Hangar Stage
Den Anfang des zweiten Festivaltages auf der Hangar Stage machte niemand anderes als Kai Meyer, der eine Lesung u.a. seiner Arkadien-Trilogie zum Besten gab. Die Zuschauer in der teilbestuhlten Halle lauschten bedächtig den Worten des Schriftstellers, der auch aus seinem ersten Erfolg der 90er Jahre – Die Alchimistin – vortrug. Gesanglich unterstützt wurde er durch Alexander „Asp“ Frank Spreng von ASP, der zwei von den Arkadien inspirierten Songs begleitet an der Akustikgitarre vortrug. Weiter ging es mit der Dark Metal Band Eden weint im Grab, die den Zuschauern Songs wie Gespenster Revue im Theater Obszön, An die Nacht und Moritat des Leierkastenmanns kredenzte. Die britische Band In the Nursery ist wohl eine der bekanntesten Neo Klassik Gruppen schlechthin. Die Zwillinge Klive und Nigel Humberstone sind mit dem Projekt bereits seit 1983 unterwegs und spielten eine Mischung aus alten und neuen Hits, z.B. A Rebours (in einem tanzbaren Remix), Crepuscule und Lectern vom neuen Album Blind Sound. Die stimmliche Leistung der Sängerin Dolores Marguerite C passte sehr gut zur soundtrackähnlichen, oft pathetischen Musik und die Brüder zeigten an Keyboard, Gitarre und Drums, dass sie nicht nur tolle Melodien zaubern können, sondern auch gute Livemusiker sind. Das Ambiente, welches sie in den Hangar zauberten, war einfach unbeschreiblich schön und verleitete das Publikum zu einigen Zugaberufen. Ein ähnliches Gefühl wusste die niederländische Band Clan of Xymox zu erzeugen, denn das Quartett, welches immer für gute Konzerte bekannt ist, musste sich nicht groß anstrengen, um Stimmung zu erzeugen. Wie es sich für „Altgothics“ gehörte, spielten ein gutgelaunter Ronny Moorings und seine Clanmitglieder mit viel blau-grünem Licht und einer Menge Bühnennebel ihre größten Smasher wie Emily, Moscovite Mosquito, Jasmine And Rose und A Day. Bei Louise, einem der schönsten Waverock Songs aller Zeiten kamen Erinnerungen an unvergessliche Zeiten auf den dunklen Dancefloors der Nation auf und man begann unweigerlich zu Träumen und zu Tanzen. Kaum hatte man sich umgeschaut, spielte die Band bereits ihr letztes Stück Venus vom Cover Album Kindred Spirits, welches nur teilweise überzeugen konnte. Nachdem das EBM/Futurepop Projekt [:SITD:] aus dem Ruhrgebiet die Fans mit ihren harten Beats und tiefgehenden Texten zu begeistern wusste, war es Zeit für einen weiteren Leckerbissen audiovisueller Art: Kirlian Camera aus Italien sind immer ein Anschauen wert, da die Band sich seit über 30 Jahren immer wieder neu erfindet und mit der Augenweide Elena Alice Rossi, deren Stimme den Zuhörer sofort in ihren Bann zieht, eine sexy Frontfrau aufzuweisen hat. Im schicken weißen Hemd und lasziven Posen verbreitete sie Erotik pur, Mastermind Angelo Bergamini als Maskenmann bediente die Tasten und zwei Gitarristen sorgten für rockige Attitüde. Die Gruppe hatte ihre Hits Nightglory, K-Pax, Eclipse und Edges im Gepäck und kam vom ursprünglich rein elektronischen Ansatz aufgrund Gitarre und Cello weg, was den Songs eine weitere Ebene aufzeigt. KC zeigten, wie sie den gut gefüllten Hangar begeistern konnten, indem sie u.a. dem Pink Floyd Klassiker Perfectly Numb neues Leben einhauchten. Chris Corner, Sänger und Enfant Terrible der britischen Band Iamx musste leider aus gesundheitlichen Gründen absagen, aber schnell haben