Für alle, die es etwas rockiger mögen, stand bereits im Staatenhaus die Waverock- Band Escape With Romeo [GALLERY] auf der Bühne. So entschieden auch wir uns für Frontmann Thomas Elbern, der dafür bekannt ist, mit seinem Gitarrensound und seiner mitreißenden Stimme in Kombination mit Synthieelementen Großartiges zu vollbringen. Und das taten die seit 1989 bestehenden Escape With Romeo auch an jenem Sonntag. Vor der Bühne war zwar der Andrang noch überschaubar, dennoch herrschte eine absolut angenehme, fast schon familiäre Stimmung, als Elbern mit dem Klassiker ?Somebody? auffuhr. Jeder einzelne Ton saß und drang von den Instrumenten und durchs Mikrofon direkt in die Köpfe der Besucher, um von dort aus laut mitgesungen zu werden. Es war schon fast unglaublich, wie der ehemalige Pink Turns Blue- Gitarrist und -Songwriter sein Publikum im Bann hielt. Neben dem genannten Klassiker gaben die vier weitere mitreißende Stücke wie ?It’s Loneliness? oder ?White Room? zum Besten. Ein absolut gelungener Auftritt und gleichzeitig ein ehrwürdiger Start in den zweiten Tag des Amphi Festivals 2010!
Auf der Mainstage erwarteten uns währenddessen schon die Dark- Rocker Mono Inc. [GALLERY], die bereits auf dem Amphi Festival und dem WGT 2009 vollends überzeugen konnten. Die Karriere der vier Hamburger hat spätestens seit dem vergangenen Festivalsommer einen derart steilen Verlauf nach oben genommen, wie es selten bei einem Musikact der Szene zu beobachten war. Dieses Jahr sollte es also weitergehen mit dem Lauf nach Vorne. Mono Inc. werden ASP bei ihrer nahenden Tour supporten und dort ihr neuestes Machwerk vorstellen.
Der Erfolg der Band war auf dem diesjährigen Amphi in Form der Menschenmenge vor der Bühne zu erkennen, die bereits gespannt auf die Formation um Martin Engler wartete. Als es dann endlich mit ?This Is The Day? losging, setzte sich die Masse in Gang und feierte ihre kleinen, großen Helden. Zwar kam der über die Bühne rauschende Martin hin und wieder aus der Puste, so dass der ein oder andere Ton mal nicht ganz dort saß, wo er hingehörte, aber trotzdem riss er seine Fans immer mehr mit. Die neue Single ?Voices Of Doom? schlug hierbei genauso ein wie das beliebte ?Get Some Sleep?, bei welchem die begabte Drummerin Katha Mia nebenbei eine einwandfreie Stimme bewies. Entertainer Martin stimmte zwischendurch zusammen mit einer Akustikgitarre Iggy Pops ?The Passenger? an und bot damit eine kleine Abwechslung zur rockigen Grundtonlage. Alles in Allem bewiesen Mono Inc. abermals, dass sie den richtigen Weg gehen und in der Lage sind, ein großes Festivalpublikum glücklich zu machen.
Auf der Staatenhaus- Bühne begann während des Mono Inc.- Auftritts bereits die Gothic- Rock Band Frank The Baptist, für die wir uns an diesem Tage allerdings nicht entschieden hatten. Stattdessen warteten wir wie viele andere Besucher auf den kleinen Mexikaner Erk Aicrag mit seinem Nebenprojekt Rabia Sorda [GALLERY], das langsam aber sicher an die Erfolge seines Hauptprojektes Hocico anknüpfen kann. Konnte Erk mit Rabia Sorda bereits in diesem Jahr in der Leipziger Moritzbastei bei einer Art Battle gegen Terminal Choice begeistern, so stellte sich die Frage, wie das Ganze nun auf einer wesentlich größeren Open- Air- Bühne wirken würde. Wie gewohnt sprang also ein energiegeladener und geschminkter Erk auf die Bühne und legte mit ?Monkeyland? sofort ordentlich los. Ein lustiger Effekt bot sich bei dem Keyboarder, der sein Gesicht schwarz bepinselt hatte und somit vor dem schwarzen Vorhang gar nicht richtig zu sehen war. Der über die Bühne wirbelnde kleine Mexikaner bewies mit jedem Song, wie groß Rabia Sorda mittlerweile geworden war, konnte doch jeder einzelne Song die Menge begeistern und zum wilden Tanz auffordern. Und mal ehrlich: wer kann bei Songs wie ?Radio Paranoia? oder dem phantastischen ?Save Me From My Curse? von der Debüt- EP still stehen bleiben?!
