JOACHIM WITT & LEICHTMATROSE – Köln, Live Music Hall (10.05.2014)

JOACHIM WITT & LEICHTMATROSE - Köln, Live Music Hall (10.05.2014)
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L’Allemagne: douze points! Dass wir diesen Satz am Abend des diesjährigen Eurovision Song Contests nicht hören durften, liegt vermutlich daran, dass die 12-Punkte Kandidaten heute auf einer ganz anderen Bühne fernab von Kopenhagen, nämlich in der Kölner Live Music Hall stehen.

Nachdem es lange Zeit ruhig um den NDW-Helden Joachim Witt geworden war, schöpfte dieser in den vergangenen Jahren zur Freude seiner Fans endlich wieder aus dem Vollen und bespielt in diesem Jahr im Rahmen seiner Neumond-Tour die Bühnen der Republik, im Gepäck seinen Ziehsohn Andreas Stitz – aka Leichtmatrose.

Letzterer setzt an diesem Abend mit seiner gut gelaunten Band um 19 Uhr verhältnismäßig früh den Startschuss, findet sich aber dennoch vor einigen vorfreudigen Fans wieder. Bei fast vollkommener Dunkelheit erklingen die ersten wabernden Töne von Der einsame Astronaut und obgleich wir hier und heute alles andere als einsam sind, berührt die mitschwingende Melancholie unseren empathischen Kern. Und um uns nicht lange in dieser Emotionalität schwelgen zu lassen, treiben wir schon bald weiter durch zarte Poplandschaften, stets mit Sinn, Verstand und Herz. JOACHIM WITT & LEICHTMATROSE - Köln, Live Music Hall (10.05.2014)Die Texte von Leichtmatrose verstehen sich zu jedem Zeitpunkt mit einem zwinkernden Auge und ein Teil der Menge schafft es schnell, das Wesen der Musik zu erfassen, sich treiben zu lassen, mitzufühlen und mit zu schmunzeln. Spätestens bei dem bitterbösen, textlich nahezu genialen Stück Reingelegt haben Leichtmatrose einen Großteil der Menge erreicht und lösen entsprechende Reaktionen aus. Bei alledem schafft es Frontmann Andreas Stitz so gut wie kein anderer, jeden Ton gestisch und mimisch passend zu untermalen und zieht nicht zuletzt damit die Blicke auf sich. Theatralik pur – im guten Sinne! Um den Rundumschlag des Leichtmatrose-Werks zu komplettieren, dürfen natürlich auch die aktuellen Nummern wie das mitreißende Jonny fand bei den Sternen sein Glück (Anders sein), bei dem einige Fans immer wieder die Hände in die Höhe reißen, oder die Gänsehaut-Hymne Hier drüben im Graben, die der Genius ursprünglich mit Ziehvater Joachim Witt im Duett eingespielt hat, nicht fehlen. Auch wenn es die passionierte Band bei dem Kölner Publikum heute Abend alles andere als leicht hat, aber spätestens bei letztgenanntem Gänsehaut-Garanten stellen sich die feinen Härchen auf. Kein Wunder, dass lautstark eine Zugabe gefordert wird (die aus Zeitgründen leider nicht gegeben werden kann), als das Dreiergespann, von dem Gitarrist Kay Lehmkuhl heute leider seinen letzten Auftritt im Gefüge Leichtmatrose hat, die Bühne verlässt. Ein wirklich großartiger Start in einen musikalisch spannenden Abend!

Setlist Leichtmatrose:
01. Der einsame Astronaut
02. Dalai Lama
03. Sexi ist tot
04. Ich hab’ dich bloß geliebt (Stephan Sulke Cover)
05. Reingelegt
06. Jonny fand bei den Sternen sein Glück (Anders sein)
07. Hier drüben im Graben

Nach einer kurzen Umbaupause wird es dann wieder beinahe stockfinster auf der Bühne und sphärische Klänge umschmeicheln das Ohr, bevor die Stimme Joachim Witts zu Neumond erklingt – der perfekte Opener für diesen Abend. „Wer fügt sich schwer dem Herdentrieb? Wer fällt schon gerne durch das Sieb? Wer ist der Klotz mit Muttermal? Der Schüchterne mit Seelenqual?… Ich glaube, das bin ICH!“ Wenig später steht der Meister dann selbst auf der Bühne und die freudige Spannung entlädt sich in einem sich überschlagenden Jubel. Nahtlos angeknüpft wird mit weiteren Krachern des aktuellen Neumond, mit dem Witt sichtlich einiges an neuen Fans dazu gewinnen konnte, die hier und heute die Texte wie aus dem Effeff mitsingen und ihr Gefallen lauthals bekunden. Neben den berauschenden, treibenden Sounds und der emotionsbeladenen Textung schaffen auch Licht- und Nebeleffekte einiges an Stimmung, wie beispielsweise bei Mein Herz, bei dem die Bühne in rotes Licht gehüllt und von Nebelschwaden überwabert wird. Und da wir heute das umfang- und abwechslungsreiche Repertoire des Altmeisters scheinbar von hinten aufrollen, reihen sich Songs wie Gloria oder Königreich nahtlos ins Set ein, bevor wir zu alten Klassikern überschwenken. Zwischendurch hält Joachim immer wieder die eine oder andere Anekdote bereit und sorgt damit für den einen oder anderen Schmunzler.JOACHIM WITT & LEICHTMATROSE - Köln, Live Music Hall (10.05.2014) Dieser nicht langweilig werdende Schwank aus seinem Leben, das ist es, was den gebürtigen Hamburger heute Abend ganz besonders sympathisch erscheinen lässt, ohne dabei zu greifbar für seine Fans zu werden. Eine wirklich gelungene Mischung zwischen dem unnahbaren Künstler und dem Menschen wie du und ich!

Obwohl die neuen Songs bei der Menge ausgesprochen gut live ankommen, sind es vor allem die altbekannten Klassiker, die die Stimmung abermals anheben. Ob Das geht tief, das Silly Cover Bataillon D’amour oder das Witt-Heppner-Duett Die Flut, das Witt heute alleine darbieten muss (schade eigentlich! Das wäre doch eine gelungene Überraschung gewesen, wenn Musikerkollege Peter plötzlich auf der Bühne stünde)… jeder Ton schlägt ein wie eine Bombe und sorgt für wahre Höhepunkte. Dass das lange noch nicht alles ist, wird klar, als wir den Herren auf der Bühne nach dem Hauptset noch Smasher wie Eisenherz, Goldener Reiter oder Tri Tra Trullala (Herbergsvater) entlocken können. Ein wirklich krönender Abschluss! L’Allemagne: douze points!

Setlist Joachim Witt:
01. Neumond
02. Aufstehen
03. Die Erde brennt
04. Mein Herz
05. Es regnet in mir
06. Bis ans Ende der Zeit

07. Ohne dich
08. Spät
09. Dein Lied

10. Gloria
11. Königreich
12. Das geht tief
13. Bataillon D’amour (Silly cover)
14. Die Flut
15. Supergestört und superversaut (Z)
16. Eisenherz (Z)
17. Goldener Reiter (Z)
18. Tri Tra Trullala (Herbergsvater) (ZZ)

Joachim Witt:

Leichtmatrose:

Fotos: Michael Gamon

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