die Veranstalter einen mehr als würdigen Ersatz gefunden. Zeromancer brachten songorientierten Synthrock der Extraklasse, der sofort ins Ohr geht auf das Parkett. Die Fans hatten das Vergnügen, Songs wie Sinners International, Neo Geisha und Doppelgänger i love You zu genießen und taten dies auch ausgiebig. Der musikalische Funken und das sympathische Erscheinen der nordischen Jungs taten das Übrige, um aus dem „Ersatzkonzert“ etwas Besonderes zu machen. Fast ergreifend war der Moment, als Zeromancer Chris Corner gute Besserung wünschten und kurz den Iamx Song After Every Party I Die anspielten. Die Kultcombo Front Line Assembly war die letzte Band dieses Festivals auf der Hangar Stage und feierte mit ihren Fans diesen Umstand mehr als ausgelassen. Düstere, nebelverhangene Bühne mit viel Elektronik aber auch ein analoges Drum im Livesetup, das sind die Zutaten eines FLA Konzertes. Frontman Bill Leeb, der in Kanada lebt und gebürtiger Österreicher ist, schlenderte oft teilnahmslos über die Szene und brachte Tracks wie Mindphaser, Plasticity und Stücke vom aktuellen Album Echogenetic an die Öffentlichkeit. Die teils brachiale Elektronik mit einigen Metaleinflüssen kam sehr gut an und was man gerne vergisst: hinter all der Energie und Härte verbergen sich oft ausgefeilte Kompositionen mit guten Melodien. Der perfekte Abschluss eines tollen Konzertabends.
Main Stage
Nachdem die Bands Schwarzer Engel und Unzucht den Festivaltag an der frischen Luft eröffnen durften und vor allem Letztere schon durchaus einige Fans vor die Bühne gelockt hatten, stand bereits schon die nächste Attraktion in den Startlöchern. Beginnend mit dem Tanz der Zuckerfee von Tschaikowsky als Liveintro betraten Coppelius die Open Air Bühne in Hildesheim und zeigten, dass Metal mit klassischen Instrumenten wie Cello und Klarinette durchaus funktionieren kann. „Guten Morgen meine Damen und Herren“, wurden die Fans in förmlicher Anrede mit Olaf Schubert Attitüde begrüßt. Stark geschminkt und teilweise in Smoking und im Steampunk Outfit sang und spielte die Band ihre deutschen Texte in Stücken wie Bitten, Danken, Petitieren oder Risiko. Die phantasievolle Show mit Theatereinlagen (u.a. mit Litfaßsäule auf der Bühne) rockte gut nach vorne in den wolkenverhangenen Sommerhimmel und die Zuschauer werden sich folgenden Satz in Zukunft gut merken: „Coppelius hilft!“ Auch die anschließende Band kam mit einer netten Einleitung daher, nämlich die Titelmelodie der Vampirserie True Blood (Jace Everett – Bad Things), die aus den Boxen donnerte, bevor die Show beginnen konnte. Die Goth’n’Roll Band The 69 Eyes aus Finnland feierte jüngst ihr 20-jähriges Bestehen und begrüßte ihre Fans mit den Worten "We are the Helsinki Vampires". Und das konnte man fast wörtlich nehmen, denn die Jungs legten sich so sehr ins Zeug, dass sie fast die ganze Lebensenergie der partywütigen Menge aussaugte. Gothic Girl, Tonight und Sleeping with Lions – um nur einige Titel zu nennen – taten ihr Übriges, um für ein schönes Live Erlebnis und zufriedene Gesichter zu sorgen. Die beiden doch sehr unterschiedlichen Bands Tanzwut und Staubkind zeigten anschließend mit guter Laune an der frischen Luft ihr Können. Auch die norwegische Band Apoptygma Berzerk hatte etwas zu feiern, nämlich ihre treuen Fans, die es sich nicht nehmen ließen, alles zu geben, um dem Konzert „das