Parallel zu Rabia Sorda heizten in der Halle die US- Horrorpunks Blitzkid ihren Fans ein. Wir fanden den Weg ins Staatenhaus allerdings erst wieder zu Coppelius, die bereits beim Amphi Festival 2009 eine lohnenswerte und etwas andere Show abgeliefert hatten. Doch zuvor galt es, Liv Christin mit ihrer Symphonic- Metal- Band Leaves’ Eyes [GALLERY] zu beschauen. Die sympathische Norwegerin, die früher Teil von Theatre Of Tragedy war, ist mit Atrocity Mitgliedern 2003 zu einer kraftvollen Formation verschmolzen und wurde vom Amphi- Publikum mit tosendem Applaus begrüßt. Mit ?Njord? lieferten der blonde Engel und ihre Mannen auch einen bombastischen Einstieg in ihre 50-minütige Show. Während Liv Christin mit glockenheller Stimme in den Wind rief, ließen Gitarristen Torsten Bauer und Sander van der Meer, der Neuzuwachs der Band, kräftig die Köpfe kreisen. Auch Ehemann Alexander Krull fand neben seinen Growls immer wieder genug Zeit, kräftig sein ultralanges Haupthaar zu schütteln und ordentlich zu posen. Vor allem Krull schaffte eine unheimliche Dynamik auf der Bühne, die jeden einzelnen Song stütze und das Publikum zum Mitmachen animierte. Auch hier wurde nun zu Songs wie ?My Destiny? oder dem obligatorischen ?Elegy? getanzt und gefeiert. Somit boten Leaves’ Eyes ihren Anhängern eine rundum einwandfreie Show.
Im Staatenhaus hatten sich währenddessen schon die Herren Coppelii in Szene gesetzt und boten ihrer stetig wachsenden Fangemeinde eine erwartungsgemäß unterhaltsame Show. Musikalisch gesehen fahren die sechs Berliner stets mit etwas selteneren Instrumenten auf. Graf Lindorf (Gesang, Cello) ließ den Bogen über die Cellosaiten tanzen und für melodiösen Ohrenschmaus sorgten Max Coppella und Comte Caspar (außerdem Gesang) an den Klarinetten. Sissy Voss hingegen sorgte mit dem Kontrabass für die notwendige Schwere in den Stücken. Für die Dynamik sorgte Nobusama am Schlagzeug und so verschmolz das Ganze zu einem phantastischen musikalischen Konstrukt, das sicherlich jeden Besucher glücklich machte. Auch das Auge wurde ordentlich bedient, denn die Coppelianer werfen sich gewohnheitsmäßig für ihre Fans in Schale. So durfte der Zylinder ebenso wenig fehlen wie die altertümlichen, edlen Gewandungen. Coppelius [GALLERY] konnten ihre Fans beim diesjährigen Amphi Festival ein weiteres Mal überzeugen. Man darf gespannt sein, wie sich diese einmalige Formation weiter entwickelt.
