Halbzeit, Bergfest, Höhepunkte beim diesjährigen Wave-Gotik-Treffen. Heute besuchen wir für euch …
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Museum der bildenden Künste
Neben Konzertbesuchen ermöglicht das umfassende Programm des Wave-Gotik-Treffens auch zahlreiche kostenfreie Museumsbesuche. Das Angebot zum warmen Sonntagmorgen nutzend, trafen wir uns zu viert vor den großen, verspiegelten Türen des Museums der bildenden Künste. In unmittelbarer Bahnhofsnähe ist das große, moderne Gebäude schnell zu finden. Gut klimatisiert und voller Erwartungen wurden wir in der Eingangshalle direkt als Festivalbesucher identifiziert und eingelassen, darüber aufgeklärt, dass Fotografieren erlaubt ist und auf den Aufzug hingewiesen, der uns in das oberste Stockwerk bringen sollte.
10:00 Uhr – Yoko Ono – Peace is Power
„Wenn man die Anleitung liest, erhält man schon eine Vorstellung des Bildes, also warum noch ein Bild produzieren?“
Die Sonderausstellung, die mich besonders interessierte und daher zum Auswahlgrund für den Treffpunkt wurde, startete im April und ist bis zum 07. Juli in dem Leipziger Museum zu sehen. Im Zentrum der modernen, weißen Räume in der obersten Etage stehen die Ideen, Ideale und Werke der japanisch-amerikanische Künstlerin, die seit ihrer Ehe mit dem Beatles-Bandmitglied längst einen umfassenden Bekanntheitsgrad genießt. Große Worte bekommen große Räume: Feminismus, Pazifismus, Gemeinschaft, Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein und die positiven Energien, die allem innewohnen. Den Einlass malt die helle Weite, die von mediterranen Bäumchen, die aus Särgen hervorragen, durchbrochen wird. Beeindruckt davon, rangiert die Ausstellung allgemein mit der Anforderung aus den präsentierten Worten und Haltungen imaginativ eigene Bilder oder Kunstwerke entstehen zu lassen bzw. anhand der gezeigten Anleitungen vielmehr Teil eines Prozesses zu werden, anstatt ein vorgefertigtes Kunstprodukt vorgesetzt zu bekommen – Space Transformer zu sein. Eine Sammlung von Suggestionen: Wer bereit dafür ist bekommt Yoko Onos Einfälle zur Utopie einer besseren Welt zu spüren. Ein guts Gefühl, das anhält. (CH)
Heidnisches Dorf / Torhaus Dölitz
14:00 Uhr – Arhai (GB)
Das britische Künstlerduo Arhai verbindet orientalisch inspirierten Folk mit Elektronika. Sie verwenden dabei sowohl traditionelle, akustische Instrumenten in ihren Repräsentationen aus dem nahöstlichen Kulturraum und dem Balkan, wie Laute und Hackbrett (hammered dulcimer), als auch elektronische und moderne Instrumente. Daraus erwächst eine interessante Melange aus meditativen und spirituellen Melodien, innerhalb derer die Grenzen aus Zeit, Raum und Kulturen ineinander fließen und zu etwas Neuem werden. Die Band besteht aus dem Multi-Instrumentalist Adrian Lever, der eine beeindruckende Spannweite an Fingerfertigkeit mitbringt und Jovana Backovic, die für die Kompositionen verantwortlich ist und mit ätherischen, wie ausdrucksstarken Gesangstechniken verzaubert.
Beide haben auch einen Drummer dabei, der ihrer Performance, am recht frühen brütend heißen Sonntag Nachmittag, etwas mehr Druck und dadurch mehr Aufmerksamkeit verleihen soll. Arhai treten an mehreren Tagen zu unterschiedlichen Zeiten zum WGT, abseits der großen Namen auf. Aber ihre Musik ist deutlich mehr als nur Untermalung des Marktgeschehens oder Einstimmung auf das bevorstehende musikalische Programm. Denn sie ist preisgekrönt, bringt in ihrem Heimatland viele unterschiedliche Künstler zusammen und führt den Dialog zwischen den Kulturen, der heute so wichtig ist. Darüber hinaus haben ihre Lieder eine Substanz, Tiefe und Sehnsucht, die nach ungeteilter Aufmerksamkeit und deswegen nach einer anderen, ruhigeren Bühne rufen, wie beispielsweise dem Schauspielhaus oder der Kirchenruine Wachau. (KS)
19:20 Uhr – Faun (D)
Das Wetter ist super, die Leute prima gelaunt. Beste Vorzeichen für Faun.
