Vor einigen Jahren hatte ich das Glück, den inzwischen leider verstorbenen Jon Lord (ehemals Deep Purple) mit Orchester im Saalbau der Philharmonie Essen erleben zu dürfen. Ein musikalischer Hochgenuss! Der Klang eines Orchesters, vielleicht sogar eines Symphonie Orchesters ist halt doch etwas außergewöhnliches, was sich vielleicht unter Studiobedingungen elektronisch reproduzieren lässt, aber auf der Bühne recht unvergleichlich ist.
Jetzt also Rock meets Classic, vom Konzept her leicht verändert. Statt einer ganzen Band mit Orchester, präsentiert man bekannte Stimmen mit Band und Orchester. In diesem Jahr waren diese Stimmen Midge Ure (Ultravox und auch Solo), Joe Lynn Turner (Rainbow, Deep Purple), Kim Wilde, Bernie Shaw und Mick Box (Uriah Heep), sowie als „Headliner“ noch Alice Cooper.
Gleich von Anfang an wurde leider deutlich, dass eine Gruga-Halle im Bereich Akustik (natürlich) nicht mit dem Saalbau der Philharmonie mithalten kann. Obwohl die Halle zu allen Seiten mit Vorhängen abgehangen war, war der Sound des Orchesters nicht ansatzweise so beindruckend, wie er hätte sein können. Durch die elektronische Verstärkung über eine PA wurden so Fehler hörbar, die es normalerweise nicht bis zum Publikum geschafft hätten und der Sound wurde viel zu sehr beschnitten.
Eröffnet wurde der Abend (nach dem Intro The Show must go on, gesungen vom sehr engagierten Background-Chor) von Midge Ure. Und natürlich gab es Vienna, natürlich gab es Dancing with Tears in my Eyes, beide Songs funktionierten auch ganz fabelhaft mit großem Orchester. Und die Reaktion des Publikums war nicht weniger fabelhaft, begeisterte Ausrufe bei bekannten Klängen, lautes Mitsingen schon so früh am Abend?
Nächste Stimme war Joe Lynn Turner, der auf weniger Hits als Midge Ure zurückblicken kann, den meisten wird wohl gerade mal I surrender (Rainbow) bekannt sein. Aber nichtsdestotrotz kam sein Auftritt gut an. Es ist immer wieder überraschend, wie gut ein Hardrock-Sänger sich gegen ein Orchester durchsetzen kann. Zu dem Thema gibt es übrigens auch interessante Aussagen von Bruce Dickinson in der Doku „Metal – A Headbangers Journey“ (highly recommended). Joe Lynn Turner durfte noch den anderen großen Hit von Rainbow Since you´ve been gone zum Besten geben, der wiederum begeistert aufgenommen wurde.
Zeit für einen Wechsel vom Rock zum Pop, Zeit für Kim Wilde. Und so nett es war, Kim Wilde auf der Bühne zu sehen, so begeistert das Publikum auch reagierte, so „Very Best Of“ ihre Darbietung auch war, so vergleichsweise schlecht funktionierte für mich die Kombination Pop Meets Classic. Die Songs von Kim Wilde sind nicht GROSS konzipiert, ihre Stimme ist nicht GROSS.
Nach einer Pause ging es dann mit einem der großen Hits überhaupt weiter, Another Brick in the Wall von Pink Floyd, dargeboten von der Mat Sinner Band (plus Orchester). Großer Applaus, überschattet von der Erwartung der nächsten Special Guests: Mick Box und Bernie Shaw von Uriah Heep waren angesagt und die hatten, im Gegensatz zu Joe Lynn Turner, natürlich ein ganzes Arsenal an Hits zur Verfügung. Angefangen bei Easy livin’, über Free me (begeistert von den Zuschauern aufgenommen, noch begeisterter mitgesungen), ein überraschend großartiges July Morning (vielleicht vom Arrangement, wenn man persönliche Präferenzen außen vor lässt, das beste Stück des Abends) bis hin zu der unvermeidlichen Lady in Black.