Als nächster Act standen Mesh [GALLERY] auf der Tagesordnung des Amphi Festivals. Die aus dem englischen Bristol stammende Formation um Frontmann und Gitarrist Marl Hockings wurde von den Fans draußen bereits mit Freuden erwartet. Ihr neuesten Machwerk ?A Perfect Solution? aus dem vergangenen Jahr schlug wieder ein wie eine Bombe und so wollte sicherlich jeder, der die Jungs seither nicht live erleben durfte, wissen, wie sich das Ganze denn nun auf der Bühne darstellen und vor allem anhören würde. Und kaum hatte die begnadete Synthiepop- Band, deren Ähnlichkeit zu Depeche Mode nicht von der Hand zu weisen ist, die Bühne betreten, ging es auch sofort los mit einem Song der neuesten Platten. Mit dem kraftvollen ?If We Stay Here? stimmten Mesh ihre Fans definitiv auf eine Darbietung auf höchstem Niveau ein und bekamen sofortige Rückmeldung durch die vielen tanzenden und klatschenden Besucher. Hockings, der – nebenbei erwähnt ? eine der schönsten und emotionalsten Stimmen des Genres besitzt, merkte man regelrecht an, dass er Spaß an der Sache hatte und er riss mit seiner stimmlichen Energie alles mit, was sich vor der Bühne versammelt hatte. Kraftvoll wurde nun eine große Auswahl des neuen Albums, darunter ?Only Better? und ?How Long?, geboten, welche durch glanzvolle Klassiker wie ?From This Hight? untermalt wurden. Mit ?From This Hight?, das eigentlich nur eine B- Seite Meshs ist, fing auch der letzte noch in sich ruhende Besucher an zu tanzen, denn die Stimmung auf der Bühne und im Publikum war überragend. Für den Song ?Who Says?? holte sich der stets lässig wirkende Mark dann Unterstützung auf die Bühne. Julia Beyer (Chandeen) übernahm den weiblichen Part in dem emotional mitreißenden Song. Ihre Nervosität ließ sie sich nur zu Beginn etwas anmerken; im Songverlauf stellte sich Julia jedoch als eine solide gesangliche Begleitung heraus und erntete dafür den verdienten Applaus. Da die Zeit auf der Bühne wie im Fluge verging, blieb leider schlussendlich kein Platz mehr, um einen weiteren Smashhit an den Mann zu bringen. ?Friends Like These?, das auf Konzerten schon fast obligatorisch dazu gehört, hörten wir an diesem Festivalsonntag leider nicht. Alles in Allem lieferten Mesh aber dennoch einen wunderschönen, gefühl- und kraftvollen Auftritt ab.
Während einige Besucher im Anschluss ins Staatenhaus strömten, um Samsas Traum auf der Bühne zu erleben, entschieden wir uns für den Herrn LaPlegua, der mit Combichrist [GALLERY] im Gepäck die Bühne betrat. Angekündigt wurde der Auftritt, auf den wir uns so gefreut hatten, von VNV Nation- Kopf Ronan Harris. Wer Combichrist bereits live erlebt hat, dem ist bekannt, dass die Jungs stets energiereiche Auftritte abliefern und ein Schlachtfeld der Verwüstung hinterlassen. Ein wahres Erlebnis und fast schon unerklärlich, dass bei Combichrist- Auftritten noch kein Bandmitglied ernsthaft verletzt wurde. Nachdem sich die Jungs in Windeseile an ihre Positionen auf der Bühne begeben hatten, blieb uns kurz der Atem stehen. Was war mit Sänger und Aushängeschild Andy los? Statt mit wilder Strubbelfrisur stand LaPlegua mit einwandfrei gestriegelter Frisur im Rockabilly- Style vor seinen Fans. Nichts desto Trotz legte er mit dem Opener ?All Pain Is Gone? vom letzten Album ordentlich los und setzte das Publikum in Bewegung. Wie gewohnt legten auch Live- Drummer Joe Letz und seine Kollegen eine einmalig durchgeknallte und vor Energie nur so strotzende Show an ihren Instrumenten hin. Trotz des schon zu Beginn einsetzenden Regens ließ sich niemand davon abhalten, es der Band gleich zu tun: abgehen und die Sau rauslassen! Und so nutzte jeder das bisschen Platz in der eng gedrungenen Menge, um zu Songs wie ?Electrohead? oder ?Get Your Body Beat? zu tanzen und zu feiern. Es gab sogar eine Songwidmung, denn der Kracher ?Blut Royale? wurde von Andy seinen besten Freunden gewidmet: Combichrist! Der Mann hat Humor und seine Fans lieben ihn dafür. Kein Wunder, dass bei jenem Lied die Masse so laut mitgröhlt, dass man zumindest an den Außenseiten kaum noch den über die Bühne flitzenden Andy verstehen kann. Natürlich ging es beim obligatorischen Abschlusssong ?What The Fuck Is Wrong With You People?? auch wieder wild her und so gingen, angetrieben von Drummer Joe und Percussion- Genie Trevor, auch wieder die ein oder andere Trommel zu Bruch. Combichrist lieferten einen gewohnt tollen Auftritt, der allerdings vom Gesamteindruck her nicht ganz an den Auftritt beim E-tropolis Festival in Berlin heran kommt.
