TIGER LOU – The Wound Dresser

TIGER LOU - The Wound Dresser
Geschätzte Lesezeit: 3 Minute(n)

7

Gesamtnote

7

Nachdem Rasmus Kellerman alias Tiger Lou bereits im Oktober 2013 ein Lebenszeichen an seine Fans sandte und in den beiden Folgejahren mit der Vorabsingle Homecoming #2 und der (limitierten) California Hauling EP bereits ein paar langersehnte Bröckchen über den Zaun warf, gibt es jetzt endlich den ganzen Tiger. The Wound Dresser, wie sich Longplayer #4 nennt, liefert mit seinen zehn Songs einen 40-minütigen Querschnitt aus dem bewährten Achtziger-angehauchten Sound der letzten drei Alben, welcher nochmal mit einer Extraportion herzzerreißender schwedischer Melancholie versehen wurde. Damit liefert der 36-jährige Kellerman, der im Studio nahezu alle Instrumente selbst einspielt, den passenden Soundtrack für den anstehenden Herbst.

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Etwas zögerlich startet You Town mit Klaviertippsern und etwas abgehacktem Gesang in die Platte, bis nach ca. einer Minute die übrigen Instrumente für mehr Dynamik im Spiel sorgen. Dabei bewegt sich Kellerman mit mehrstimmigem Gesang und dem prägnanten Keyboard in dem von ihm bekannten Soundgefilde, sodass man sich als “alter Hase” schnell heimisch fühlt. Leider ist das Arrangement ein wenig platt und entfaltet nicht die packende Wirkung seiner früheren Songs. Zudem ist die Idee, Kinderlachen/-geräusche  zu integrieren, auch etwas abgegriffen (u.a. Brody Dalle – I Don’t Need Your Love)…

Das eben bereits erwähnte Homecoming #2 hingegen kann mit seinem treibenden Schlagzeug-Beat und dem hymnischen Refrain um einiges besser an die Qualität der Songs aus den vergangenen Tagen anschließen und wurde nicht zu Unrecht als Single ausgekoppelt. Es mag sich vielleicht blöd anhören, weil hier nicht von Lebensmitteln die Rede ist, aber eine adäquate Bezeichnung für den Track ist vermutlich “frisch”. Neben dieser Single darf auch der gleichnamige Titeltrack der California Hauling EP nicht fehlen. Spätestens beim Refrain ertappt man sich dabei, wie man in seinem Kopfkino aus der Perspektive eines Umzugwagenfahrers Kalifornien im Sonnenuntergangs-Panorama sieht. Und schon überkommt einen Fernweh…

Zuviel Zeit zum gedanklichen Abdriften hat man allerdings nicht. Es folgt Undertow, dessen musikalische Umsetzung fast schon onomatopoetischen Charakter hat. Dieser Song könnte sich nahtlos ins zweite Album The Loyal einfügen, weist er doch in Sachen Drums Parallelen zum Titeltrack des 2005er Werks auf. Rein instrumental und sehr ruhig geht es anschließend auf Klavierstück Untiled #3 zu, bei dem entgegen des weitläufig bekannten Klischees kein zweites T fehlt. Wieviel Traurigkeit kann ein Mensch eigentlich in sich birgen?

Mit dem sechsten Titel, The Wound Dresser, hat Kellerman dann wieder mal einen Ohrwurm aus der Klassiker-Schublade gezogen. Eigentlich sollte man ihm den Innovationsmangel vorwerfen, stattdessen ist man aber irgendwie dankbar für die Eingängigkeit und so bleibt der Refrain schnell im Hirnschmalz kleben, bis er vom ebenfalls als Single veröffentlichten Leap Of Love abgelöst wird. Auch hier gibt es wieder ein dominantes Schlagzeug, welches sich durch stoisches Stampfen (Alliterationen sind so int Veen!) auszeichnet und mit einer dezenten Gitarre gepaart wird, deren Einsatz sich im Laufe des Songs für schwedische Verhältnisse fast schon ins Dramatische steigert.

The Bones Of Our History beginnt mit einem Keyboardintro, welches wie eine dieser schrecklichen Türklingeln klingt und endet abrupt. Dazwischen gibt es Midtempo mit langgezogenem Refrain und einen kurzen Rückblick auf ein romantisiertes Teen-Rebellen-Szenario klingt: Nikotinatem, für den man zu jung war und ein gestohlenes Fahrrad, auf dem man nachts zu zweit zum Strand fuhr. Irgendwie süß.

Düster, schwer und ein weiteres Mal instrumental schließt sich Rhodes an, was sich möglicherweise als Ode an die winzige Gemeinde an der französischen Mosel versteht. Abgerundet wird das Album schließlich von So Many Dynamos, dessen choraler, repetitiver Gesangspart in Kombination mit dem markanten Basslauf auch als Teil einer B-Seite von Tool durchgehen könnte. Das lange instrumentale Outro des Tracks bildet zugleich einen passenden Ausklang für den gesamten Longplayer.

Im Kontext seiner bisherigen Alben erscheint The Wound Dresser wie eine logische und konsequente Fortsetzung der bisherigen Alben: War Is My Head Still On? noch etwas unbeschwerter, verdüsterte sich der Sound auf The Loyal und A Partial Print zunehmend und wurde auf letztgenanntem Werk insgesamt etwas “technischer” und sperriger. Acht Jahre später (lässt man The 24th von 2010 unter seinem Namen außen vor) hat man sich scheinbar vorgenommen, ein zweites The Loyal zu veröffentlichen, was leider nicht ganz gelingt. Zwar ist das Album nach der langen Wartezeit ein sehr schönes Lebenszeichen für alte Fans und kann sicherlich den ein oder anderen neuen hinzugewinnen, aber die “großen Knaller” wie Nixon (The Loyal), Crushed By A Crowd (A Partial Print) und Oh Horatio (Is My Head Still On?) vermisst man hier leider.

Tracklist TIGER LOU – The Wound Dresser:

01. You Town
02. Homecoming #2
03. California Hauling
04. Undertow
05. Untiled #3
06. The Wound Dresser
07. Leap Of Love
08. The Bones Of Our History
09. Rhodes
10. So Many Dynamos

Weblinks TIGER LOU:

Homepage: www.tigerlou.net
Facebook: www.facebook.com/TigerLou.official

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