Alles wird Amphi! Über zwei Jahre hat man diesen Spruch nun schon strapaziert und immer wieder gehofft, dass es im Sommer wieder möglich sein wird, Festivals zu veranstalten. 2020 und 2021 kam es bekanntlich anderes, doch 2022 ist es endlich soweit: das Amphi Festival eröffnete am 23. Juli 2022, einen Tag nach dem Call The Ship To Port wieder seine Pforten am Tanzbrunnen Köln.
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Die Musikfans haben es spürbar vermisst und können, quasi um wieder langsam herangeführt zu werden, auf einem längeren Fußweg von gut 1,5 Kilometern von den kostenlosen Parkplätzen (für zehn Euro ist auch das Parken im RTL Parkhaus gegenüber des Tanzbrunnens möglich) erst einmal vorsichtig Festivalluft schnuppern. Schon um 11 Uhr geht es offiziell auf dem Tanzbrunnen los, der Platz füllt sich zum Auftritt von Chemical Sweet Kid zunächst nur langsam, nach und nach dann aber immer weiter. Das gleiche kann man am Nachmittag ab 14:05 Uhr dann auch vom Theater sagen, denn die hier auftretenden Bands stehen denen auf der Hauptbühne qualitativ in nichts nach und spätestens ab Empathy Test platzt auch das Theater aus allen Nähten – Einlassstopp! Hier ist heute schon früh also Warten angesagt, was für viele schon ernste Befürchtungen für den Abend auslöst: Wird man dem viel erwarteten Auftritt der Theater-Headliner The Birthday Massacre überhaupt beiwohnen können? Bis dahin ist es aber noch eine ganze Weile und es stehen namhafte Acts wie Letzte Instanz. Solar Fake, Mesh , [:SITD:], Frozen Plasma (heute von der wunderbaren Lis van den Akker verstärkt) oder Mono Inc. auf dem Programm. Viele, mehr oder weniger gute, alte Bekannte also, die auch Dank der Zwangspause zumeist lange wieder herbeigesehnt wurden. Solar Fake um Fronter Sven Friedrich geben jedenfalls alles, um weiter in guter Erinnerung zu bleiben und dabei wird Sven heute von Elliott Berlin unterstützt, da Andre Feller leider nicht dabei sein kann. Elliott schlägt sich sehr gut, verleiht dem Auftritt noch zusätzliche Energie und so springt er kurzerhand samt Bass ins Publikum und feiert mit den Fans ordentlich ab. Leider gibt es am heutigen Tag immer wieder Soundprobleme, von denen auch Mesh betroffen sind, besser läuft es am Ende aber für den Headliner: VNV Nation. Und wie üblich braucht Stimmungskanone Ronan Harris nicht viel Zeit, um sein Publikum mitzureissen. Er freut sich sichtlich, lässt sich immer wieder zu Gesprächen verführen, doch das tut der Stimmung natürlich keinen Abbruch, der Tanzbrunnen kocht und natürlich ist auch die Freude groß, als Ronan für Februar 2023 das neue Album Electric Sun ankündigt, das deutlich düsterer ausfallen soll. Ich bin jedenfalls seit langem mal wieder etwas gespannt. Im Theater muss der Headliner ebenfalls zunächst mit technischen Problemen kämpfen, doch mit etwas Verspätung dürfen dann auch endlich The Birthday Massacre abrocken und das tun sie mit einem Querschnitt ihres gesamten Schaffens, gewohnt vielen Grimassen, Liebesbekundungen, harten Klängen und jeder Menge Energie.