Als nächstes erwartete die Amphi- Besucher in der Halle ein wahrer Szenegigant. Fast ein viertel Jahrhundert Bandgeschichte kann verbucht werden, 15 Studioalben und über 20 Singles und EPs fanden bereits den Weg in die CD- Regale eines jeden Fans. Die Rede ist von den Kanadiern Front Line Assembly [GALLERY]. Auf dem diesjährigen Gothic Festival in Waregem konnte die Electro-/Industrial-Legende bereits zahlreiche Fans begeistern und an jenem Amphi- Sonntag sollte es nicht anders werden. Seit Kurzem steht auch ein neuer Tonträger des begnadeten Musikprojekts in den Läden der Republik und der ganzen Welt. Mit ?Improvised Electronic Devise? knüpft die Crew um Bill Leeb (Gesang, Synthesizer, Programming) an frühere Erfolge ihrer Musikgeschichte an. Ein wahres Meisterwerk, das von vielen Hörern bereits zum besten Album des Jahres erkoren wurde!
Bei ihrem Auftritt auf dem Amphi boten die Kanadier eine, musikalisch gesehen, auf höchstem Niveau anzusiedelnde Show. Immer wieder wechselten die Herren von Keyboard und Gitarre zu ihren kleinen Live- Drums und brachten damit die entsprechende Dynamik und Abwechselung hinein. Das Publikum durfte sich dabei an Klassikern wie ?Plasticity?, ?Circuity? oder ?Resist? erfreuen, die live absolut bombastisch rüber kamen. Auch ?Angriff?, einer der besten neuen Songs mit Klassikerpotential, sowie die Singleauskopplung ?Shifting Through The Lense? vom neuen Machwerk begeisterten jeden einzelnen vor der Bühne. Bei nur 9 Songs insgesamt war durchaus auffällig, dass mit 3 Songs (neben den beiden gerade genannten noch ?I.E.D.?) vom neuen Album bereits ein Drittel der Setlist besetzt war, was einem manchen ? wie auch mir ? als ziemlich viel erschien. Jedoch fügten sich die drei neuen Songs so gut in die älteren Juwelen ein, dass deren Platz auf der Setlist durchaus verdient war. Mit Millenium schossen Front Line Assembly zum Abschluss einen weiteren Klassiker in die Menge und ließen schließlich viele zufriedene Fans zurück. Für viele Amphi- Besucher waren Front Line Assembly sicherlich der inoffizielle Headliner des Tages.
Auf halber Strecke von Front Line Assembly wurde es draußen düster und rockig auf der Bühne. Die Masse wollte brennen! Natürlich bedarf es dafür einer angemessenen Zündung, welche durch ASP [GALLERY] geliefert werden sollte. Sänger Alexander ?Asp? Frank Spreng und seine Mannen zaubern seit Gründung der Band 1999 immer wieder regelrechte Dancefloor- Hymnen aus dem Ärmel, die sogar Nicht- Fans textsicher mitsingen können. Trotz ihrer vielen Konzeptalben klingen die meisten Songs auch aus dem Zusammenhang gerissen einfach nur von Anfang bis Ende rund. Das ist wohl die große Kunst, die die vier Frankfurter für sich beansprucht haben. Dem Amphi- Publikum wurde eine bunte Reise durch verschiedene ASP- Alben geboten; sowohl ältere als auch neuere Stücke fanden ihren Platz, stets dem Grundsatz der Bekanntheit folgend. Beim beliebten und in den Szeneclubs hoch und runter gespielten ?Sing Child? forderte ASP seine Fans auf, sich nun nicht mehr weiter aufzusparen und zu feiern und zu tanzen, was das Zeug hielt. Gesagt, getan! Die Stimmung in der Masse wurde von Stück zu Stück belebter. ?Ich bin ein wahrer Satan? wurde dann von tausenden Menschen laut mitgesungen und getanzt. Mit dem emotionalen, langsameren Stück ?Ungeschickte Liebesbriefe? fesselte die eindringliche Stimme ASPs die Menge wieder, um sie über ?Werben? und das eingängige ?Schwarzes Blut? schlussendlich bei ?Ich will brennen? zu entzünden. Die Masse loderte! Die Mission ASPs war erledigt. Nicht ganz, denn zu guter Letzt verneigte sich die Band vor dem verstorbenen Peter Steel (Type O Negative) in Form eines Covers des großartigen ?I Don’t Wanna Be Me?, was sogar richtig angenehm daher kam.
