In Europa und speziell in Deutschland schauten die Fans zunächst in die Röhre, bis sich im Frühjahr 2015 endlich ein offizieller Album-Release für den 19. Juni abzeichnete (die CD erscheint hier sogar mit drei Bonustracks, die ursprünglich nur auf der Vinyledition enthalten waren). Doch damit noch nicht genug, tatsächlich wurde auch eine kurze Europatournee mit insgesamt sieben Terminen in Spanien, Frankreich, England, Deutschland, Belgien und den Niederlanden angekündigt. Das Herzstück dieser Tour, die The Church erstmals seit 2007 wieder in unsere Breitengrade führte, dürfte dabei der Auftritt beim namhaften „Primavera Sound Festival“ in Barcelona gewesen sein. Zwei Tage später konnten sich vor allem alle Westdeutschen glücklich schätzen, denn die einzige Live-Show hierzulande fand am 31. Mai, einem verregneten Sonntag, im Kölner Luxor statt. Satte 29 Jahre waren vergangen, seitdem die Gruppe dort im Februar 1986 zum letzten (und einzigen) Mal gastiert hatte. Dementsprechend erwartungsvoll strömte das geneigte Publikum, das zu einem nicht unerheblichen Teil aus Leuten älteren Semesters bestand und sich auch von dem verhältnismäßig hohen Eintrittspreis nicht hatte abhalten lassen, ab 19 Uhr in den ehrwürdigen Club an der Luxemburger Straße. Kurz nach 20:30 Uhr wurde endlich das Licht gedimmt und Kilbey, Koppes, Haug sowie Drummer Tim Powles enterten die Bühne in Begleitung eines zusätzlichen Live-Gitarristen…
Bereits die ersten drei Songs gaben in etwa die weitere Richtung des mehr als zweistündigen Sets vor, das zwar einen breiten Querschnitt durch das Gesamtwerk der Band bot, aber – bis auf wenige Ausnahmen – die Single-Veröffentlichungen eher selten berücksichtigte. Zudem kamen bei der Menge an bisherigen Veröffentlichungen zwangsläufig auch nicht von jedem Album Songs zum Zug. Ansonsten stand natürlich die Präsentation der aktuellen Platte im Vordergrund, von der insgesamt fünf Stücke gespielt wurden. Los ging es mit Is This Where You Live vom Album Of Skins And Heart, dem allerersten Langspieler der Gruppe, das nach atmosphärisch-ruhigem Beginn das Tempo ab dem Mittelteil deutlich anzog und so die Zuhörer gleich einzufangen verstand. Nach dem neueren Song Sealine (von der Platte Forget Yourself) erklang mit Laurel Canyon der erste Titel von Further/Deeper. Ein frühes Highlight des Abends stellte die Live-Version von You Took vom zweiten Album The Blurred Crusade dar, das die Australier in der ganzen epischen Breite der Studioaufnahme darboten. Deutlich wurde an dieser Stelle im Übrigen auch, dass sich The Church in den letzen zweieinhalb Jahrzehnten vom latenten New Wave-Sound der Anfangsjahre noch erkennbarer zu einer Psychedelic Rock-Band entwickelt haben, denn nicht selten sägten auch bei den älteren Stücken recht noisige Gitarren durch die Arrangements. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde der Beifall des Publikums, das sich erstaunlicherweise mit jedweder Forderung nach einzelnen Lieblingsliedern komplett zurückhielt, zunehmend frenetischer. Man war offensichtlich gewillt, die Gruppe zu feiern und nicht mit Wünschen zu behelligen…
Wieder folgte auf einen neueren Song (Operetta) ein älterer (Myrrh), ehe zwei Tracks von der aktuellen Platte im Block serviert wurden, wobei nach Toy Head insbesondere die Interpretation des Album-Openers Vanishing Man auf eindrucksvolle Weise hervorstach. Das darauffolgende Stück sagte Sänger Steve Kilbey mit dem Hinweis an, dass nun ihr „letzter Radiohit“ an der Reihe sei, und tatsächlich stimmten The Church Metropolis vom Album Gold Afternoon Fix an, mit dem die Band 1990 vergebens versucht hatte, die vorherigen Single-Charterfolge auf internationalem Parkett zu wiederholen. Nach einem weiteren Song von Further/Deeper (Delirious) ertönte mit The Disillusionst ein nächstes Highlight des Konzertes. Der Longplayer Priest = Aura, der 1992 die fast vollständige Abkehr der Gruppe von kommerziellen Zwängen eingeläutet hatte, ging seinerzeit zwar in der Grunge-Welle aus Seattle unter, gilt unter Fans und Kritikern heute allerdings als ihr Magnum Opus. Und tatsächlich ragte auch die Performance dieses Songs hervor, bei der Kilbey seinen Bass beiseitelegte und während der Intonation des kryptischen Textes beinahe wie ein Prediger wirkte. Seine nicht nur in diesem Moment zentrale Bühnenpräsenz resultierte fraglos auch aus dem Umstand, dass Haug während der gesamten Show wesentlich introvertierter als sein Vorgänger Willson-Piper und ähnlich ruhig wie der seit jeher recht zurückhaltende Gitarrist Koppes auftrat. Mit dem vergleichsweise kurzen Old Flame schloss sich noch ein Stück von der gleichen Platte an, bevor Lightning White (vom neuen Album) und das ebenfalls sehr intensive Block (vom vorletzten Langspieler) zum „Überhit“ der Australier führten. Under The Milky Way vom 1988er Erfolgsalbum Starfish, das mit Abstand bekannteste und somit sicherlich auch strapazierteste Lied der Band, trug das Quintett jedoch ebenso leidenschaftlich vor wie das elegische Miami (von Futher/Deeper) zum Ende des Hauptsets. Nach minutenlang tosendem Applaus legten The Church mit Day 5 und dem kongenialen Reptile, dem wohl größten Clubhit der Band vom Album Starfish, noch zwei amtliche Zugaben nach und brachten so gegen 22:45 Uhr einen denkwürdigen Konzertabend zu einem gebührenden Abschluss…
Setlist THE CHURCH @ Köln, Luxor (31.05.2015):
01. Is This Where You Live
02. Sealine
03. Laurel Canyon
04. You Took
05. Operetta
06. Myrrh
07. Toy Head
08. Vanishing Man
09. Metropolis
10. Delirious
11. The Disillusionist
12. Old Flame
13. Lightning White
14. Block
15. Under The Milky Way
16. Miami
17. Day 5 (Z)
18. Reptile (Z)
Fotos: Sonja Niemeier