Pro & Kontra – Die kontroverse Rezension:  BLUTENGEL – A Special Night Out

Pro & Kontra - Die kontroverse Rezension:  BLUTENGEL – A Special Night Out
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9 Claudia

4 Katja

Unsere Gesamtnote

6.5
A Special Night Out – Live & Acoustic In Berlin ist am 08. Dezember bei Out of Line Music erschienen.
Blutengel  gehören zu den erfolgreichsten musikalischen Vertretern der sogenannten schwarzen Szene. Sie haben unzählige treue Fans, aber auch Kritiker melden sich immer wieder zu Wort. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, die neue Veröffentlichung der Band A Special Night Out – Live & Acoustic In Berlin als Pro & Kontra- Rezension zu konzipieren. Und wie der Name schon sagt, kommen darin beide Seiten zu Wort, sowohl das “Fan-Girl”, als auch die “Advocata Diaboli”. Jeder wird sich vielleicht in einer der beiden wiederfinden können. Also lasst bitte Milde und Verständnis walten. Es handelt sich um Positionen und nicht um Operationen am offenen Herzen.

Autorin: Claudia Marquardt

Die Kultband Blutengel veröffentlicht in diesem Dezember etwas ganz Besonderes. Es gibt ein streng limitiertes Bonbon namens A Special Night Out – Live & Acoustic in Berlin. Im Mai fand dieses Live Experiment in Berlin statt. Frontmann Chris Pohl und die bezaubernde Ulrike Goldmann plus komplette Bandbesetzung (Schlagzeug, Piano, Akustikgitarre) präsentieren Euch 16 ihrer größten Hits, neu interpretiert im recht reduzierten Klanggewand. Ohne Schnörkel und Tamtam bescheren sie dem geneigten Fan ein unvergessliches Hörerlebnis. Es erwartet Euch ein spezielles Set in einem ganz und gar auf die Seele der Songs minimalisierten Akustik-Sound. Direkt mitten in Euer Herz treffen die Blutengel-Hits, im Vergleich zu den Versionen, die wir kennen und lieben. Mit einfachen Worten beschrieben, ist dieses Release ein intensives Klangerlebnis. Pünktlich zur Weihnachtszeit erscheint A Special Night Out mit diesem streng limitierten und liebevoll aufgemachten CD/DVD-Set und ist deshalb ein Muss in jedem gut sortiertem Plattenregal oder wahlweise auch in Eurer Playliste.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Mit dem Opener Krieger gibt es einen ordentlichen Start in diese Scheibe. Frontmann Chris, nur durch zarte Klavierklänge begleitet, brilliert hier neben Ulrike – verletzlich, zart und dadurch so herrlich intensiv. Ich bin jetzt schon begeistert. Gleich geht’s weiter mit Behind The Mirror: auch hier ein dominantes Klavier und Chris aussagekräftige Stimme. Mehr braucht es nicht, um gute Musik zu machen. Weiter geht die Reise mit Black aus dem aktuellen gleichnamigen Minialbum. Eine schöne schnelle Nummer, aber eben reduziert auf die Stimmen von Chris und Uli und die Begleitung von Klavier und Akustikgitarre.

Klatschend durch das Publikum wird in den nächsten Song Sing weitergeleitet – so ungewöhnlich anders als das Original. Ich muss mich auch hier erst an diese doch so minimalistische Darbietung gewöhnen. Was jetzt nicht negativ gemeint ist, aber Sing ist für mich eine Hymne, welche auf keinem Blutengel-Konzert fehlen darf. Diese jetzt so zart und intensiv zu hören, ist eine wirkliche Erfahrung. Mit Give Me gibt es eine zarte Ballade von Ulrike auf Deine Ohren. Die Stimme von Uli berührt hier Dein Herz und wird nur begleitet durch zarte Klavier- und Schlagzeugklänge. Ein einmaliges intensives Hörerlebnis. Mit Wasting The Year aus dem Album Leitbild erklingen wieder Klavier, Akustikgitarre und ein überaus überzeugender Chris Pohl. Dies ist wirklich eine gute Kombination. Der Song hat eine hypnotische und beruhigende Wirkung auf mich. In den hektischen Tagen vor Weihnachten kann ich mir hier die Zeit nehmen und nur genießen. Für mich einer der Favoriten auf diesem Album.

