Auch 2019 hatte Jerome Reuter alle Hände voll zu tun. Das Jahr begann mit Le Ceneri Di Heliodoro, dem 13. Studioalbum des Luxemburgers, setzte sich im August mit der Martial Ambient/Industrial Veröffentlichung Käferzeit fort und endete im Dezember mit The Dublin Session und der Single Hinter Den Mauern Der Stadt. Alles zusammen lässt mich mit einer gewissen Ratlosigkeit zurück. Sicherlich, ich freue mich über jede Veröffentlichung von Rome. Sind diese doch stets von einer so ausgesuchten Qualität ausgestattet, dass es angesichts der Schlagzahl, mit der Reuter diese auf den Markt wirft, nicht ganz mit rechten Dingen zugehen kann.
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Ich habe mittlerweile ein redaktionelles Problem: The Dublin Session erscheint als EP, umfasst jedoch neun Tracks und tarnt sich vom Titel her betrachtet erst einmal als Live-Album. Letzteres wird bereits beim ersten Hören ausgeschlossen. Die Atmosphäre von The Dublin Session hat etwas von melancholisch-brüderlicher, bierseliger Pub-Einträchtigkeit um halb drei Uhr in der Früh, ist aber definitiv professionelle Studioarbeit. Ersteres lässt mich jedoch rätseln, wie ich künftig zählen soll. Man kann schon langsam den Überblick verlieren. Wahrscheinlich gibt es aber auch schlimmere Probleme.
The Dublin Session entstand im Mai 2019 während eines mehrtägigen Aufenthaltes Reuters in der irischen Hauptstadt. Man traf sich also, um an neuen Kompositionen mit eindeutig traditioneller einheimischer Färbung zu experimentieren. Thematisch sind wir zwar wieder in Europa, dem Dreh-und Angelpunkt Rome’schen Schaffens, nur dass es sich in diesem Fall romantischer, erdiger und folkloristischer anhört. Das geht zum großen Teil selbstverständlich auf die Instrumentierung, Bouzouki, Fiddle, Banjo, Pipes, und auf den (vornehmlichen) Männerchor zurück, der inbrünstig mit der melancholisch wehmütig beseelten Standhaftigkeit der Erinnerung in Rakes And Rovers schmettert:
We’ve been about
We’ve been all over
Been up against that storm as one
And we ran with the worst
Rakes And Rovers
Brothers, now this is our home.
Die Beschwingtheit folkloristischer Songs wie Antenora und Holy Ennui, die klassischen Chansons Noir, wie Evropa Irredenta, das sich wie so oft mit der Entwurzelung auf dem Kontinent, der seine Mythen verloren hat, beschäftigt, oder das einfache, resignierte Slash’n’Burn und die martialischen Neo-Folk Tracks, wie Vaterland oder Mann Für Mann bilden auf The Dublin Session nur scheinbar Gegensätze. Bei Holy Ennui geht es beispielsweise um einen heimkehrenden Soldaten, der sich trotz erschütternder Erlebnisse im Krieg, nach dessen Blut, nach dessen Extremen sehnt. Musikalische Leichtigkeit und der in seiner sinnhaften Schwere leichthin gesungene Text machen Holy Ennui zum Niederdrückendsten, das ich in letzter Zeit gehört habe. Hier überfällt uns Reuter mit seiner intellektuellen Rücksichtslosigkeit, die sich hier weniger in der gewohnten Verklausuliertheit der Sprache, sondern im Wechselspiel aus Sprache und Musik, anschleicht.
In seiner musikalischen Herangehensweise und der Zusammensetzung der auf der Platte Beteiligten ist The Dublin Session sicherlich ein besonderes Album in der Rome-Diskografie. Das gesamte Flair und seine Atmosphäre machen den Hörer fast schon neidisch, nicht bei seiner Entstehung mit einem Pint in der Hand dabei gewesen zu sein. Und auch die Unwiederholbarkeit dieses Ereignisses stimmt wehmütig. Denn wann wird man diese Songs in dieser Besetzung live erleben können? Wahrscheinlich niemals. Das bleibt aber auch der einzige Wermutstropfen auf The Dublin Session.
The Dublin Session ist in unterschiedlichen Formaten am 06. Dezember 2019 bei Trisol Music Group erschienen.
Tracklist ROME – The Dublin Session:
01. Gair Na Lionn
02. Antenora
03. Evropa Irredenta (feat. Thätström)
04. Holy Ennui
05. Slash’n’Burn
06. Vaterland
07. Mann Für Mann
08. Rakes and Rovers
09. Matt’s Mazurka
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Weblinks ROME:
Official: https://www.rome.lu
Facebook: https://www.facebook.com/romeproject