Schon beim Soundcheck ist vor der Bühne jede Menge los und die Leute Feuer und Flamme für die Münchner. Moderator und “Anheizer” Oliver beschwört das Publikum aber, bitte bloß genauso euphorisch wie bei der Probe zu jubeln, wenn die Jungs und Mädels dann tatsächlich auf der Bühne erscheinen. Ja, was für ne Frage. Klar, machen wir!
Zwar ist die Sonne noch nicht ganz hinter den Bäumen verschwunden und die Lichtshow wirkt nicht ganz so atmosphärisch, aber das gleichen Faun allemal mit der Bühnenperformance aus. Die große Band auf der doch recht kleinen Bühne war sichtlich erfreut über das riesige Publikum. Ein WGT-Gig ist halt immer etwas besonderes, für jede Band. Und jeder Musiker, egal ob nun mit Sackpfeife, Leier oder Harfe bewaffnet, freute sich einmal ganz vorn zu stehen.
Trotzdem muss auch hier wieder erwähnt werden, dass die Location auch eine Stunde vor Start des Konzerts wieder wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Frust darüber und die Hitze darüber hinaus führen zu teilweisen energischen Diskussionen am Eingang.
Die glücklichen Gäste drinnen feiern derweil ihre Band. Gerade beim vierten Lied Walpurgisnacht kann dann auch die letzte Reihe nicht mehr still stehen bleiben. Insgesamt wird eine gute Mischung der alten und neuen Lieder vom letzten Studioalbum Midgard (2016) im Set zusammengestellt. Nachzuhören kann man das Ganze auf der 2018 erschienen Compilation Best Of Faun. (DS)
Setlist FAUN @ WGT, Heidnisches Dorf (09.06.2019):
- Iduna
- Wind und Geige
- Alba
- Walpurgisnacht
- Nacht des Nordens
- Odin
- Pearl
- Iyansa
- Feuer
- Rhiannon
- Wenn Wir Uns Wiedersehen
- Egil Saga
- Hymn to Pan
Non Tox e. V.
13:40 Uhr – Stahlnebel & Black Selket (D)
Der Tag beginnt freundlich (um nicht zu sagen hitzig!) und trotz, dass es gerade einmal früher Nachmittag ist, sind doch schon viele Gäste im etwas abgelegenen Non Tox e.V anzutreffen. Und dabei sind Stahlnebel & Black Selket schon die zweite Band des Tages. Das Dark Electro Industrial Projekt aus dem – ja wir bemühen die journalistische Stilblüte – beschaulichen Wickede an der Ruhr in NRW wurde nach sage und schreibe vier Jahren Bühnenabstinenz von den Veranstaltern für das große Familientreffen angefragt. Klar, dass die Band um Sänger Ralph Neuhaus mit wehenden Fahnen zum WGT anreist und jetzt ihren Auftritt sichtlich genießt. Den hält auch nicht besonders viel auf der Bühne. Mit dem Mikro in der Hand performt er seine Songs zusammen mit den Fans direkt davor. Und wisst ihr was? Soviel Herzblut und Spielfreude wird belohnt. Wir sehen Stahlnebel & Black Selket im nächsten Jahr wieder (Anfrag ist wohl schon raus 🙂 ). (DS, KS)
14:50 Uhr – Terrorfrequenz (D)
Der Nachmittag schreitet voran, die Schatten werden kürzen. Das Non Tox füllt sich. Noch keine Panik (oder Terror?), denn noch gibt es genug Platz zum tanzen. Und den haben wir auch bitter nötig, denn Terrorfrequenz füllen ihren Slot. Die gibt es schon seit 2008 und die haben auch schon mit Szenegrößen wie Blutengel und Agonoize die Stage geteilt. Ahja, auf dem WGT waren sie auch schon. Das war in jenem schicksalhaften Jahr 2015. Zwei Jahre war es dann erst einmal still um das Projekt, bevor Liam Summer dem ganzen neues Leben einhauchte und Terrorfrequenz wie der Phoenix aus