Als nächstes standen The Dodos auf dem Plan, drei Jungs aus San Francisco, die einen psychedelisch-rockigen Indiefolk mit bluesigem Beigeschmack spielten und in diesem Jahr ihren zweiten Longplayer veröffentlicht haben, der auf den Namen "Visiter" hört und damit in der Musikwelt für Aufsehen sorgte. Dominantes Instrument im Sound des Trios sind die Drums, auf denen der Drummer einschlug als wäre dies Teil eines Aggressionstrainings. Aber auch die in spezieller Art gespielte Gitarre und einige zusätzliche Instrumente wissen die Band geschickt vom Einheitsbrei abzusetzen. In Haldern brauchte die Band zunächst eine kurze Eingewöhnungszeit um das Publikum warm zu spielen, doch nach einigen Songs nahm der Applaus stetig zu. Meinen Geschmack trafen die drei zwar nicht unbedingt, aber zumindest war der Auftritt auch in meinen Augen ganz ok. Eine Vielzahl der Anwesenden Besucher war zudem restlos begeistert, so dass auch die Dodos zu den Gewinnern des diesjährigen Festivals zu zählen sind.
Setlist The Dodos:
01. It’s That Time Again
02. Paint The Rust
03. Jodi
04. Fools
05. The Ball
06. The Season
Die nachfolgenden The Heavy mit ihrem Bluesrock ließen mich hingegen ziemlich kalt, aber auch sie hatten offensichtlich ihre Fans im Publikum gefunden. Also weiter ins Spiegelzelt, wo der Auftritt von Gravenhurst anstand, welche vielen u.a. durch ihr Mitwirken beim Soundtrack zum Film "Ein Freund Von Mir" (mit Daniel Brühl und Jürgen Vogel) ein Begriff sein dürften. Die Schlange war mal wieder beträchtlich lang um ins Zelt zu gelangen, allerdings füllte dieses sich wegen der recht strengen, wenn auch nötigen Sicherheitskontrollen, auch eine Viertelstunde vor Beginn nur langsam und auch als Nick Talbot die Bühne betrat, ersuchten noch immer einige Fans um Einlass. Wie angekündigt trat Nick beim Haldern Pop solo auf und so wurden akustische Songs allein mit Gitarrenunterstützung geboten, dies allerdings auf sehr hohem Niveau. Seine Stimme ist wirklich kristallklar und in Verbindung mit den dezenten Gitarrenklängen entstand im Zelt eine äußerst intime Stimmung. Auch das Publikum war während der Songs sehr still, was noch weiter zur Atmosphäre beitrug und viele Zuschauer schlossen gar die Augen um die Musik noch intensiver spüren zu können. Aber auch für Späße war Zeit, so reagierte Nick auf den Ruf des Namens "Steven" damit, dass er verwirrt wäre, denn er habe keinen Song mit diesem Namen. Doch der Konter aus dem Publikum ließ nicht lange auf sich warten und der Name "Nichole" erklang, gleichzeitig Name eines Gravenhurst-Songs. Der Gig war im Zelt sehr gut aufgehoben und kam beim Publikum mindestens ebenso gut an. Schon zu dieser frühen Uhrzeit ein schöner Höhepunkt des diesjährigen Festivals.
Setlist Gravenhurst:
01. I Turn My Face To The Forest Floor
02. Tunnels
03. Bluebeard
04. Nichole
05. Saints
06. Black Holes In The Sand
Weiter ging es auf der Hauptbühne mit Okkervil River aus Austin/Texas. Sie kamen mit besonders viel Vorschußlorbeeren an den Niederrhein, bewiesen aber auch gleich von Beginn, dass diese absolut gerechtfertigt waren. Einen Tag zuvor traten die Amerikaner noch im schwedischen Göteborg auf und fuhren im Anschluss 15 Stunden, um hier dabei sein zu können – Ein Weg der sich aus Sicht aller Beteiligten gelohnt hat! Die Musik setzt sich hauptsächlich aus den drei Zutaten Punkrock, Country und Folkrock zusammen und bisher kann man auf fünf reguläre Studioalben zurückblicken, Longplayer Nummer sechs steckt derzeit in den Startlöchern und wird im September unter dem Namen "The Stand Ins" veröffentlicht werden. Dieser Auftritt war klasse und sorgte für beste Festivalstimmung auf dem Halderner Gelände, zumal auch die Band offensichtlich ihren Spaß am eigenen Auftritt hatte und viel lachte. Auch hier ein klarer Daumen nach oben.