Gewisse etwas“ zu verleihen. Non-stop Violence war sicherlich kein schlechter Start für ein Liveset und Eclipse in einer sehr interessanten neuen Version war auch keine schlechte Wahl, die gute Songauslese der APB Gassenhauer zu untermauern. Bei Is There Something I Should Know? verabschiedeten sich Gitarrist und Drummer von der Bühne und Stephan Groth hatte auch quasi alleine die Meute im Griff. Ein Höhepunkt des Gigs war sicherlich Starsign und die neue Single Major Tom (Die englische Version des Peter Schilling Songs Völlig losgelöst), der der Meinung Stephans nach der beste Song ist, der je geschrieben wurde. Und man muss gestehen, dass das Lied live sehr gut ankam und der Keyboarder sang den Chorus inbrünstig zusammen mit den Festivalbesuchern in deutscher Sprache. Im Anschluss daran zeigten Blutengel ihren üblichen Mummenschanz
mit blutigen Mädchen und nur mit einem einzigen Livemusiker (nämlich dem Drummer) auf dem Hildesheimer Podium. Die Erfinder der Electronic Body Music, die belgische Gruppe Front 242, erhob sich aus dem roten Nebel mit Drumkit und der klassischen zwei Sänger-Konstellation und zeigte sich von ihrer besten Seite, als sie tausenden von Electroheads Tracks wie Body to Body, Quite Unusual und No Shuffle (In einer fast schon lahm zu nennenden Version) aus den Boxen drückte. Bei diesem Auftritt zeigte sich wieder mal, dass Electrobands besser in der Halle aufgehoben sind, da synthetische Sounds den Widerhall von vier Wänden benötigen, um die volle Kraft zu entfalten. Nichtsdestotrotz gab es genügend „Tanzwut“, da die beiden Herren Jean-Luc De Meyer und Daniel Bressanutti Vollprofis sind und genau wissen, wie sie den Smasher Headhunter am besten unter die Leute bringen. Alles Schöne muss leider auch ein Ende haben, denn nach gefühlten zwei Stunden stand auch schon der Headliner und somit auch die letzte Band auf der Bühne. Die Symphonic-Metal Gruppe Nightwish ist eine der erfolgreichsten Metalbands Finnlands und ihren Ruf verteidigten die Musiker mehr als eindrucksvoll, denn ihre Show mit hohem Unterhaltungswert suchte seinesgleichen. Mit der Gastsängerin Floor Jansen (Nachdem erst Tarja Turunen und nun auch Anette Olzon die Band verließen) im Gepäck präsentierte die Ausnahmeband auf ihrer letzten Show der Imaginaerum Tour einen rockig-melodiösen Querschnitt ihrer besten Songs wie Dark Chest Of Wonders, Everdream und den neuen Stücken Storytime und Last Ride Of The Day. "How loud can you really be?" rief die stimmgewaltige und attraktive Floor den Fans zu und veranstaltete eine Art Schreikonzert mit dem Publikum. Auch Bassist Marco Hietala trieb seine Späßchen mit den Massen: "Say something nice to your Girlfriend: ich liebe Wurst“! Das ist nordischer Humor! Und ebendiesen mussten die Besucher des M´era Luna Festivals auch haben, denn jeder schöne Tag hat mal ein Ende. Aber einen kleinen Trost gab es: die Aussicht auf ein weiteres tolles Festival im kommenden Jahr.
Wir haben für euch eine Galerie mit Bildern des zweiten Tages zusammengestellt, die ihr hier oder durch Anklicken der Bilder erreichen könnt:
Galerie M’era Luna Festival Tag 2 (Sonntag, den 11.08.2013)
Autor: Frank Stienen
Fotos: Cécile Hautefeuille (Apoptygma Berzerk & Kai Meyer: Michael Gamon)
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Galerie M’era Luna Festival Tag 2 (Sonntag, den 11.08.2013)