der Asche mit der EP Muration und der LP Muratio In Signum wieder mitspielte. Noch mal zwei Jahre und da sind sie wieder auf dem WGT und auch wieder zu zweit. Der Wiedererkennungswert ist hoch, die Beats sind ultra-fett, das Bühnenoutfitt angemessen verstörend – nicht jeder nutzt eine Wirbelsäule als Mikrofonständer und hat seinen knochigen Kumpel als stummen Begleiter mit. Und obwohl das auf dem WGT möglicherweise öfter vorkommen mag, als anderswo, “bewegt das die Substanz” und die schwarzen Menschen. (DS, KS)
16:00 Uhr – Splatterdisko (D)
Wer das Non Tox kennt, weiß, dass es wenig Zeit gibt, die Füße auszuruhen. Und obwohl “Harshelectro Made in Germany” sicherlich auf die eine oder andere (oder alle) Band hier zutreffen mag, hat es die nächste nun ausgerechnet zu ihrem Alleinstellungsmerkmal erkoren. Splatterdisko ist ein Side-Projekt von Agonoize-Sänger Chris L. und der ist im Vergleich zu den Vorgängerbands nicht nur weniger harsh, sondern hat erst einmal auch noch etwas Pech, da am Anfang der Ton hakte. Auch in der Mitte des Sets müssen sich die Musiker erst einmal dem Kampf mit der Technik beugen. Aber nichts, was weiter tragisch ist oder länger hängen bleibt. Die beiden sind eben Profis und schaffen diese Widrigkeiten mit Improvisationen zu kompensieren. Neben wirklich treibenden, fast schon militärischen Beats, gibt es auch eine Coverversion von The Cures Lullaby. Insgesamt kommen die Männer, die immerhin zumindest mit diesem Projekt heute Jungfernfahrt haben, ziemlich gut an. (DS, KS)
17:10 Uhr – DSTR (D)
Noch ruhiger wurde es dann noch einmal mit DSTR, die mit Synth-Pop eine etwas gediegenere Schiene fahren. Man merkt deutlich, dass wir uns dem Abend und den größeren Konzerten auf den Hauptlocations nähern, denn die Reihen lichten sich doch deutlich. Viele scheinen weiterzuziehen. Eigentlich schade, denn die Männer machen grundsolide, was man in diesem Genre so erwartet und hätten sicherlich andernorts mehr Publikum gezogen. Unter den Songs findet sich auch eine durchaus hörbare Version vom The Sisters Of Mercy Klassiker Lucretia My Reflection, die gewissermaßen auch das Herzstück des Sets darstellt. (DS, KS)
Schauspielhaus
17:30 Uhr – Goethes Erben (D)
Oswald Henke ist derzeit mit seinem Projekt Goethes Erben im Rahmen von Kammerkonzerten in Deutschland unterwegs. Zusammen mit einem Pianisten und einem Cellisten bringt er Songs aus der gesamten Goethes Erben-Geschichte in einem gediegenen kleinen Rahmen auf die Bühne. Man kann sich ausmalen, dass hier die Nachfrage extrem hoch ist. Einige der sehr begrenzten Termine sind bereits ausverkauft. Und auch in Leipzig auf dem WGT – am heutigen Sonntag sind immerhin zwei Vorstellungen im Schauspielhaus angesetzt – finden sich sehr viele Fans schon geschlagene 90 Minuten vor Beginn der Veranstaltung vor Ort ein. An dieser könnte man freilich Eulen nach Athen tragen und auf die Bedeutung dieser Band eingehen, die wahrscheinlich seit 30 Jahren wie kaum eine andere die Szene in Deutschland prägte und dies immer noch tut. Als Vertreter der Neuen Deutschen Todeskunst und wichtige Protagonisten der Avantgarde sind es vor allem ihre nachdenklichen, wie todtraurigen Texte, die für Viele einen Ort der Zuflucht, Inspiration und des Trostes bilden.