Als nächstes stand auf der Innenbühne schon die Elektro-/Synth- Rock Band Diary Of Dreams [GALLERY] bereit. Diejenigen, die den Stilwechsel der Urgesteine vom Dark Wave zur Synthieschiene Ende der 90er hin problemlos mitgemacht hatten, fanden sich im Staatenhaus also neben vielen weiteren Fans wieder. Frontmann Adrian Hates, den manche Frau sicher um seine Haarpracht beneidet, begeistert mit seinem ?Traumtagebuch? stets durch atmosphärische und stimmungsvolle Auftritte, wie auch nun beim Amphi 2010. Die größtenteils sehr stilvoll aufgezogenen Stücke aus vielen ihrer Schaffensjahre versetzten die Fans ins Träumen. Vor allem das vereinnahmende ?Amok? sorgt für das nötige Gänsehautfeeling, obgleich es diesmal in einem rockigeren Gewand von der Bühne schallte. Bei ?Soul Stripper? konnte dann ebenfalls ordentlich gerockt werden. Natürlich war auch das obligatorische ?Traumtänzer? mit von der Partie, bei welchem das Publikum zum Abschluss durch gemeinsamen Gesang der Band ebenfalls ein bisschen Gänsehaut bereiten konnte.
Auf der Hauptbühne betrat unterdessen bereits die letzte Band die Bühne. VNV Nation [GALLERY] sollten das Amphi Festival 2010 zumindest draußen beenden. Die eingefleischten Fans hatten bereits während des ASP- Auftritts vor der Bühne gelauert, um sich im Anschluss für den Headliner die besten Plätze direkt vor der Bühne zu sichern. Die Beliebtheit der Future-Pop-Formation um Kopf des Projektes Ronan Harris in der Szene ist nicht von der Hand zu weisen. Somit werden Harris und Co von einer riesigen Menschenschar begrüßt, die alle darauf warten, zu VNV Klassikern und neuen Stücken ausgelassen zu feiern. Hatte Harris gerade erst die Bühne betreten, wurde auch sofort mit dem melancholischen Electro- Stück ?Tomorrow Never Comes? losgelegt. Etwas ungewöhnlich als Einstieg, wenn man dem bloßen Titel Glauben schenken mag. Trotzdem wurde er von den Fans super aufgenommen, auch wenn sich die Menge noch etwas zurück hielt. Weiter ging es dann aber mit ?Testament? und dem darauf folgenden ?Genesis?, bei dem nun auch kein Bein mehr still stand. Harris hüpfte hierbei wie ein Flummi über die Bühne und spornte seine Fans immer weiter an, ihm nachzukommen und ebenso durch die Gegend zu springen. ?Sorry, Ronan. Hier in den vorderen Reihen ist es etwas eng!? So eine Dynamik, wie sie Frontmann Ronan stets dem Publikum entgegen bringt, ist jedoch leider ab und zu hörbar mit stimmlichen Einbußen verbunden. Davon ließen sich jedoch weder der Herr selbst, noch seine Fans verunsichern und somit ernteten VNV Nation für jeden einzelnen Song die verdiente Bestätigung in Form von Geschrei und Applaus. Ronan stand daraufhin nahezu nach jedem Lied fassungslos vor der riesigen Menge und staunte und konnte das alles kaum glauben. Ja, Ronan, die Leute sind tatsächlich alle gekommen, weil ihnen deine Musik so gefällt. Was dachtest du denn? In einem perfekten Set durften natürlich auch Songs wie ?Dark Angel?, ?Nemesis? und das großartige ?Honour? nicht fehlen. Die Besucher nahmen alles mit Freuden entgegen; für viele schienen VNV Nation jedoch trotzdem eher nur Pflichtprogramm zu sein, war doch die Stimmung vor allem in den hinteren Reihen relativ verhalten. Abgeschlossen wurde das Set mit dem wunderschönen ?Beloved? und natürlich mit dem obligatorischen, aber mittlerweile eher anstrengenden ?Perpetual?, das sich allerdings scheinbar zur VNV Nation- Hymne gemausert hat. Jene Hymne wurde dann zum Schluss auch von den vielen Fans weitergesungen und begleitete Harris und sein mehr oder weniger unscheinbares Gefolge von der Bühne. Der Platz als Headliner ist aufgrund der Massenkompatibilität von VNV Nation jedoch mehr als verdient.