Nach einem weiteren Intermezzo, einem Ausschnitt aus dem bekannten Soundtrack zu „Fluch der Karibik“ kam für so manchen der Höhepunkt des Abends, Alice Cooper. Und Alice Cooper erbrachte in nur 6 Songs den Beweis, ein wahrer Meister der Bühne zu sein. Wir reden hier über 40 Jahre Bühnenerfahrung, es ist unglaublich. Natürlich ist es unmöglich, aus so einem großen Werk nur so wenige Songs auszuwählen, natürlich bleiben immer Favoriten auf der Strecke, aber für die 20 Minuten, die Alice auf der Bühne stand, waren alle im Saal zufrieden. Das Publikum stürmte aus dem bestuhlten Innenraum der Gruga-Halle zur Bühne, Alice hatte seinen Spaß, des Orchester hatte seinen Spaß, das Publikum war begeistert und für ein paar Minuten war dann auch der (wahre?) Geist des Rock zu spüren.
Letztendlich waren es die kleinen Momente, die diesen Abend der großen Show dann doch besonders machten: Die Violinistin mit den leuchtenden Teufelshörnchen, Nina die Querflötistin, die Background-Sänger, die ihren Spaß bei July Morning hatten, die tanzende ältere Dame in der Reihe vor mir, die begeisterten Ausrufe des Publkums, wenn ein persönlicher Favorit angestimmt wurde…
Es ist leicht, sich über einen Abend lustig zu machen, der im Konzept so wenig Rock, so wenig Pop und auch eigentlich so wenig Klassik bietet, der aber den Zuschauern (und offensichtlich auch den Akteuren auf der Bühne), solch einen Spaß bereitet. Was immer Menschen dazu bringt, ihr Heim zu verlassen, einen Konzertsaal aufzusuchen und dort Spaß zu haben, zu tanzen, zu singen, das ist mehr als OK für mich!
Setlist Rock Meets Classic 2014:
01. We will Rock You/The Show Must Go On (Queen) (Mat Sinner Band & Orchester)
02. Hymn – Midge Ure (Ultravox)
03. Breathe – Midge Ure (Ultravox)
04. Vienna – Midge Ure (Ultravox)
05. Dancing With Tears in My Eyes – Midge Ure (Ultravox)
06. I Surrender (Rainbow) – Joe Lynn Turner
07. Stone Cold (Rainbow) – Joe Lynn Turner
08. Love Conquers All (Deep Purple) – Joe Lynn Turner
09. Since You Been Gone (Rainbow) – Joe Lynn Turner
10. Beethoven, Sinfonie Nr. 5, 1. Satz (Orchester)
11. You Came – Kim Wilde
12. Cambodia – Kim Wilde
13. You Keep Me Hangin’ On – Kim Wilde
14. Kids in America – Kim Wilde
— 20min Pause —
15. Another Brick in the Wall (Pink Floyd) (Mat Sinner Band & Orchester)
16. Easy Livin’ – Mick Box & Bernie Shaw (Uriah Heep)
17. Free Me – Mick Box & Bernie Shaw (Uriah Heep)
18. July Morning – Mick Box & Bernie Shaw (Uriah Heep)
19. Lady in Black – Mick Box & Bernie Shaw (Uriah Heep)
20. He’s a Pirate (aus “Fluch der Karibik”)
21. Hello Hooray – Alice Cooper
22. House of Fire – Alice Cooper
23. No More Mr. Nice Guy – Alice Cooper
24. Only Women Bleed – Alice Cooper
25. Welcome to My Nightmare – Alice Cooper
26. Poison – Alice Cooper
27. School’s Out – Großes Finale mit allen Künstlern
Wir haben für euch eine Bildergalerie zum Festival zusammengestellt, die ihr hier oder durch Anklicken der Bilder erreichen könnt:
Bildergalerie: ROCK MEETS CLASSIC 2014 in Essen (02.04.2014)
Fotos: Michael Gamon