Auf der Bühne findet sich daher auch nicht viel, was vom Wesentlichen ablenken könnte: nur ein Flügel, das Cello, ein schlichter Kerzenleuchter und eine schlanke Metall-Konstruktion, die den Namen des Projektes formt. Oswald Henke beabsichtigt den Vortrag auf die Essenz zu destillieren. Der Sänger, sowie beide Musiker kommen dann auch nur in schlichten Anzügen. Beim zweiten Song Abseits Des Lichts erscheint eine Ballerina auf der Bühne, die zusammen mit den Kammermusikern die Emotionen von Musik und Lyrik Ausdruck verleiht. Die Zuschauer sind begeistert und ergriffen zugleich. Weiter geht es mit ausgewählten Stücken aus der reichhaltigen Diskografie von Goethes Erben, an denen sich möglicherweise die Geister scheiden. Manch einem sind sie zu exaltiert und prätentiös, seit 30 Jahre zu wenig variabel und vielleicht auch ein wenig selbstgefällig. Für die Leute, die heute Nachmittag im vollbesetzten Schauspielhaus überglücklich über ihren ergatterten Platz sind, ist das im Angesicht dieser Kulisse die ganz große Kunst, voller Poesie und einem tiefen Sinn. (KS)
Moritzbastei
13:00 Uhr – MDR-KULTUR Studiosession: Laura Carbone (D)
Nach dem belebenden Museumsbesuch führte mich der kurze Weg durch die Innenstadt an die Moritzbastei. Zwischen hallenden Ansagen, Fahrgeschäften und Crêpedüften hindurch, die das parallel stattfindende Stadtfest maßgeblichen bestimmten, liegen die Backsteinmauern des Konzertkellers. Aufgrund der Wärme und der beschränkten Größe wird erst kurz vor Aufzeichnungsstart der Einlass gewährt, zu dem sich bereits eine Stunde vor Beginn zahlreiche Wartende einfinden. Etwa 40 Besucherinnen und Besucher finden im stimmungsvoll arrangierten Raum Platz und werden von einer Verantwortlichen auf Stühlen und Treppen drapiert. Eine kurze Belehrung und Einweisung über den kurzen Programmablauf später, betreten schon die junge Künstlerin und ihre beiden Mitmusiker den bedacht ausgeleuchteten Raum. Mal säuselt sie zart, mal besingt sie stark ihre bittersüßen Melodien, zu welchen die Gitarren im Hintergrund verschwimmen. Trotz dass der schweißtreibende Auftritt nur kurz andauert, die atmosphärischen Klangbetten vereinnahmen vollends. (CH)
Setlist LAURA CARBONE @ MDR-KULTUR Studiosessions, Moritzbastei Leipzig (09.06.2019)
- Lullaby
- Who’s Gonna Save You
- Nightride
20:00 Uhr – OUL (D)
Allen B. Konstanz wollte ein Album “ganz ohne Gitarren” machen, erklärt er uns am Sonntagabend in der Moritzbastei. Er ist hier mit seinem noch ganz jungen EBM und Synthpop-Projekt Oul der Opener. Dieses Vorhaben ließ sich dann aber nicht ganz konsequent umsetzen, ist ja einer seiner engsten Freunde und Kollegen Inhaber der Klangschmiede Studio E, jenes Tonstudio, in dessen vertrauensvolle Hände man sich begibt, wenn man möchte, dass das nächste Black-Metal Album gut werden soll. Außerdem teilen sich Konstanz und Ulf Theodor Schwadorf mittlerweile so viele gitarrenlastige Bandprojekte, dass man da schon mal den Überblick verlieren kann, wenn man nicht konsequent dran bleibt. Antipode hört man die jahrelange Musikerfahrung und die Auseinandersetzung mit vielschichtigen und komplexen Kompositionen an, ohne dass das Album an einer einzigen Stelle überfrachtet wirkt. Ja, und man hört Antipode auch den Metal an, obwohl das Album nichts von Metal hat.
