IAMX – Frankfurt, Das Bett (21.04.2011)

IAMX - Frankfurt, Das Bett (21.04.2011)
Geschätzte Lesezeit: 5 Minute(n)

Tanzverbot im Bett

Am Gründonnerstag war ich mit Chris Corner im Bett. (Es gibt Steilvorlagen, die kann man sich einfach nicht entgehen lassen). Das Bett platzte aus allen Nähten, denn der Club „Das Bett“ in Frankfurt war ausverkauft und mit den geschätzten 400 netten Leuten, die IAMX auf der „Fire & Whispers Tour“ nicht verpassen wollten, prall gefüllt.

Um Das Bett herum herrschte derweil ob der nahenden Ostertage und Dank des hessischen Feiertagsgesetzes Tanzverbot. Tanzverbot! Das Wort muss man sich mal kurz auf der Zunge zergehen lassen. Tanzverbot. Tsk… Inwiefern dieses vom Publikum eingehalten wurde bzw. dass es eigentlich überhaupt nicht möglich war, es während des Konzertes einzuhalten, wird der folgende Bericht zeigen.

IAMX - Frankfurt, Das Bett (21.04.2011)Statt Noblesse Oblige, die IAMX auf der Tour eigentlich unterstützen (ich hoffe, das Nichtauftreten hatte eher mit technischen Gründen als mit Vodoo zu tun), bekam das Frankfurter Publikum spacige Filme eines Frankfurter Künstlers zu sehen. Um kurz nach halb zehn betraten dann die eigentlichen Helden des Abends die Bühne und eröffneten mit “Music People” vom aktuellen Album “Volatile Times” einen großartigen Konzertabend. Neben Mastermind Chris Corner himself trugen Janine Gezang (dem Publikum bereits von der letzten Tour bekannt), Alberto Álvarez an der Gitarre und Caroline Weber am Schlagzeug sowie ein feierwilliges Publikum dazu bei.

Kunstvolle Projektionen, vermutlich wieder von des Meisters Hand kreiert, schmückten die Bühne, und eine Art Teilmaske mit Blumen schmückte den Meister selbst. Auch weitere Gesichtsverzierungen waren im raren Licht der Projektionen und einer roten Nachttischlampe zu erahnen – ein vertrautes Bühnenbild gewissermaßen.

Chris Corner führte ungewohnt fröhlich und kommunikativ und gewohnt intensiv durch den Abend und durch mittlerweile vier Alben. „Kiss & Swallow“ (2004) war dabei mit zwei Songs vertreten, von „The Alternative“ (2006) und „Kingdom of Welcome Addiction“ (2009) wurden jeweils vier Songs gespielt und… ja, die Aufzählung geht noch weiter. Denn im Gegensatz zu den kurzen Setlists und entsprechend (zu) kurzen Konzerten vergangener Touren wurden die Gäste auf der „Fire & Whispers Tour“ gleich mit einem „XXL-Set“ beglückt. Vom aktuellen Album hatten IAMX gleich sechs plus zwei Zugabe-Songs im Gepäck. Neben dem bereits erwähnten Opener „Music People“ waren dies das berührende „Volatile Times“, „Ghosts of Utopia“ (das Video zu diesem Song sei an dieser Stelle empfohlen), der Namensgeber der Tour „Fire & Whispers“, „Cold Red Light“ sowie „Bernadette“ und „Commanded by Voices“. Egal ob neu oder von einem der älteren Alben – alle Songs wurden mit ähnlicher Begeisterung und mit ähnlicher Textsicherheit vom Publikum aufgenommen und gefeiert.

Das großartige „Tear Garden“ kam dieses Mal in einer etwas anderen Live-Version daher, die mir nicht so wirklich gefallen will (humble opinion I), während das Publikum den Song auch in diesem etwas anderen Gewand sehr zu schätzen wusste. Anschließend bekam Christopher Hitchens (dem es vermutlich gefallen hätte, dass getanzt wurde) seinen Salut. “An Scientific Death is bigger than a fairy tale“.

Das Publikum bekam mit diesem ruhigen Song eine Pause für den Körper. Seelen und Herzen wurden dagegen weiter bewegt. Diese kurze Ruhephase war gut, da Hitze und Enge dem Publikum einiges abforderten. Dies war, um es vorweg zu nehmen, der (einzige) Wermutstropfen dieses Konzertabends. So schön und wichtig ausverkaufte Venues für Veranstalter und Band und letztlich auch für das Publikum sind, so schön wäre es, wenn das Konzerterlebnis darunter nicht so sehr leiden würde. Aber nun – draußen war es in diesem Fall auch recht angenehm, zumal irgendwann netterweise die Tür geöffnet blieb und sich drinnen die Sauerstoffversorgung der Tanzenden und draußen die Musikversorgung der sich Abkühlenden verbesserte.

