Routiniert eingespielte Retro Rock-Blues’n’ Gospel Scheibe: reichhaltig, hochwertig, allerdings recht arm an Überraschungen …
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Im Corona-Jahr 2020, niemand wird widersprechen, dass man den unsäglichen Start in die Neuen Zwanziger nun so nennen darf, ist der Weg für alle Künstler*innen und insgesamt für alle Vertreter*innen der Veranstaltungbranche ein steiniger. Dass aber nicht nur Live-Events von der unsäglichen Pandemie betroffen sind, durften wir unlängst erfahren, als die Blues Pills ziemlich zerknirscht und enttäuscht den Release ihres dritten Langspielers vom 19. Juni auf den 21. August, also um zwei Monate nach hinten, verschieben mussten.
Ein schlechtes Vorzeichen? Knüpft man doch an das dritte Album in der Karriere einer Band immer allerlei Vorsehungen und mächtig viel Bedeutung für den bevorstehenden Weg. Auch für die Pills selber dürfte Holy Moly! eine Art Bewährungsprobe werden. Seit Lady In Gold (2016) ist einiges passiert: Mit dem Weggang von Gitarristen Dorian Sorriaux hat nicht nur die “Internationalität” der Blues Pills gelitten, sondern auch die Qualität der Kompositionen und Arrangements. Das war bereits auf den in den letzten Monaten erschienen Singles zu hören. Den jungen Halbgott an der Gitarre ersetzt nun Zack Anderson, der bis zum Ausstieg des Franzosen 2018 den Bass bei der Band bedient hat. Ein gravierender Einschnitt: War es doch das unvergleichliche Spiel an der Gitarre, der dem Sound der Band eine gewisse Weiche, psychedelisch perlende Note und progressiv offene Verspieltheit verliehen hatte.
Holy Moly! wuchtet sich eindeutig burschikoser über die Distanz seiner elf Tracks. Das merkt man nicht allein am Gitarrenspiel, nein noch deutlicher wird es beim Gesang von Elin Larrson. Ihre Stimme, darüber muss man nun wirklich kein Wort mehr verlieren, war und ist immer schon das Aushängeschild und die Signatur der Blues Pills gewesen. Vielerorts sogar mit der Blues-Rock Legende Janis Joplin verglichen, scheint sie nun auf Holy Moly! rein was Ausdruck und Aggressivität angeht, der viel zu früh verstorbenen Legende noch etwas näher gekommen zu sein. Bereits beim Opener kreischt und röhrt Larrson rebellisch. Proud Woman ist ein Empowerment-Song ganz im Geiste der Blues-Ikonen der 60er und 70er Jahre. Unwillkürlich kommen sie einem in den Kopf: Aretha, Janis, Dionne und die Ninas (gemeint sind hier Nina Simone und Nina Rumpf). Auch wenn man unwillkürlich ebenfalls ein anderes Quantum an Faith & Dedication bei diesen Damen impliziert. Das geschieht schon allein wegen der Aura der Geschichte, die diese umwabert und der Unterstellung, die stets mitzuschwingen scheint, man würde auf der Retro-Welle nun wieder gut verkaufen wollen, was vom Glanz vergangener, vermeintlich besserer Tage am Heute noch haftet.
Ganz so einfach ist es dann doch nicht, dafür brachten die (nun) amerikanisch-schwedischen Blues-Rocker von Anfang an zuviel Eigenständigkeit und Esprit, Unverfrorenheit und Wiedererkennungswert mit. Was man den Blues Pills nun aber doch vorwerfen kann, und das scheint wieder ein wenig der alte Fluch des dritten Albums zu sein, ist der der leise Vorwurf sich langsam einzuschleifen und sich auf bequem eingelaufenen Pfaden breit zu machen. Was gut funktioniert, sollte man nicht ändern. Schließlich hat man sich in den letzten acht Jahren eine ansehnlichen Fan-Base erarbeitet, diesen unglaublichen Deal beim Major-Label und hierzulande (sicher auch anderswozulande) immerhin ein Schäfchen auf Platz 1 der Albumcharts dauergeparkt (Lady In Gold war 2016 sieben Wochen auf Platz 1 der deutschen Charts). Auch Holy Moly! kombiniert wieder in reichhaltiger Form fetten 70er Rock der schweren bluesigen Art. Hier und da gospelt es sich beseelt oder rock’n’röhrt es sich dreckig durch die Tracks. Aufgelockert wird mancherorts mit südamerikanischem Temperament (Kiss My Past Goodbye), oder mysteriösen Suspense-geladenen Crime-Hooks (Bye Bye Birdie) und in beinahe jedem Fall kochendem Asphalt, entweder lässig aus der Lavalampe oder lässig aufgepeitscht vom Sitz eines Vintags-Choppers.
Darin ist die Band unfassbar gut. Inzwischen jedoch kalkulierbar. Stilistisch schwächer wird Holy Moly! an den Stellen, an denen es leiserer Töne anschlägt, Spannungsbögen ausbleiben, der Bass weniger wummert und Larrsons Stimme zu sepiafarbene Seide wird. Balladen sind irgendwie weniger das Ding des Amerikanisch-Schwedischen Joint-Ventures und bilden die etwas farbloseren Einsprengsler auf dem Album. Und auch das ist nichts Neues. Blues Pills spielen die Klaviatur des Erwartbaren und scheinen sich auf Holy Moly! zumindest für meinen Geschmack trotz neuer Aggression und Ruppigkeit einmal zu oft für die sichere Seite entschieden zu haben.
Holy Moly! erscheint am 21. August in verschiedenen Formaten bei Nuclear Blast.
Anspieltipps: Proud Woman, California, Kiss My Past Goodbye
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Tracklist BLUES PILLS – Holy Moly!:
01. Proud Woman
02. Low Road
03. Dreaming My Life Away
04. California
05. Rhythm In The Blood
06. Dust
07. Kiss My Past Goodbye
08. Wish I’d Known
09. Bye Bye Birdie
10. Song From A Mourning Dove
11. Longest Lasting Friend
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Weblinks BLUES PILLS:
Official: https://bluespills.eu/
Facebook: https://www.facebook.com/BluesPills/
Instagram: https://www.instagram.com/bluespills/?hl=de
Label: https://www.nuclearblast.de/de/label/music/band/about/3089140.blues-pills.html