Aber werfen wir mal einen Blick ins Publikum. Die Katakomben der MB sind richtig voll. Die Zusammensetzung der Fans könnte unterschiedlicher nicht sein. Da haben wir natürlich die Synth-Popper und EBMer, aber auch Metal-Heads mit Vision Bleak- und Prophecy-Shirts und ganz düster aussehende Ewigheim-Fans. Konstanz tritt nicht, wie man vielleicht erwartet hätte mit einem zweiten Synthesizer auf, sondern hat einen zweiten Schlagzeuger dabei. Zusätzlich mit dem auf seinem Keyboard installierten Drums, ahnt man, dass das Ganze in eine härtere, stark akzentuierte Richtung gehen wird. Oul eröffnen das Set mit Apocalypse. Noch sind die Trommeln einen Tick zu laut und der Gesang kaum zu verstehen. Das gibt sich aber im Verlauf des ersten Songs und wird von einem alten Hasen wie Allen B. Konstanz souverän überspielt. Bei Dwell On The Other Side ergänzen sich die Kombinationen aus akustischem und elektronischem Schlagwerk durch die dem Songs innewohnenden sich überlagernden Drum-Sequenzen perfekt. Konstanz ist eben Schlagzeuger und hat das musikalische Konzept von Antipode wahrscheinlich auch viel aus dieser Richtung entwickelt. Live kommt das richtig satt rüber, vor allem auch, weil beide Musiker sehr gut aufeinander eingespielt sind.
Das Publikum nimmt die Songs sehr gut auf, obwohl das heute noch eines der ersten Konzerte ist, welches von dem jungen, noch weitgehend unbekannten Projekt absolviert wird. Zwischendurch erzählt der charismatische Künstler Anekdoten: Wie er beispielsweise vor langer, langer Zeit schon einmal in der MB aufgetreten ist – damals mit Ewigheim – und ihm bevor es überhaupt losging der Gurt seiner Gitarre gerissen ist. Er nahm dieses Ereignis als Omen, sich eher auf das Schlagzeug zu verlegen. Da hatte er wohl kurz vergessen, dass er in der Masse seiner Bandprojekte wohl eher für seine ausdrucksstarke, sonore Stimme bekannt ist. Song für Song hakt Konstanz jedes Stück vom Debütalbum ab, bevor er mit With A Fire das Set – leider nach nur 45 Minuten – für alle Anwesenden viel zu früh beendet. Die entern dann auch augenblicklich den Merch-Stand. Da hat wohl einer heute Abend ein paar neue Freunde gefunden. (KS)
Felsenkeller / Naumanns
20:40 Uhr – Batushka (PL)
Gegen halb zehn stolpern wir in den Felsenkeller und rennen erst einmal gegen eine Wand aus brennender Hitze und Schweiß. Wie in einem Dampfbad, nur eben in ungesund: Es hat mindestens 50 Grad, dafür aber auch keinen Sauerstoff mehr – nur auf dem Dachboden vom Teufel kann es schöner sein. Dann die freudige Überraschung: Die polnische Black-Metal Band, die wir eigentlich schon wegen des engen Programms mit einem kleinen Tränchen aus unserer Liste gestrichen hatten, haben offenbar grad erst angefangen und passend zum Klima auf der Bühne auch noch zusätzlich n Feuerchen angezündet. Also nischt wie in den Graben und Fotos gemacht. Und das lohnt sich bei den Batushka wirklich. Durch das Gesamtkonzept der Band, die am 12. Juli ihren Zweitling Hospodi veröffentlichen wird, zieht sich die Beschäftigung mit der orthodox katholischen Liturgie. Das findet man im Bühnenbild – überall stehen Kerzenleuchter, Weihrauchbehältnisse, Tabernakel, Ikonen, und sogar einegläserner Reliquienschrein samt Inhalt – dem Bühnenoutfit – die Musiker tragen Priestergewänder (ergänzt durch Stoffmasken) und den Texten. Man findet es nur eben in der Musik selbst nicht, was der Band gerade in osteuropäischen Ländern und Russland bisher ziemlich viel Ärger eingebracht hat.