Da auch IAMX-Fans die Songs schon an den ersten zwei Tönen erkennen, geschah es daraufhin draußen mehrfach, dass nach besagten zwei Tönen jemand aufsprang und versuchte, wieder in die Halle zu kommen, um Songs wie „Bring Me Back A Dog“ oder „Kiss & Swallow“ nicht zu verpassen. Letztgenannter Song sorgte als (heute) erster Song vom gleichnamigen Album noch einmal für besondere Freude.

Nach kurzer Pause für frenetischen Beifall wurde dann mit „President” als letztem Song des regulären Sets der nächste Angriff auf das Tanzverbot gefahren. Wären nicht alle Hände und Arme über den Köpfen gewesen, wären vermutlich (dem Tanzverbot zum Trotze) walzerartige Tanzauswüchse im Publikum nicht zu vermeiden gewesen. Die Hände und Arme blieben auch nach dem Verklingen der letzten Töne über den Köpfen, nun um Zugabewünsche kundzutun. Die Band ließ sich nicht lange bitten und zeigte sich sehr, sehr großzügig.

Den Song, der den Zugabeblock eröffnen sollte, sagte Chris Corner wieder in deutscher Sprache und zu spieluhrartigen Klängen an – um anschließend gleich den ganzen Song deutsch zu singen: Bernadette, Du öffnest meine Welt. Hmm… eine nette Geste für ein deutschsprachiges Publikum, aber dem Song tut das (humble opinion II) nicht unbedingt gut, auch wenn er natürlich trotzdem weiterhin großartig ist. „Bernadette“ hatte es bei einigen Konzerten der Tour nicht auf der Setlist geschafft, daher mischte sich in den Jubel wohl auch noch etwas Erleichterung, dass man in Frankfurt in diesen Genuss kommen konnte.

IAMX - Frankfurt, Das Bett (21.04.2011)Mit „The Alternative“ trieb die Band den Energiepegel anschließend noch weiter hoch. Immer weiter, immer höher. Großartig! Das Publikum schien spätestens zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich zu einer einzigen Gefühlsäußerung fähig: Begeisterung. Und so wurden auch „Skin Vision“ (der zweite Kandidat vom ersten Album) und „Commanded by Voices“ vom aktuellen Album begeistert gefeiert und betanzt. Wenn das Publikum hätte bestimmen können, wären IAMX an diesem Abend bestimmt nicht vor dem Morgengrauen von der Bühne gelassen worden. Auch Chris und Co wirkten, als wäre die XXL-Setlist ganz nach ihrem Geschmack und lieferten in Frankfurt ein wirklich beeindruckendes, hochwertiges Konzert.

Wenn es am Schönsten ist, soll man gehen? Dann ist es gut, dass „Spit It Out“ erst ganz am Ende gespielt wurde und dieses großartige Konzert beschließt. Ein wahres Feuerwerk aus Energie, großartiger Musik und Spielfreude wurde hier noch einmal abgefeuert, und das Publikum tanzte, und sang und jubelte und tanzte. Jeder das Tanzverbot ahndende Richter hätte hier “mildernde Umstände “ gelten lassen, denn Nichttanzen war eigentlich gar nicht möglich.

Auch die Welt außerhalb des Bettes trat hinter dieser Show für zwei Stunden in den Hintergrund und ließ die Glücklichen und Tanzenden in Ruhe. “I just want to turn the lights on in these volatile times” – ich würde sagen, das hat er geschafft. Gut, dass es Bands wie IAMX gibt…

Setlist:
01. Music People
02. Volatile Times
03. Nightlife
04. Ghosts Of Utopia
05. My Secret Friend
06. Tear Garden
07. I Salute You Christopher
08. Fire & Whispers
09. Think Of England
10. Bring Me Back A Dog
11. Nature Of Inviting
12. Cold Red Light
13. Kiss And Swallow
14. President
—-
15. Bernadette (deutsch) (Z)
16. The Alternative (Z)
17. Skin Vision (Z)
18. Commanded by Voices (Z)
19. Spit It Out (Z)

Bilder des Konzerts befinden sich in unserer Konzertfotos Sektion (Bildkommentare sind durch Anklicken der Sprechblase möglich) oder direkt durch Anklicken der Bandfotos.

Autorin und Fotos: Claudia Schöne

More from Sparklingphotos.de

TORUL & EGOAMP – Oberhausen, Kulttempel (11.10.2015)

EGOamp wurde von Asmodi Caligari und Cesare Insomnia gegründet. Das Projekt wird...
Read More