SMASHING PUMPKINS – Paris, Paris Bercy (06.02.2008)

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Konzert: Smashing Pumpkins
Ort: Paris Bercy (POPB)
Datum: 06.02.2008
Zuschauer: ausverkauft? – gut möglich

Liest Billy Corgan meinzuhausemeinblog?

Warum ich mich das frage? Nun, in meinem Konzertbericht über Thurston Moore vom Dezember vergangenen Jahres, habe ich ausführlich darüber doziert, wie man sich als amerikanischer Künstler in Paris blitzschnell beliebt machen und auf die volle Punktzahl (10/10) in der Einschleimskala kommen kann. SMASHING PUMPKINS - Paris, Paris Bercy (06.02.2008)Billy Corgan hat sich gestern im riesigen Palais Omnisport in Paris-Bercy an viele meiner Regeln gehalten und sammelte sehr beachtliche 8 Punkte. Bestimmt hat sich der glatzköpfige Smashing Pumpkins – Frontmann kurz vor dem Konzert noch einmal schnell meinen Post vom 11.12.2007 durchgelesen. Wie sonst sind die folgenden wohlformulierten Sätze zu erklären, die erst nach knapp einer Stunde Spielzeit fielen:

"Thank you very much, welcome to my (sind Smashing Pumpkins keine Band?) concert; it’s always a pleasure to play in the most beautiful city in the world (2 Punkte). Of course you have your Louvres (er sagte dies wirklich im Plural, als gäb es in Paris mehrere davon!), your Eiffeltowers (ebenfalls mindestens zwei laut Corgan), your Pompidous (aha!), but what makes the city so lovely is the beautiful Parisian Women! (2 Punkte). You make me ashamed to be american (2 Punkte). I wish I was french (verdient auf jeden Fall auch zwei Punkte)."

Kein Zweifel, der Mann hat von mir gelernt, schließlich bin ich selbst mit einer Französin verheiratet und weiß wie die Leute hier ticken. Oder hat ihm wirklich der französische Nationalheld Johnny Hallyday das Erfolgsrezept für grenzenlose Symphatie in Paris verraten? "When I played in Paris long time ago, people were quite cold to me. But Johnny Hallyday (a legend, he is a legend!) told me the secret and now they love me here!" Aha, Johnny Hallyday, der ergraute Chansonier, der locker Fußballstadien in Frankreich füllt, soll ihm also die Tipps gegeben haben. Na, wenn das mal stimmt…

Wie auch immer, Billy Corgan ist auch lange genug im Geschäft und Profi genug, um immer wieder gern gehörte Allgemeinplätze loszulassen. Daran hatte ich eh keine Zweifel. Fraglich war eher, ob er auch noch in der Lage war, das Publikum in einer riesigen Allzweckhalle, wie es das Palais Omnisports de Paris Bercy ist, zu begeistern. Wahrlich eine schwierige Aufgabe, denn es ist kein Kinderspiel, die sterile Atmosphäre in einem Saal, in dem sonst auch Tennis gespielt oder geritten wird, aufzulockern und Leben in die Bude zu bringen. SMASHING PUMPKINS - Paris, Paris Bercy (06.02.2008)Zumal bei Veranstaltungen dieser Art auch immer Leute dabei sind, die sich nicht sonderlich für die jeweiligen Bands interessieren (warum sonst plapperten manche während der Lieder?) und nur auf der Suche nach einem "Event" sind, was immer das auch sein mag. Genauso gut hätten auch einige zu einem Rugby-Spiel gehen können, nur der "geilen Atmosphäre" wegen. So las ich dann auch passenderweise im Vorfeld des Konzertes von einer "Night to Remember", frei übersetzt also von einer unvergesslichen Nacht, die mich da erwartet. Ich kann es schon vorwegnehmen, unvergesslich war das Konzert nur seiner ausgedehnten Länge wegen! Fast drei Stunden donnernde Gitarren, polternde Bässe und ein peitschenartiges Schlagzeug, wer es gerne lange und laut besorgt bekommt, war gestern reichlich bedient! Manche waren auf die enorme Dezibelzahl und die Überlänge schlecht vorbereitet, was zur Folge hatte, das einige Zuschauer im Laufe des Konzertes regelrecht "abkackten" und irgendwann kaum noch mitgingen, oder sich die Ohren zuhielten. Ich als alter Konzerthase hatte allerdings vorgesorgt und mir Ohrenstöpsel besorgt, weil ich mich noch an ein "ungeschütztes" Radiohead-Konzert an gleicher Stelle erinnerte und mir jetzt noch die brutal lauten Gitarren in den Ohren piepsen. Und die 3 Stunden Spielzeit kam für mich ebenfalls nicht überraschend, weil die Smashing Pumpkins bei ihrem Comeback 2007 im Pariser Grand Rex ebenfalls so lange durchhielten. Allein für diese Kondition gebührt Billy Corgan ein Kompliment, denn körperlich war er bestens im Schuss. Schlank und sehnig wie ein Marathonläufer wirbelte er mit einer seltsamen Unterbekleidung (ich glaube es war eine Art Kilt mit schimmerndem Lammetta) und seiner lärmenden Gitarre über die Bühne, als sei er noch 20, obwohl er inzwischen mehr als doppelt so alt ist. Auch seine markante Nörgel-Stimme schien bestens geölt. Nuancenreich und klar und präzise, ließ sie ihn über die gesamte Dauer nie im Stich, auch nach vereinzelten Tarzanschreien nicht. Eine zum Teil weibliche Band unterstützte ihn bei seiner Show nach Kräften. Die hübsche Ginger Reyes spielte die gemeinen Bassläufe und die langbeinige Klavierspielerin Lisa Harriton sorgte für die melancholischen, besinnlichen Momente, die allerdings meistens in dem zu großen Saale verpufften. Besser zogen fetzige Kracher wie "Tarantula", "Bullet With Butterfly Wings", oder "The Everlasting Gaze", die alle erst in der zweiten, wesentlich besseren Konzerthälfte gebracht wurden. On Off – Drummer und einziges aktuelles Langzeitmitglied Jimmy Chamberlin konnte hier beweisen, was noch in ihm steckt.