Musikalisch gesehen begangen viele Besucher nun jedoch einen Bruch und wechselten von treibendem Future-Pop ins Staatenhaus, wo die Folk- Rocker von Letzte Instanz [GALLERY] die Bühne bereits in Beschlag genommen hatten. Die seit 1996 bestehende Band um Sänger Holly, der allerdings erst seit 2005 dabei ist und seinen Vorgänger Sebastian Lohse ehrwürdig abgelöst hatte, konnte sich seit Bestehen mehr und mehr neben Szenegrößen wie Subway To Sally, Saltatio Mortis und In Extremo etablieren. Diese teilen sich seither ein ewig gut gelauntes und tanzfreudiges Publikum und sind nunmehr alle vier Aushängeschild für die Mittelalter- Rock- Szene. Wie es sich für Spielleute aus diesem Genre gehört, betreten auch Letzte Instanz stets mit Instrumenten wie Violine (M. Stolz) und Cello (Benni Cellini) die Bühne. Die rockigen, treibenden Klänge verleiten sofort zum Tanzen. Vor allem der Song ?Flucht ins Glück? findet im Publikum eine Menge Anklang und wird sofort von der Menge verschlungen und betanzt. Danach wurde es etwas ruhiger und Frontmann Holly bat seine Fans um Licht, um sie den folgenden Song atmosphärisch korrekt mitgestalten zu lassen. Bei ?Dein Licht? zückte also ein jeder, dem es möglich war, ein Feuerzeug oder ähnlich leuchtende Gegenstände, so dass die dunkle Halle in ein wahres Lichtermeer verwandelt wurde. Eine solche Stimmung gemeinsam zu erschaffen, ist immer etwas Besonderes. Sich fallen zu lassen und zu träumen war hier sicher für einige eine gern gesehene Abwechslung zu den doch eher hektischen Erlebnissen des Tages. Zu Songs wie ?Ohne Dich? und ?Mein Engel? wurde dann hingegen auch hier wieder ordentlich gerockt und zwar nicht nur vor, sondern vor allem auch auf der Bühne. Die Jungs hatten Spaß an dem, was sie uns da rüber bringen wollten, und genau das merkte man und wurde von jedem einzelnen Stück nur so mitgerissen. Ein wirklich gelungener Auftritt mit einer super Stimmung und zudem ein willkommener musikalischer Ausreißer an dem gesamten Festivalwochenende.