Der Skandal dürfte kalkuliert sein und man hat sich vorsichtshalber, um ihn noch besser zu bahnen, tour-technisch bei Behemoth eingeklinkt. Jedenfalls machen die Jungs viel Geperle und viel Geste auf der Bühne. Über Temperatur und Feuchtigkeitssättigung unter den Roben kann man allenfalls vorsichtige Schätzungen wagen. Was Batushka allerdings einnehmend in die Karten spielt: Musikalisch sind sie ebenfalls ziemlich weit vorn. Prächtige, feierliche, Andacht gebietende Melodien werden überzogen von fetten, zerstörerischen Brettern und bebenden Beats. Für Black-Metal Verhältnisse hört sich das jetzt extremer an, als es sich tatsächlich ausmacht, denn in puncto Songwirting gibt es da durchaus einiges Solides, aber tatsächlich nicht viel überraschend Neues oder Innovatives. Trotzdem hebt sich das Gesamtkonzept, vor allem live, wohltuend von der Spreu ab. (KS)
22:20 Uhr – Cradle Of Filth (GB)
Batushka bauen ab und Mitarbeiter der Security haben ein Einsehen und öffnen zwei Flügeltüren. Erleichterung verschafft das jedoch nicht, denn die feucht-heiße Luft staut sich direkt davor und hindert den lebensspendenen Sauerstofft in den Felsenkeller zu strömen. Drinnen ist es kaum noch auzuhalten. Vor der Location ist längst Einlassstopp, jeder Versuch, sich draußen frische Luft zu verschaffen, würde bedeuten, den Headliner des Abends aufzugeben. Und diese Bestimmung gilt sowohl für Gäste, als auch für Mitarbeiter der Presse. Das Warten zu so fortgeschrittener Stunde, inklusive deutlicher Verspätung und noch bevorstehenden Soundcheck (bei dem selbstverständlich die “Frischlufttüren” wieder geschlossen wurden) wuchs sich also zu einer Geduldsprobe für alle Anwesenden aus. Es war daher keine Überraschung, dass es dann, als schließlich die Briten von Cradle Of Filth ihr Set starteten, nicht mehr ganz so voll war, wie noch bei den frommen Polen zuvor.
Deren Album Cryptoriana – The Seductiveness Of Decay (2017) ist auch nicht mehr ganz so taufrisch und wühlt schon mächtig in der Gothic-Metal-, finstre Orgel- und weibliche Träller-Kiste. Das muss man schon mögen. Hinzu kommt, dass Dani Filths eigenwillige Art zu singen live nun, sagen wir, noch einmal eine ganz besondere Qualität an Gewöhnungsbedürftig… pardon … Wiedererkennungwert annimmt. In Kombination ergibt sich ein Konzert, für welches man schon ein ziemlich großer Fan sein muss, um es zu mögen. Dani Filth, angetan mit einer Art Opernumhang, räubert on Stage umher, stößt spitze Schreie aus und mimt den wilden Derwisch. Der Rest der Band hat alle Hände voll zu tun, sich routiniert Pose zu werfen, passend zum massentauglichen Bombast-Metal, den Cradle Of Filth nun mal seit vielen Jahren spielen. Ich kann sagen: Ich habe es überlebt! (KS)
agra-Treffenpark
18:55 Uhr – Christian Death
Zum sechsten Mal sind Christian Death auf dem WGT. Eigentlich muss man diese Band niemanden mehr vorstellen, denn für die Szene und ihr Geschichte ist es ein Name wie Donnerschlag. Trotzdem sind einige Erklärungen an dieser Stelle von Nöten. Denn man muss ehrlicherweise sagen, dass von der Originalbesetzung der 1979 gegründeten Band, allen voran die Legende Rozz Williams, keiner mehr dabei ist. Tatsächlich aber traten ehemalige Mitglieder der Band tags zuvor noch im Täubchenthal in Gestalt eines Exklusiv-Konzertes mit Shadow Project 1334 und obligatorischen, gravitätisch-düsteren Eva O. auf. Der Gig war eine Reminiszenz an das Beste, was man sich unter dem klassischen Death-Rock seiner Anfangstage vorstellen konnte.
