Wuchtig-weite Mythologie-Raserei vorm Postkartenpanorama
Mänaden sind die Weiber des Dionysos. Zwar waren diese Frauen Priesterinnen, aber ihr Kult galt eben dem Gott der Fruchtbarkeit, des Rausches, der Ekstase und des Wahnsinns. Sie waren dafür bekannt mit Thyrsusstäben und Fackeln johlend und singend durch die Wälder zu ziehen. Ausschweifend, ekstatisch und von unkalkulierbarem Maß war der Dienst an ihrem Herrn. Oft werden sie mit entblößten Brüsten dargestellt, in Tierfelle gehüllt, das Haar voller Blätter und Zweige. Ihnen wird eine erhöhte Intuition nachgesagt, das zweite Gesicht, naturverbundene Leidenschaft und unkontrollierbare Wut. Spaß hatten sie auf jeden Fall, vermute ich. So eine Mænad ist auch vorne auf dem gleichnamigen Album der Schweizer Post-Doomer E-L-R abgebildet. Nur wirkt diese hier in Vergleich zu ihren Schwestern auf eine antik-klassische remminiszierende Weise nahezu anachronistisch brav und zurückhaltend.
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Das Album folgt einem auf 150 Exemplare limitierten Demo mit Namen In Splendour & Sedation nach, das die Band im letzten Jahr aufgenommen hatte und das ihr bereits einiges an Aufmerksamkeit einbringen konnte. Vom Debüt retteten E-L-R den Abschlusstrack The Wild Shore auf das neue Album. Das Trio aus Bern setzt sich (ein wenig geheimniskrämerisch) aus der Bassistin I.R., der Gitarristin S.M. und dem Schlagzeuger M.K. zusammen. Die beiden Damen singen auch. Wobei bei E-L-R nicht der Gesang im Vordergrund steht und stimmungsvoll wie ein weiteres Flächeninstrument eher raunend in den Hintergrund gemischt wird und deutlich rituellen Charakter zu haben scheint. Das erzeugt einen beinahe schamanischen Grundtenor. So sind viele der Stücke auf Mænad dieser Logik folgend aufgebaut.
Sie beginnen unbestimmt mit äußerst minimalistischen Themen, die repetitiv mit weit ausufernden, tiefschürfenden Flächen beinahe schon tranceähnliche Zustände beim Hören hervorrufen. Im weiteren Verlauf setzen die wuchtigen, gravitätischen Drums und Riffs ein. Die erzeugen zusammen mit dem fernen etwas abwesenden gedehnten Gesang gähnende Abgründe von wenig lebensbejahender Weltuntergangsdüsternis. (Auf die Spitze getrieben wird das beim Kerntrack des Albums: Above The Mountains There Is Light) Wenn das der alte Bacchus gewusst hätte. Das ist äußerst stimmungsvoll und jagt einem wohlige Schauer über den Rücken, nutzt sich allerdings, auch das muss man sagen, irgendwann ab. Denn dieses ist das Grundkonzept eines jeden Songs auf Mænad.
Daran ändert auch die tatkräftige Unterstützung großer Namen nicht viel. So ist Colin H van Eeckhout von Amenra stimmlich bei Above The Mountains There Is Light zu hören, auf Clancing Limbs spielt er Drehleier. Die unvergleichliche Ryanne van Dorst (Dool) spricht einen Text bei Lunar Nights und sorgt mit ihrer dunklen Stimme bei dem Stück noch einmal mehr für Suspense.
Mænad ist ein authentisches stimmungsvolles Genre-Album, das zwar durchaus innovative Ideen mitbringt, diese jedoch nicht bis in letzter Konsequenz und mit der umfassender Finesse auf kompletter Albumdistanz aufrecht erhalten kann.
Mænad ist am 27. September in verschiedenen Formaten bei Prophecy Productions erschienen.
Anspieltipps: Above The Mountains There Is Light, Lunar Nights
Tracklist E-L-R – Mænad:
01. Glancing Limbs
02. Devotee
03. Above The Mountains There Is Light
04. Ambrosia
05. Lunar Nights
06. The Wild Shore
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Weblinks E-L-R:
Official: https://e-l-r.bandcamp.com
Facebook: https://www.facebook.com/bandELR
Instagram: https://www.instagram.com/elr_band