Das sich anschließende Save Us, einer der Hits auf jeden Konzert, lässt alle Herzen der eingefleischten Fans höher schlagen. Chris dunkle Stimme in Kombination mit Ulis glocken-klarer Stimme: ein wahrer Genuss. Der Regen fällt, eine einfühlsame Ballade gesungen von Chris, besticht mit Verletzlichkeit und einer Intensität an traurigen Gefühlen. Das Publikum ist restlos begeistert. Mit Lebe Deinen Traum gibt es wieder einen der Hits aus dem Blutengel Repertoire, aber eben in zurückgenommenem Arrangement Darbietung. Brillant von Chris und Uli gesungen und harmonisch abgestimmt auf Klavier und Akustikgitarre. Für mich auch einer der Musikperlen auf diesem Album.

Das sich anschließende Complete vom Album Leitbild ist dann wieder so typisch Blutengel und reiht sich ein in die anderen Hits auf diesem Album. Hier wird auch wieder durch Ulis Gesang  eine hypnotische Grundstimmung erzeugt und bereitet mir eine dicke Gänsehaut. Das sich anschließende Time besticht wieder durch eine Verletzlichkeit seitens des Gesanges von Uli. Dieser Track plätschert jedoch nur so dahin, was ich etwas schade finde. Weiter geht’s aber im Programm mit Wir Sind Was Wir Sind mit einem sehr aussagekräftigen Text. Durch diese reduzierte Version höre ich doch etwas aufmerksamer hin. Damit wird er zu einem Juwel auf diesem Album. Mit Scars gibt es einen schaurig traurigen Song. Durch die reduzierte Version und Chris Gesang wird dieses Gefühl bei mir noch enorm gesteigert. “Please Don’t Lose Yourself”. Der Himmel brennt kommt dann durch ein dominantes Klavier etwas bedrohlich herüber. Brillant sind hier das Duett von Chris und Uli, harmonisch aufeinander abgestimmt.

Mit You Walk Alone gibt es die Blutengel Hymne in einer doch ungewöhnlichen Version. Dieser kraftvolle Song, der auf keinem Konzert fehlen darf, dann so präsentiert zu bekommen, ist etwas ganz Besonderes. Das Publikum ist restlos begeistert, denn ich höre Beifallsbekundungen. Zugabe-Rufe sind zu hören und mit Reich mir die Hand wird auch schon viel zu schnell das Ende eingeläutet. Auch einer der Hits auf jedem Konzert. Ein großartiger Abschluss und auch diesem Track steht das reduzierte Klanggewand ausgezeichnet.

Fazit: Ein durch und durch gelungenes Hörerlebnis habt Ihr mit dieser Scheibe in Euren Händen. Intensiver Gesang, harmonisch abgestimmt mit Klavier und Akustikgitarre. Mit diesem Album könnt Ihr einfach genießen und Euch fallenlassen. Ich mag diese Kontraste zwischen den “normalen” Versionen und diesen Musikperlen. Herausragend sind der Gesang von Uli und von Chris. Die Texte sind richtig gut zu genießen. Ein einmalig intensives Hörerlebnis. Ich bin begeistert und drücke auf Play zurück zum Anfang.

Autorin: Katja Spanier

Es gibt ENDLICH ein Akustik-Album von Blutengel! *KREISCH!!!1!!*

Eigentlich war es ja nur eine Frage der Zeit. Ehrlich gesagt, hab ich mich sogar gewundert, warum Chris Pohl nicht schon viel früher auf die überaus geniale und sicherlich auch einträgliche (es sei ihm ja gegönnt!) Idee gekommen ist. Oh, Du fröhliche Erklärungsversuche …

Man merkt, so ganz unvoreingenommen bin ich nicht. Aber um das Ganze nun halbwegs fair bewerten zu können, bin ich an den Ursprung zurückgegangen und hab mich gefragt, warum man eigentlich mal angefangen hat, Akustik-Veröffentlichungen zu machen. Da ist auf der einen Seite die Reduzierung, deren Aufgabe es ist, die Quintessenz der Musik herauszuarbeiten. Oder anders ausgedrückt: Die ersten unplugged-Veröffentlichungen – hier zu nennen sind vor allem Giganten wie Eric Clapton, Nirvana oder R.E.M. – erschienen im Selbstverständnis, dass ihr Songwriting so gut war, dass es einer Nachbearbeitung durch ein Studio nicht bedurft hätte. Ein weiterer Aspekt von Akustik-Konzerten ist die intime Atmosphäre, in der sie stattfinden. Man kommt den Künstlern viel näher, es gibt Zeit und Raum für Hintergrundinformationen zur Entstehung von Songs oder Gefühlen, die der Künstler damit verbindet.