Überhaupt nicht mein Fall war danach Jamie Lidell auf der Mainstage, so dass genug Zeit für einen Snack war und ich mich dann auf den Weg zurück ins Spiegelzelt machte. Hier stand als nächstes der Auftritt von Alamo Race Track an. Die Niederländer aus Amsterdam wirkten zwar zunächst etwas angespannt und nervös, lockerten aber nach und nach immer weiter auf und spätestens ab "The Killing" war beste Laune im Zelt angesagt und die Rhythmen der Band luden zum Tanzen ein. Überhaupt wirkten die Songs einiges druckvoller und mitreißender, als dies auf Silberling der Fall ist, ein Beweis für die guten Livequalitäten der Holländer. Positiv auch die zunehmend entspanntere Atmosphäre, so dass auch durchaus Raum für Scherze war und so wurde der Song "Open Sea" nach dem Hereinrufen des Namens "Lukas Podolski" diesem und Michael Ballack gewidmet, zwei sehr guten Fußballern wie angemerkt wurde. Die hohe Qualität des Gigs wurde folgerichtig sogar noch gewürdigt, indem die Alamos zum Abschluss noch eine Zugabe in Form eines neuen, bisher unveröffentlichten Songs, zum Besten gaben. Ein durchweg sympathischer Auftritt der vier Holländer, die man im Auge behalten sollte. Ein wirklich klasse Gig, der für mich der letzte im Spiegelzelt beim diesjährigen Haldern Pop bleiben sollte.
Setlist Alamo Race Track:
01. Stanley vs. Hannah
02. Don’t Beat This Dog
03. The Killing
04. Black Cat John Brown
05. My Heart
06. Chocolate Years
07. The Open Sea
08. The Northern Territory
09. -neuer Song- (Zugabe)
Ruhiger ging es dann wieder bei der nächsten Band zu, denn Iron & Wine aus Florida betraten die Bühne. Hinter Iron & Wine verbirgt sich Singer/Songwriter Sam Beam, der es unter diesem Namen bisher auf drei Studio- und ein Livealbum sowie eine ganze Reihe von Singles gebracht hat. Live wurde Sam von verschiedenen Musikern begleitet, darunter seine Schwester Sara, die zunächst alleine mit Sam die Bühne betrat, die Begleitband folgte erst kurz darauf. Iron And Wine pflegen den Folkpop der amerikanischen Westküste in den späten 60er Jahren und die Band veränderte ihre Songs auf der Bühne stets leicht ab, floch zusätzliche Instrumentalpassagen ein und erhöhte somit zusätzlich die Intensität. Da drängte sich der Begriff "Lagerfeuerromantik" zum Teil geradezu auf und die Band passt somit ideal in den Halderner Kontext. Bestachen einige Songs durch den geschilderten Folk-Flair, so wohnte anderen ein fast schon psychedelischer Groove inne. Dazu gesellen sich dann und wann sogar Reggaerhythmen und man wurde das Gefühl nicht los, dass Iron And Wine sowohl optisch, als auch musikalisch auch beim Woodstock-Festival 1969 nicht sonderlich aus der Rolle gefallen wären.
Setlist: Iron & Wine:
01. Trapeze Swinger
02. Woman King
03. Wolves
04. Boy With A Coin
05. The Night Descending
06. Love And Some Verses
07. House By The Sea
08. The Devil Never Sleeps
09. White Tooth Man
10. Upward Over The Mountains
11. Each Coming Night
Co-Headliner des letzten Tages waren in diesem Jahr die 1999 gegründeten Amerikaner The National, deren Auftritt ich bereits entgegenfieberte. Das Bandlineup besteht hauptsächlich aus den beiden Geschwisterpärchen Dessner und Devendorf, zu denen sich Sänger Matt Berninger gesellt. Live wurden sie zudem von zwei Gastmusikern an ihren Blasinstrumenten begleitet. Leider verzögerte sich der Auftritt zunächst um zehn Minuten, was jedoch die Vorfreude nur noch mehr steigerte. Dann war es soweit und The National begannen mit "Start A War" ihren bewegenden Set, bei dem sich ruhige mit schnelleren Stücken abwechseln und die tolle Stimme von Sänger Matt Berninger über allem erstrahlt. Natürlich waren alle Hits vertreten, darunter auch mein absoluter Favorit "Mistaken For Strangers" und das fragile "Fake Empires". Entgegen alter Gewohnheiten zeigte sich Matt beim Auftritt in Haldern sehr agil und bewegungslustig, verließ bei "Mr. November" sogar die Bühne, stieg hinab in den Graben, kletterte auf die Seitenbrüstung und brachte damit die Security für einige Momente etwas durcheinander. Der Ausflug fand seinen Höhepunkt als er sich auf den Kamerawagen des WDR stellte und unmittelbar vor der Linse weiter sang. Ein begeisternder Austritt mit toller Musik und klasse Performance. The National waren absolut zurecht (mindestens) Co-Headliner am heutigen Tag, soviel bleibt festzuhalten.
