ein neues Album freuen?
Wo wir grade bei Grün sind: Auf der Utopia Stage spielen parallel Green Day. Wer die Shows der Band kennt, weiß, dass sie sich fast immer jemand zufälligen aus dem Publikum auf die Bühne holen. So war es auch diesmal, auch wenn dieser mehr oder weniger betrunken war und das Mitsingen mehr einen asynchronen Mitgröhlen glich. Egal – hauptsache fünf Minuten Fame und Party! Steht er erst mit ausgebreiteten Armen am Schlagzeug, knutscht er im nächste Moment Sänger Billie Joe Armstrong ab und brüllt mit ihm den nächsten Song, statt ihn mitzusingen. Auch sonst ist die Show genau das, was man erwartet. Green Day spielt die bekanntesten und beliebtesten Songs, das Publikum singt lauthals mit und bewegt sich ohne Pause. Zusätzlich zu den eigenen Songs gibt es als Cover Rock n Roll all Nite von Kiss. Während der Show gibt es generell viel Pyro, was nur von noch mehr Pyro in Form eines Höhenfeuerwerk am Ende der Show getoppt werden kann. Für die Band stellt das Highlight wohl jedoch das Lichtermeer aus Handys zu Boulevard Of Broken Dreams dar. Man merkt, das die Truppe um Billie richtig Bock hatte – die ganze Zeit hatten die Jungs nen Grinsen im Gesicht und rissen für heute die Utopia Stage ordentlich ab. Wenn nur alle Bands, die schon so lange im Geschäft sind, live noch so zu überzeugen wüssten…
Den Ring zu machen an diesem Tag keine anderen als Scooter. Der Platz vor der Bühne ist brechend voll, sodass Bewegung nur schwer möglich ist. Plötzlich knallt es auf der Bühne und Funken steigen in die Höhe. “I am the captain, my name is Dave” ruft uns Sänger H. P. Baxxter zu. Los geht es also mit God Save The Rave und setzt damit dann doch die Massen in Bewegung. Dabei helfen auch die Tänzerinnen und spätestens zu Fire, bei dem die Funken speiende Gitarre ausgepackt wird, gibt es kein Halten mehr. So nimmt die Party seinen Lauf und lässt mal wieder die Frage nach dem teuren Fisch offen, die wir diesmal aber nicht beantworten…