Nun ist das alles schon ewig lange her und Projekte haben die Chance und das Recht sich weiterzuentwickeln. Ich hab Christian Death etwas aus den Augen verloren. Gespannt war ich deshalb, was mich erwarten würde. Unvermeidbar ist natürlich die Ankündigung der größeren Acts auf der agra durch Oliver Klein. Der stellt die unangenehme Frage, ob sich denn unter den Anwesenden, die sich gar zahlreich eingefunden haben, Personen befinden, die das offizielle Gründungsjahr der Band schon mitbekommen hätten. Und sei es auch unbewusst. Ich wage es nicht mich zu offenbaren und schaue mich statt dessen um. Joa, knapp die Hälfte gibt dergleichen zu.
Wir starten, eher unerwartet mit einem DJ und Industrial – also erst einmal kein Goth-Rock und schon mal gar kein Death-Rock. Geschlagene zehn Minuten und ich frage mich, wann denn nun endlich das Set anfängt. Glücklicherweise lassen mich die Amerikaner dann doch nicht im Regen stehen und servieren soliden von der Westküste geküssten Goth-Rock mit leichtem Blumenkind-Einschlag. Das bedeutet ihre Rot(z)zigkeit haben sie mit den Jahrzehnten leider etwas eingebüßt und damit leider auch den exaltierten Schmerz und die unauslotbaren Abgründe. An deren Stelle ist eine Art mystischer, bohéme-hafter Dunkel-Rock getreten, der herrlich unaufgeregt und absolut authentisch rüberkommt. Die Mikroständer sind mit dunklem Efeu geschmückt, man trägt breitkrempige schwarze Hüte und wirkt etwas, als käme man aus dem Andromeda-Nebel, wenn Ihr versteht, was ich meine. Passend dazu gibt es die “be responsible when you use drugs”-Ansage, ähm … ok. Wie alte waren wir noch mal? 😉 Spacig. (DS, KS)
20:40 Uhr – Lord Of The Lost (D)
On This Rock I Will Build My Church, mit dem Song haben sich Lord Of The Lost einen Opener ins Set geschrieben, der einen Gig kaum besser eröffnen könnte. Stakkatohafte Drums, dunkle, warme Harsh-Voices, ein hymnenhafter Melodieverlauf – einfach episch. Passend dazu ging es düster los, man sah praktisch nichts, lediglich die Konturen der Herrschaften waren zu erkennen, die von so vielen erwartet wurden. Die agra war selbstverständlich sehr voll. Der Eröffnungstrack stammt vom aktuellen Album Thornstar (2018) und von der Langrille sollen noch weitere folgen: Loreley und Morgana. Sonst gab es eine Zusammenschau von allen Alben der Lords, an der man sehr gut die Stilwechsel und die bewegte Geschichte mit dem steilen Weg nach oben nachzeichnen konnte.