Setlist The National:
01. Start a war
02. Brainy
03. Secret meeting
04. Baby we’ll be fine
05. Slow show
06. Squalor Victoria
07. Racing like a pro
08. Abel
09. All the wine
10. Mistaken for strangers
11. Ada
12. Apartment story
13. Fake empires
14. Mr November
15. About today
Im Anschluss begannen die Umbauarbeiten für den offiziellen Headliner des Haldern Pop Festivals 2008: Maximo Park aus Newcastle/England. Leichter Regen fiel während dieser Zeit und sollte auch während des folgenden Konzerts von Zeit zu Zeit für Abkühlung sorgen. Zum Glück blieb es aber bei vereinzelten Tropfen und so stand einem würdigen Abschluss dieser drei Tage am Niederrhein nichts mehr im Wege. Kurz nach halb zwölf betraten dann Maximo Park die Bühne und es herrschte von Beginn an gute Stimmung vor der Bühne. Zwar hatte man mit einigen Soundproblemen zu kämpfen, diese traten im Pulk jedoch nicht so deutlich zu Tage. Sänger Paul Smith war gewohnt bester Laune und sprang wie ein Derwisch über das Parkett. Die ein oder andere Aktion wirkte zwar einstudiert, jedoch tat das der Stimmung keinen wirklichen Abbruch. Zwischen den Songs kündigte Paul den jeweils nächsten Track mit einer kurzen Geschichte oder kurzen Ansprachen auf Deutsch an, was sehr sympathisch wirkte. Maximo Park präsentierten alle ihre bisherigen Hits, aber auch einige neue Stücke gehörten zum Set der Briten. Die neuen Songs bewiesen Potential, kamen live aber (noch) nicht an die älteren Stücke heran, bei denen deutlich ausgelassener gefeiert wurde. Gegen Ende richtete Paul noch einen persönlichen Dank an die Veranstalter, dafür dass man sie zu diesem schönen Festival eingeladen habe, zumal es nur selten vorkäme, dass sie ein Festival headlinen. Der Set endete mit den beiden Singles "Books From Boxes" und "Apply Some Pressure", bevor die schöne Lichtshow erlosch und Maximo Park die Bühne verließen. Eine Zugabe gab es trotz minutenlangen lauten Forderungen nicht mehr, da die Jungs ihre Zeit offenbar bereits ausgereizt hatten.
Setlist Maximo Park:
01. Girls who play guitars
02. Graffiti
03. A fortnight’s time
04. Parisian skies
05. Our velocity
06. I want you to stay
07. Tanned (neu)
08. Limassol
09. By the monument
10. Once a glimpse
11. Questing (neu)
12. The coast is always changing
13. The unshockable
14. Nosebleed
15. Going missing
16. Russian literature
17. Books from boxes
18. Apply some pressure
Ein guter Auftritt mit Spaßattitüde, der beweist, dass die Headliner der jeweiligen Tage korrekt gewählt wurden, aber auch die vermeintlich "kleineren" Bands wie Alamo Race Track, Gravenhurst, Okkervil River, Foals und Guillemots gehören sicher zu den Gewinnern des Festivals, ganz zu schweigen von den traumhaften The National. Verlierer gab es aber natürlich sowieso nicht.
Alles in allem beweißt auch das Haldern Pop Festival 2008 wieder ein gutes Gespür für neue Trends im Indie-Bereich und ich bin mir sicher, dass wir von der ein oder anderen Band sicher noch einiges zu erwarten haben. Darüber hinaus war das Haldern Pop aber auch wieder einmal ein familiäres Festival bei dem alle an einem Strang ziehen und sich bemühen, das Event zu einem vollen Erfolg werden zu lassen. So hebt man sich trotz steigendem Bekanntheitsgrad und damit Erwartungsdruck erfolgreich von anderen Großveranstaltungen ab und bleibt sicher auch in Zukunft ein Anlaufpunkt für Bands abseits des Kommerzes, die ihre Songs in beschaulicher Atmosphäre einem breiteren Publikum präsentieren möchten. Eine geeignetere Plattform dazu gibt es in dieser Form und Größe kaum …
Man darf gespannt sein, wenn die Veranstalter für das nächste Haldern Pop 2009 aus dem Hut zaubern werden …