Im Grunde genommen ging der Gig sowieso erst ab "Today" (Lied 13 der Setlist) so richtig los und das Publikum endlich auch einmal besser mit. SMASHING PUMPKINS - Paris, Paris Bercy (06.02.2008)Vorher gab es immer wieder Leerläufe und nur wenige Stücke wie z.B. das glänzende "Tonight, Tonight", oder auch überraschenderweise das neue "(Come On) Let’s Go! konnten Stimmung in die Bude bringen. Aber auch in der zweiten Hälfte konnte die Spannung nicht immer gehalten werden. Ein Zuviel an Gitarrendonner kann auch abschreckend wirken und führt nicht unbedingt dazu, daß die Besucher ausrasten. In Bercy kommt noch erschwerend hinzu, daß es etliche Sitzplätze gibt und von den Leuten, die es sich auf den roten Stühlchen bequem manchen, ist logischerweise auch nicht viel zu erwarten. Dennoch: Billy Corgan und seine Smashing Pumkins haben nicht enttäuscht, es waren einige Knaller dabei und Einsatz, Stimme und Sound stimmten auch. Es war ein solides und insgesamt gutes Konzert, allerdings kein unvergessliches Erlebnis. Billy Corgan, der mir übrigens gar nicht so arrogant und großkotzig vorkam, wie er oft beschrieben wird, hat zudem die anfänglich erwähnten Sympathiepunkte beim Pariser Publikum gewonnen, auch wenn man trotz des verdienten Schlussapplauses – den er sich seinem eigensüchtigen Naturell entsprechend alleine abholte – nicht wirklich von einem Triumph sprechen konnte.


Setlist:

01: Porcelina Of The Vast Oceans
02: Behold! The Night Mare
03: Bring The Light
04: Tonight, Tonight
05: Mayonaise
06: Try, Try, Try
07: Super Christ
08: (Come On) Let’s Go!
09: Stellar
10: Perfect
11: Lily
12: The Rose March
13: Today
14: Tarantula
15: Stand Inside Your Love
16: Ava Adore
17: Drown
18: Bullet With Butterfly Wings
19: 1979
20: That’s The Way (My Love Is) (Akustikversion)
21: My Blue Heaven
22: The Everlasting Gaze
23: Daydream
24: Wound
25: United States
26: I Don’t Mind (Zugabe)
27: Cherub Rock (Z)

Konzertdauer: 160 (!) Minuten

Außerdem gab es nach "The Everlasting Gaze" auch eine Passage mit mehreren ineinander verschachtelten Liedern anderer Bands, jeweils allerdings nur angespielt. Mein Freund Séphane hat mir diese Information mitgeteilt. Vielen Dank!:

Cash Car Star – Easy Living (Uriah Heep) – Foreplay (Boston) – For What It’s Worth (Buffalo Springfield) – Wasted Years (Iron Maiden)

Bilder des Konzerts befinden sich auf Oliver’s Flickr-Seite
SMASHING PUMPKINS - Paris, Paris Bercy (06.02.2008)

Autor : Oliver (http://meinzuhausemeinblog.blogspot.com/).

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