Der Sonntagabend und somit ein erfolgreiches Festival näherte sich langsam aber sicher dem Ende. Doch bevor alles vorbei sein sollte, erwartete uns noch der zweite Headliner des Tages. Mit Eisbrecher [GALLERY], die mit einer neuen Platte im Gepäck anreisten, hatten die Veranstalter schweres Geschütz aufgefahren und auf einen wahrlichen Stimmungsgaranten gesetzt. Kaum eine Band war in den vergangenen Jahren so oft auf dem Amphi Festival anzutreffen und kaum eine andere Band schafft es, die Besucher immer wieder aufs Neue zu begeistern und zu fesseln. Ex- Megaherz- Gründer und -Sänger Alexander ?Alexx? Wesselsky hatte sich mit Eisbrecher 2003 einen Raum für neue und ganz eigene Ideen geschaffen und kann seither auf eine starke Fangemeinde zählen. Hatten Eisbrecher mit ihrem Debütalbum ?Eisbrecher? noch Aufsehen erregt, weil sie zum Kopieren der Scheibe je zwei Rohlinge beifügten, braucht diese Rohlinge nun kein Fan mehr. Jeder möchte nun sein eigenes Original im Regal stehen haben, denn Freunde und Kenner der Neuen Deutschen Härte wissen, dass sie mit Eisbrecher keinen Fehlgriff begehen. Der Beliebtheit Eisbrechers war es auch an jenem Sonntagabend geschuldet, dass das Staatenhaus gerammelt voll war. Fans und Freunde des toughen Alexx, der nebenbei als Checker auf DMAX Gebrauchtwagen auf Herz und Nieren prüft, standen und saßen bis an den Rand der Halle gedrängt und warteten gespannt auf den Beginn der Show. Mit ?Eiszeit? knallte Alexx, der wie gewohnt im uniformähnlichen Anzug und Sonnenbrille die Bühne betrat, dem Publikum auch sofort ein starkes Stück vom gleichnamigen neuen Album vor den Latz. Es wurde gejubelt und getanzt. Weiter ging es mit ?Angst?, bei dem Alexx auf der Bühne auch selbst ordentlich abging und damit seine Fans immer weiter pushte. Natürlich wurde es ihm schnell zu warm in seiner Kutte und somit wurde jene vorsichtshalber schon einmal abgelegt und von seinem selbst ernannten ?Auszieher? in Empfang genommen. Bei so viel Erfolg kann man sich einen solchen Burschen sicherlich leisten! Bei Songs wie ?Willkommen Im Nichts? und ?Vergissmeinnicht? nahm die Lust auf harte Beats im Körper immer mehr zu und so wurde sogar in der hintersten Ecke der Halle getanzt. Natürlich durfte zu einem gelungenen Amphi- Auftritt ein ?Heilig? genauso wenig fehlen wie der Klassiker ?Schwarze Witwe?, bei welchem Alexx’ Stimme einem immer wieder ein Gänsehaut einzujagen weiß. Bei ?This Is Deutsch? tauchte Alexx dann gewohnt in traditionellen, bayerischen Accessoires auf die Bühne und performt diesen großartigen Kracher stets mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen. Mit dem Megaherz- Überbleibsel ?Miststück? wurde das Set beendet und Eisbrecher können eine weitere überdurchschnittlich gute und erfolgreiche Show verbuchten. Ob man sie auf dem Amphi Festival 2011 zum 5. Mal in Folge antreffen wird? Man darf gespannt sein. Zumindest bewiesen die Jungs mit ihrem diesjährigen Auftritt ein weiteres Mal, dass sie in der Lage sind, ein glückliches Publikum zurück zu lassen.
Mit einem grandiosen Line- Up hatte das Amphi Festival 2010 im Vorwege eine Menge versprochen. Zieht man Bilanz, so lassen sich tatsächlich eine Menge toller Auftritte der verschiedenen Acts verbuchen, so dass unterm Strich ein vollends erfolgreiches Festivalwochenende verbucht werden kann. Einzig getrübt wurde die Stimmung allerdings am Samstag durch die Kenntnis über die Geschehnisse auf der Love Parade im nahen Duisburg. Den betroffenen Familien der Opfer an dieser Stelle unser aufrichtiges Beileid sowie eine schnelle und nachhaltige Genesung den vielen verletzten Besuchern!
Bezüglich des Amphi Festivals 2011 bleibt zu hoffen, dass die Besucherzahl im kommenden Jahr nicht noch weiter in die Höhe schnellen wird. Ansonsten freuen wir uns auf ein friedliches Amphi Festival 2011. Bis zum nächsten Jahr!
Die kompletten Fotosets der aufgetretenen Bands können durch die entsprechenden GALLERY-Links erreicht werden.
Autorin: Tanja Sunshine
Fotos: Michael Gamon