Blutengel – Tränenherz

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7 Bewertung

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7.5

Blutengel – TränenherzBlutengel - Tränenherz

Blutengel - Tränenherz

Dass es eine Szeneband in die höheren Bereiche der deutschen Charts schafft, ist seit Unheiligs Erfolg sicherlich nichts allzu Verwunderliches mehr. Dass es jedoch eine Band, die die Szene ohnehin spaltet, die zum Teil einfach nur belächelt wird und gar Spott erntet, dann aber auf Platz 12 der Deutschen Album Charts schafft, verwundert mich dann doch. Die Rede ist von Blutengel, dem Projekt von Mastermind Chris Pohl. Hört man sich in die recht umfangreiche Diskografie der Elektro- Pop- Band rein, wird schnell klar, dass die Songs oft gleich klingen: ein treibender, gefälliger Grundrhythmus, die Texte klingen stets gleich düster klischeehaft und an Popelementen wird auch selten gespart. Was ist also nun bei dem neuesten Werk „Tränenherz“ anders?

Gestartet wird mit einem Intro, dem „Tränenherz Prologue“. Düstere Stimmung, ein bisschen Regen und Gewitter und skurril verzerrte Hintergrundgeräusche, immer wieder aufflackernder leiser Chorgesang und eine Kirchenglocke, die das Ganze geschehen einläuten oder einleiten soll. Nichts Besonderes und mit über 3 Minuten Dauer entschieden zu lang, aber warten wir mal ab, was da noch kommt. Mit „Über Den Horizont“ geht es Blutengel-typisch dann los: an Pop wurde auch hier nicht gespart, der deutsche Text spricht von Einsamkeit, dunkler Verführung und dem gemeinsamen Flug über den Horinzont. Kitschig wie eh und je, aber dennoch ist der Text hier nicht so platt wie bei vielen anderen Blutengelsongs. Und es klingt irgendwie gut; der Refrain sorgt bei mir jetzt schon für einen Ohrwurm. Der nächste Track „The Lost Children“ stellt sich für mich sofort als bester Blutengelsong, den ich je gehört habe, heraus. Englischer Text, der zwar nicht besonderen Englischkenntnissen bedarf um ihn zu verstehen, gepaart mit einem stimmstarken Chris Pohl und einer eingängigen, gefälligen Melodie. Eingängige Melodien sind zwar das, was Blutengel auszeichnet, aber in dem Fall klingt es wirklich nicht so kindisch wie bei vielen anderen guten Songs der Band. Hut ab, Chris!

„Save Me“ und „Irgendwann“ klingen dann wieder nach den typischen Blutengelsongs, der eine etwas düsterer, der andere etwas poppiger, aber stets der Gefälligkeit verschrieben. „Irgendwann“ könnte ohne Chris Pohls dunkle Stimme auch ein neumodischer, ultrapoppiger Schlager sein.
„The Watcher“ klingt erst einmal gar nicht so sehr nach Blutengel. Poppige Bands gibt es in der Szene schließlich genug. Verzerrte Stimmen und ein treibender Grundrhythmus leiten den Song ein, als Blutengelwerk identifiziert er sich erst, als der Gesang einsetzt und man auf den Text achtet, der auch von einem anderen Blutengelstück stammen könnte. Der Anfang des Songs war toll, leider lässt er zum Schluss etwas nach. „Ordinary Darkness“ folgt; im Wechsel tönt hier weiblicher und männlicher Gesang aus den Boxen. Der Refrain ist süßlich poppig, aber mir persönlich gefällt der Song sehr. Grundsätzlich wurden hier viele überladende Elemente ausgeblendet und der Rhythmus ist etwas reduzierter. Das gefällt und erinnert ein bisschen an ältere Stücke der Band, klingt aber in sich doch viel erwachsener und das Trotz des kitschigen Textes, der anhand des Songnamens ja bereits vermutet werden musste. „Reich Mir Die Hand“ wird mit einem Pianosolo eingeleitet, geht dann aber über in eine deutsche Pophymne. Es klingt nach Blutengel, aber dann auch wieder nicht. Ob es für gut oder schlecht befunden wird, muss jeder Hörer selbst entscheiden. Mir selbst gefällt der Song nur bedingt. „Down on My Knees“, „Doomsday“ und „Undone“ klingen wieder sehr stark nach der düster- poppigen Chris Pohl Handschrift. Kunst ist das sicherlich nicht, aber eben auch nicht schlecht. Treibende Gefälligkeit erwartet uns dann auch wieder bei „The End“, aber Trotz des Frauengesanges, den ich grundsätzlich immer für problematisch erachte – nicht nur bei Blutengel, sondern generell bei Elektro- Pop- Stücken – klingt das Ganze doch recht solide. Aus diesem Song hätte man mit einem anderen Text und einer anderen Gesangskomposition aber sicher noch etwas mehr rausholen können. „Das Andere Ich“ hätte man sich auf dieser Platte allerdings sparen können. Hier wurde auf jeden Fall ein bisschen zu viel mit Effekten herumprobiert und am Schluss kommt dann doch wieder ein stinknormaler Blutengelsong dabei rum.

