„Der wohl beste deutschsprachige Longplayer der Neuzeit“
„Leichtmatrosen haben es schwer“ sang Andreas Stitz alias Leichtmatrose auf seinem Debüt Album Gestrandet, jetzt widerspricht er sich aber plötzlich gar selbst und zeigt mit seinem neuen Album Du, Ich und die anderen auf, dass Leichtmatrosen durchaus in der Lage sind, einen Ohrwurm nach dem anderen in den Äther zu schicken. Im von ihm kreierten Elektro-Chanson fühlt er sich sichtlich wohl, kann er doch all das herausposaunen, was ihm durch seinen vielbeschäftigten Kopf schwirrt. Als Bewährungshelfer und melancholischer Mensch bekommt man eben eine Menge vom „wahren Leben“ mit und ein aufmerksamer Beobachter benötigt da spürbar ein Ventil, um all diese intensiven Eindrücke verarbeiten zu können. Einst behaupteten Tocotronic „Über Sex kann man nur auf Englisch singen, denn allzu leicht könnt’s im Deutschen peinlich klingen“ und sprachen damit streng genommen sogar nur die halbe Wahrheit, denn auch bei vielen anderen Themen überspannen die meisten deutschen Texter die Grenze zur Fremdscham beim Hörer um Längen. Nicht so aber Andreas Stitz, der sich wieder einmal als Wortakrobat erster Güte auszeichnet und die Gratwanderung zwischen lyrischem Anspruch und Gossensprache perfekt meistert. Er verfällt nicht in bloße Schwarz-Weiß-Malerei, sondern erzählt die Geschichten, wie sie in der Realität tatsächlich ablaufen, mit all ihren Höhen und Tiefen. Kein Wunder also, dass man seine Texte so gut nachempfinden kann. Gefühle der Liebe zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt (Damals im Leben (was für ein Jahr)) gehören da ebenso zur Rezeptur wie Kriegstraumata (Hier drüben im Graben) oder Selbstüberschätzung sowie Reiz und Verderben von Drogen und Partyspaß jeglicher Couleur (Jonny fand bei den Sternen sein Glück). Und eins ist gewiss: Ganz gleich wie positiv ein Song bei Leichtmatrose vielleicht startet, das perfekte Hochgefühl gibt es nicht, denn das Leben birgt stets Fallstricke und Gefahren – doch ist es nicht genau das, was es irgendwie auch spannend bleiben lässt? Für Spannung ist dank kraftvoller Texte und abwechslungsreicher Musik zwischen eindringlichen Balladen, treibendem Rock und Mitfeierrefrains auf Du, ich und die andern jedenfalls gesorgt, was das Album zum wohl besten deutschsprachigen Longplayer der Neuzeit macht. Wie bezeichnend, dass Leichtmatrose da auch gleich noch eine wunderbare Neuinterpretation des Stephan Sulke Songs Ich Hab Dich Bloß Geliebt heraushauen, in deren Fahrwasser Herbert Grönemeyer, der den Song 1983 ebenfalls coverte, vermutlich versinken dürfte. Den verdienten Ritterschlag erhält das Werk daher von niemandem Geringeren als Herbergsvater Joachim Witt, der das Album mit seiner ausdrucksstark-düsteren Stimme in einem Duett mit dem Leichtmatrosen zusätzlich adelt – Mehr Intensität geht nicht!
Tracklist LEICHTMATROSE – Du, Ich und die andern:
01. Dalai Lama
02. Ich Hab Dich Bloß Geliebt
03. Sternenstaub
04. Jonny Fand Bei Den Sternen Sein Glück
05. Hier Drüben Im Graben (feat. Joachim Witt)
06. Damals Im Leben (Was Für Ein Jahr)
07. Adieu Marie
08. Liebe Und All Dieser Scheiß Der Mal War
09. Besser Nicht
10. Reingelegt
11. Atlantis (feat. Dorian E)
12. Wenn Du Sagst, Dass Du Mich Liebst
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