Den Auftakt auf der gut besuchten Freilichtbühne des Stuttgarter Killesberg machen fünf Star-Walküren in nerdigen Outfits, die uns mit norwegischem Folk ungewöhnliche Klänge näherbringen. Die Valkyrien Allstars aus Oslo begleiten Katzenjammer auf ihrer aktuellen Tour und nach einer kurzen Auftauphase lauscht das Publikum durchaus angetan den Klängen der drei Hardangerfiedeln, die von einem Kontrabassisten und Schlagzeug untermalt werden. Leadsängerin Tuva Livsdatter Syvertsen singt nicht nur, sondern fiedelt ebenfalls eifrig. Optisch kommt die Band eher kantig mit Hang zum Schlumpfigen daher, einzig Ola Hilmen mit Fliegerbrille und Stylerfrisur sorgt für ein wenig Rockstar-Ambiente.
Wer nicht viel Zeit fürs Anziehen braucht, hat mehr Zeit für die Musik. Die Band versinkt in ihrer eigenwilligen und poetischen Musik, auch wenn es sich nach eigener Aussage nur um drinking songs handelt. Zwar sind die Texte durchweg auf Norwegisch verfasst und auch die Musik erinnert an Shanties und nordische Folkweisen, durch Elemente aus Jazz und Rock wird aber ein unverwechselbarer Sound geschaffen, der beim Stuttgarter Publikum gut ankommt. Langsame Blues-Stücke wechseln mit flotten Songs ab, in denen Schlagzeug und Bass kraftvolle Rhythmen vorgeben und die unsere Füße zucken lassen.
Nach einer halben Stunde verabschieden sich die Jungs und das blondgelockte Mädel mit der Stuttgart-Käppi und machen die Bühne frei für die vier heiß ersehnten Damen des gepflegten Katzenjammers.
Kaum die Bühne erklommen, geht es auch schon los mit dem flotten Opener Ouch, der auf der neuen Live-CD A kiss before you go – live in Hamburg zu finden ist. Marianne Sveen singt das rock’n’rollige Lied mit der ihr eigenen tiefen Rockröhren-Stimme, aber bei dieser Band ist kein Platz sicher. Das fröhliche Instrumente-wechsel-dich wird bei jedem Lied zelebriert und es wird klar, dass hier umfassende musikalische Ausbildungen zu bewundern sind. Jede der Damen beherrscht nicht nur einen jeweils sehr charakteristischen Gesang, sondern auch mindestens drei Instrumente. Neben Schlagzeug und Gitarre finden sich nebst vielen weiteren so ungewöhnliche Arbeitsgeräte wie Mandoline, Banjo, Akkordeon, Mundharmonika und eine katzenartig grinsende Bass-Balaleika. Der Reigen der Instrumente macht einen Teil der Klangvielfalt der Band aus, aber ebenso sorgen die unterschiedlichen Stimmen und Charaktere der Bandmitglieder für Abwechslung.
Marianne begrüßt uns mit einem markigen „SCHTUTTGARRT!“ und lädt uns ein, beim Demon Kitty Rag diverse nicht jugendfreie Körperteile wild zu schütteln. „Are you ready to shake your legs?“ war da eine der harmloseren Ansagen.
Mit den Klassikern Rock-Paper-Scissors und To The Sea gehen die Damen auf Nummer Sicher, denn hier kann jeder mitsingen, wozu wir auch wiederholt aufgefordert werden. Da sich leider niemand namens Brunhilde im Publikum findet, dem man ein eigens signiertes und großzügig beschwitztes Tour-Shirt überreichen könnte, fällt diese Ehre „ the one most looking like a shark“ zu. Oh Wunder, ein Hai in voller Montur durchschwimmt die Massen. Bei den sommerlichen Temperaturen hat er sich dieses Präsent hart verdient.
Die ruhigere Nummer Lady Marlene wird von Anne Marit und Solveig Heilo am Keyboard vorgetragen, danach ist Deutschstunde angesagt. Anne Marit eröffnet uns, dass sie nicht nur weiß, wie man auf Deutsch eine Pizza mit Knoblauch bestellt, sondern auch Durchfall hat. Als neues Wort nimmt sie heute „Maultasche“ mit, aber eine Pizza mit Maultaschen ist selbst im Schwabenland schwer zu kriegen.
In atemberaubendem Tempo geht es weiter durch die Show, die Instrumente werden wild gewechselt und das Publikum lässt sich mitreißen. Einige haben Norwegen-Flaggen mitgebracht, die zu schwenken sie nicht müde werden. Die Mädels auf der Bühne haben eine Energie mitgebracht, die schier unerschöpflich scheint und vor allem Marianne hüpft, rennt und schreit sich die Seele aus dem Leib. Ihr Keyboard-Auftritt zu On The Devil’s Back hat ekstatische Qualitäten und sorgt für den ein oder anderen offenstehenden Mund.
Im Unterschied zu Bands, bei denen die Rollen klar verteilt sind, besticht hier jede der vier zwar durch eine ganz eigene Persönlichkeit und Ausstrahlung, trotz der Unterschiede herrscht aber Einigkeit und Gleichberechtigung auf der Bühne. Mal vorne, mal hinten, musikalisches Können paart sich mit einer sichtlich unbändigen Freude am gemeinsamen Musizieren. Für eine einzige Schublade ist diese Gruppe viel zu variantenreich, aber Country-Rock-Folk-Jazz-Polka-Pop beschreibt es ziemlich genau. Berührungsängste kennen sie nicht, wenn es gerade nicht zusammenpasst, haben sie erst den größten Spaß. Der Stilbruch prickelt angenehm im Ohr, denn hier wird man nicht mit wohlgefälligem Mainstream-Pop versorgt, sondern bekommt die geballte Power eines wilden Stilrichtungs-Mixes, der Blüten in Form von melancholischen Chansons, burlesk treibenden Weisen und poetisch glasklaren Ansagen treibt.
So bleibt uns nach einem Abend mit Katzenjammer ebendieser erhalten, denn auch das schönste Konzert geht leider auch einmal zu Ende. Dennoch werden wir mit nicht weniger als drei Zugaben belohnt, fürs Finale Gypsy Flee werden auch die Valkyrien Allstars noch einmal auf die Bühne geholt und im Anschluss haben die norwegischen Gäste sogar noch Zeit für eine Autogrammstunde.
Setlist:
01. Ouch
02. Demon Kitty Rag
03. Rock-Paper-Scissors
04. To The Sea
05. I Will Dance (When I Walk Away)
06. Lady Marlene
07. Play My Darling Play
08. Scandinavian tune
09. Mother Superior
10. Land Of Confusion
11. Loathsome M
12. Cocktails And Ruby Slippers
13. A Bar In Amsterdam
14. Der Kapitän
15. Lollipop
16. He Ho On The Devil’s Back
17. God’s Great Dust Storm (Z)
18. Ain’t No Thang (Z)
19. Gypsy Flee (Z)
Bilder des Konzerts befinden sich in unserer Konzertfotos Sektion (Bildkommentare sind durch Anklicken der Sprechblase möglich) oder direkt durch Anklicken der Bandfotos.
Katzenjammer:
Valkyrien Allstars:
Text: K von Koriolis
Fotos: Jesko Mägle