Besondere Erwähnung bedarf hingegen der Song „Ein Augenblick“, bei dem man erst einmal nicht genau weiß, ob Chris Pohl oder der Graf von Unheilig singt. Und auch im Hinblick auf die Melodie haben sich die Blutengel ein Beispiel an der unheiligen Machart genommen. Ein seichter, aber dennoch ausdrucksstarker Gesang gepaart mit einer ruhigen Grundmelodie sind die Grundzutaten für eine Popballade. Und genau diese Zutaten hat sich Chris Pohl hier zunutze gemacht. Einzig der Refrain lässt den typischen Blutengeltouch durchschimmern. Kopiert Chris Pohl nun also beim Grafen, um genauso erfolgreich zu sein? Ein klares Nein, denn eine Popballade oder besser gesagt einen Schlager à la Unheilig aus dem Ärmel zu schütteln, ist an und für sich keine Kunst. Künstler im Schlagerbereich gibt es genug und auch hier klingt schließlich fast alles gleich. Zum Schluss wird noch ein Outro hintenan geschoben und dann ist das unblutige Blutengelwerk auch schon an seinem Ende angelangt.

Was kann nun also grundsätzlich zu „Tränenherz“ festgehalten werden?
Der Grundtonus ist schon noch der von Blutengel, wie wir sie kennen, mal etwas stärker ausgeprägt und mal etwas reduzierter. An Unheilig wurde sich sicher ein Beispiel genommen, denn viele Songs klingen noch etwas massenkompatibler als viele ältere Stücke der Band ohnehin schon klingen. Dennoch klingt auf „Tränenherz“ alles etwas runder, etwas erwachsener und durchdachter als viele andere Alben der Band. Wer Chris Pohl verspottet, weil er poppigen Elektro macht, der ist aber zumindest mit diesem Argument im Unrecht oder wenig ausdrucksvoll, denn er ist immerhin nicht der Einzige der in dieser Soundschiene tätig ist. Im Grunde ist vieles, was wir uns in der Szene um die Ohren klatschen simpler Elektropop, nicht mehr und nicht weniger. Und selbst als Nicht- Blutengel- Fan kann ich behaupten, dass alles, was Chris Pohl jemals mit Blutengel hervorgebracht hat, gut klingt. Nicht überragend, aber gut, weil wenig herumexperimentiert wird und es sich stets poppig anhört. Ob „Tränenherz“ nun aber gleich der Start für einen Erfolgsrun ist, so wie Unheilig ihn hingelegt haben, das steht noch in den Sternen. Die CD erscheint übrigens sowohl in einer einfachen CD-Edition, als auch als Deluxe-Version oder Boxset.

Tracklist:
01. Tränenherz – Prologue
02. Über Den Horizont
03. The Lost Children
04. Save Me
05. Irgendwann
06. The Watcher
07. Ordinary Darkness
08. Reich Mir Die Hand
09. Down On My Knees
10. Doomsday
11. Undone
12. The End
13. Das Andere Ich
14. Ein Augenblick
15. Tränenherz – Outro

Autorin: Tanja Pannwitz


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