Etwas abseits des eigentlichen Tanzbrunnen-Trubels hat in diesem Jahr wieder die dritte Bühne, die Orbit Stage, Station gemacht. Aufgrund des niedrigen Rheinpegels, musste die MS RheinEnergie in diesem Jahr wieder auf der anderen Rheinseite anlegen und ist dementsprechend schwer zu erreichen, zumal die Sperrung der Deutzer Brücke für einen deutlich umständlicheren Anfahrtsweg der eingesetzten Shuttle Busse führt. Ein knapp 20-minütiger Fußweg wird da zur ernsthaften Alternative. Die heißen Temperaturen tun aber wohl ebenfalls ihr übriges dazu, dass es auf dem Schiff lange Zeit weniger voll ist, was sich erst zum Ende hin ändert. Dabei wird hier mit bester Musik, Getränken in Gläsern und einem klimatisierten Inneren ordentlich etwas geboten. Das Programm musste auf der MS RheinEnergie leicht angepasst werden, denn Der Fluch müssen Aufgrund einer Corona Infektion ihren eigentlichen Auftritt absagen, beeindruckender Weise haben sich Sänger Deutscher W und die spontan eingesprungene Brigitte Handley aber spontan bereit erklärt, ein 30-minütiges Set zu spielen, das sehr zu überzeugen weiß. Die heiße Phase wird dann mit den Dänen von The Foreign Ressort eingeläutet, ein tolles Set. bevor Joy Division Undercover die Fans alter Klassiker mit einem großartigen Coverset unterhalten und sich auch nicht von einem sehr spärlich bekleideten Fan aus der Ruhe bringen lassen, der zu Transmission auf die Bühne sprang, aber ebenso schnell wieder abgeführt wurde. Ash Code lassen es heute im Anschluss etwas gemächlicher angehen, doch dafür begeistern She Past Away zum Abschluss umso mehr.
Der Sonntag steht zunächst ganz im Zeichen des Mottos „Schatten suchen“, denn die Sonne brennt schon früh lichterloh auf die Domstadt herab. Das bedeutet dann natürlich, dass die Plätze unter den prägnanten Tanzbrunnenschirmen stets gut bevölkert sind, während die äußeren Bereiche vor der Bühne meist nur spärlich besetzt sind. Das geschlossene Theater erfreut sich bei angenehmeren Bedingungen als im prallen Sonnenschein natürlich ebenfalls einer gewissen Beliebtheit und auch das Schiff ist nun schon früh gut besucht. Die Klimaanlage hat ordentlich zu tun, zum einen gegen die Hitze, zum anderen aber auch um gegen die schweißtreibenden EBM-Beats von Sturm Café oder Dupont bestehen zu können. Um es vorweg zu nehmen, es war ein ungleicher Kampf, die Klimaanlage hatte keine Chance. Auch nicht bei Cat Rapes Dog, deren Auftritt so viel Spaß macht, dass der Gitarrist zum Pogen gleich mit ins Publikum springt. Zeit, den Tag auf dem Schiff mit etwas ruhigeren, aber nicht minder tollen Tönen bei In Strict Confidence ausklingen zu lassen.
Derweil haben sich auf der Mainstage mehr oder minder harte Klänge aus Gitarren und Elektronik gekonnt ab gewechselt, Aesthetic Perfection den Look des Festivals abgeliefert, während es im Theater nicht nur wegen der geschlossenen Halle etwas dunkler zugeht. Insgesamt scheint man es heute alles etwas ruhiger und entspannter angehen zu lassen, Trotzdem wird natürlich immer wieder auch ausgelassen gefeiert. Höhepunkte am Tanzbrunnen sind neben den wunderbaren Sono natürlich vor allem die Auftritte der Headliner und so ist es sowohl bei Eisbrecher auf der Mainstage, als auch bei London After Midnight ziemlich voll, bei Letzteren im prall gefüllten Theater auch durchaus stickig. Wie am Vortag endet das musikalische Live Programm natürlich wieder um kurz vor 22:00 Uhr, doch auch heute darf danach noch im Theater zu Musik aus der Konserve weiter gefeiert werden, bevor auch die letzten den Tanzbrunnen glückselig verlassen.
Es war sehr schön, endlich wieder auch in der Domstadt feiern zu können, kleinere technische Probleme sorgten nur kurzfristig für leichte Dämpfer, es überwog aber bei den knapp 12.500 Feierwilligen ganz klar der Spaß an diesem Wochenende. Und auch die Bands waren sichtlich froh, wieder auf den Brettern die die Welt bedeuten, stehen zu dürfen und haben sich vielfach doch einiges für Ihre Show einfallen lassen, seien es interessante Outfits, Stagediving oder viel Interaktion und witzige Sprüche. Und auch die Qualität des Catering hat deutlich angezogen. Man hat aufgerüstet, es war mehr Auswahl vorhanden und nun durften sich auch Vegetarier über leckere Alternativen freuen.
Ebenfalls schon jetzt freuen darf man sich auf die nächste Ausgabe des Amphi Festivals am 29. und 30. Juli 2023, denn das bisher bestätigte Programm kann sich mit den “Leuchtturm-Acts” Deine Lakaien und Front 242, aber vor allem auch vielen interessanten Bands aus der zweiten und dritten Reihe (Actors, Whispering Sons, Future Lied To Us oder Traitrs) schon mehr als nur sehen lassen.