In der Theorie scheinen Blutengel, liest man den Text der Ankündigung von A Special Night Out – Live And Acoustic In Berlin, genau diese Überlegungen verfolgt zu haben. Dort ist von einem ehrlichen, zerbrechlichen, speziell entwickelten Sound die Rede, ohne Netz und doppelten Boden, intim auf einem neuen Level der Intensität. Des weiteren spricht man von einem besonderen Experiment (Anmerkung: ?!). Nun ja, an einer Stelle beteuert Herr Pohl doch tatsächlich, wenn auch ein bisserl halbherzig, dass er aufgeregt sei. Aber was bekommt man denn nun? 16 Songs von Blutengel, die man schon kennt und die auch hier nicht sonderlich anders klingen, als woanders auch. Die Authentizität beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass Ulrike Goldmann gleich im ersten Song (vermute ich) ihren Einsatz verpasst. Der speziell für dieses Set neu entwickelte Sound speist sich aus der Innovation (Anmerkung: Ironie!), dass Keyboard durch Piano und E-Gitarren, nun ja eben durch Gitarren ersetzt werden.

Selbstverständlich wird das Hauptziel eines Akustik-Sets erreicht: die Musik wird hinlänglich reduziert und die Quintessenz offen gelegt und damit leider auch die offensichtlichen, an anderer Stelle oft diskutierten Schwächen am Songwriting der Band. Was bleibt von Blutengel, nimmt man den orchestralen Bombast und die Elektro-Arrangements einmal weg? Auf A Special Night Out hört man es und das ist ziemlich (selbst-)entlarvend: übrig bleibt nicht viel mehr als Schlager. Und nee, das ist weder gemein, noch Geschmackssache. Das ist Empirie und leicht nachprüfbar. Das blöd zu finden, wäre Geschmacksache. Arrangements, wie von Black, wirken dadurch noch ein bisschen uninspirierter, Texte, wie von Wir Sind Was Wir Sind, noch ein Quäntchen flacher. Ja, das geht. Sei’s drum zu Weihnachten sind wir alle etwas milder gestimmt und empfänglicher für Schmusiges und Rundgelutschtes. Schlagartig wird aber auch klar, warum Herr Pohl auf A Special Night Out wieder so einsilbig ist. Nicht Zurückhaltung oder (Wer behauptet denn sowas?!) Arroganz ist der Grund – nein, über diese Art von Musik kann man einfach nicht viel sagen.

Meist bleib es bei einem gedehnten “Dankeschööön, Berlin!”, als müsste sich Herr Pohl selbst immer mal wieder ins Gedächtnis rufen, wo genau er da grad ist, und einem “Die nächste Nummer (Anmerkung: Aua!) kennt Ihr bestimmt auch!”. Ei, wo sind wir denn hier? Ei, was machen wir denn jetzt? Die Infantilisierung der eigenen Hörer … Insgesamt wirkt die Aufnahme deshalb indigniert und wenig sympathisch auf mich. Intime Momente konnte ich jedenfalls nicht ausmachen. Und so bleibt mir das Album letztlich auch dieses letzte Versprechen schuldig. Chris Pohl wird es überleben. Ich wahrscheinlich auch, denn es gibt so viel schöne Musik da draußen.

Echte … in echt. Versprochen!

Tracklist BLUTENGEL – A Special Night Out:

01. Krieger
02. Behind The Mirror
03. Black
04. Sing
05. Give Me
06. Wasting The Years
07. Save Us
08. Der Regen fällt
09. Lebe deinen Traum
10. Complete
11. Time
12. Wir sind was wir sind
13. Scars
14. Der Himmel brennt
15. You Walk Away
16. Reich mir die Hand

Weblinks BLUTENGEL:

Official: http://blutengel.de/
Facebook: https://www.facebook.com/BlutengelOfficial/

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