Unverwechselbar sind sie ja immer, die Bühnenshows der Hamburger Jungs um Chris Harms, der längst nicht mehr wegzudenken ist aus der schwarzen Familie. Diese Verbundenheit und Sympathie lässt er seine Fans auch stets spüren, in dem er sie immer wieder einbindet in die Show, sie direkt anspricht und uns fragt wo unsere Hände denn sind. Ja, wer hat die denn heute vergessen? Niemand, also wirklich. … Kein Grund, uns darauf hinzuweisen 😉 Für besonderen Zuspruch sorgt auch das unmissverständliche Statement der Band zu den bewegten Zeiten, in denen wir uns heute befinden. Mehr denn je ist es wichtig, dass sich Künstler jeden Genres positionieren gegen jede Form von Menschenhass und Gewalt, die um sich greifen und auch vor unserer Szene keinen Halt machen. Vielen Dank für die Haltung und den Mut! Eine Stunde Dark Rock der metalligen Sorte und das vom allerschönsten gehen viel zu schnell vorbei. Lord Of The Lost verabschieden sich mit La Bomba. Ja. was denn sonst? Vielen Dank und bis zum nächsten Mal! (DS, KS)
Setlist LORD OF THE LOST @ WGT, agra (09.06.2019)
- On This Rock I Will Build My Church
- Loreley
- Morgana
- Black Halo
- Drag Me To Hell
- Prison
- Under The Sun
- Haythor
- In Darkness In Light
- Dry The Rain
- Six Feet Underground
- It’s A Sin (Pet Shop Boys cover)
- Blood For Blood
- Doomsday Disco
- Die Tomorrow
- La Bomba
Westbad
22:30 Uhr – Solar Fake (D)
Ich erinnere mich, dass ich als Kind einmal wegen eines Schwimmturniers im Westbad gewesen bin. Allerdings kann ich mich nicht daran erinnern, dass es dort damals eine Sauna gegeben hätte. Das war allerdings auch lange, lange bevor das Westbad WGT-Veranstaltungsort geworden ist. Schon bei Sono, die im Line-Up Solar Fake vorangegangen sind, war es überfüllt und nun ist es so proppevoll und heiß, dass die Anwesenden ihr eigenes Biotop erzeugen und das Wasser schon beinahe von den hohen Decken tropft. Anheimelnd. Ach, machen wir uns nichts vor, wir wissen, warum wir alle hier sind: Sveeeennniiieee!!!!! Ja, und wegen der Musik. Solar Fake headlinen hier nicht umsonst.
Eines muss man Sven Friedrich, dem androgynen, alterslosen, hach und wunderschönen Prinzen der Melancholie lassen, mit diesem und seinen anderen Projekten Dreadful Shadows und Zeraphine hat er einfach Genre- Maßstäbe gesetzt. Solar Fake haben im letzten Jahr ihr fünftes Studioalbum mit Namen You Win. Who Cares? unter die Leute gebracht und sind nun auch schon zum vierten Mal hier auf dem WGT. Und die Begeisterung nimmt nicht ab. Im Hintergrund flimmern Videos zur Untermalung des Gesungenen, im Publikum singen die glücklichen Fans zur Unterstützung des Sängers. – Mr. Friedrich trägt heute Abend schlichte Bluejeans im Used-Look dazu ein schwarzes Seiden-Hemd, dessen Ärmel er lässig bis zu den Ellenbogen umgekrempelt hat (*seufz*). Aber auch ihm setzt die Hitze sichtlich zu. Ja, im Schweiße sind wir alle gleich. Bei Stay und The Pain That Kills You Too stimmen alle unisono von der ersten bis zur letzten Liedzeile mit ein und übertönen den Herrn sogar beinahe, der sich über so etwas gar nicht mehr zu wundern scheint. Man wiegt sich, man liegt sich in den Armen. Bei den schnelleren Nummern wird ordentlich auf und ab gewippt (zu mehr ist einfach kein Platz). (DS, KS)
Oper
18.00 Uhr – Zauberflöte
Meinen Nachmittag läutete die Absprache darüber ein, wie das so abläuft mit der Oper und der begrenzten Kartenzahl. Gut, dass bereits 14.30 Uhr fachkompetente und erfahrungsreiche Personen vor den gläsernen Toren des Leipziger Konzertgebäudes campierten und mir berichteten, mindestens drei Stunden vor Beginn zu erscheinen, würde mir eine der begehrten Freikarten für das großartige Klassikprogramm des Festivals sichern. Nach La Traviata und Schwanensee kündigte sich für den heutigen Tag Mozarts Zauberflöte an – auf den verschwitzten Vortag aus Punkrock, die gelungene Abwechslung, die das Leben so spannend macht. Zweites Stockwerk, Rang, achte Reihe. Das mittelgut, aber groß geschauspielerte bunte Event mit den hübschen, tänzelnden Melodien unterhält bis fasziniert. Bezaubernde Kostüme vor der pompösen Kulisse, bannende Klassik – das Versprechen der Oper ist eingelöst. (CH)
FotografIn/AutorIn: Claudia Helmert (CH), Danny Sotzny (DS), Katja Spanier (KS), Thomas Papenbreer (TP)