Ein neues Festival zu etablieren, ist immer ein schwieriges Vorhaben. Gerade nach der langen Zeit der Pandemie ist es dann ja auch so eine Frage, ob man die Veranstaltung voll bekommt. Bereits mitten in der Pandemie haben sich die Veranstalter Manamana-Events aus Halle und Pluswelt Promotion aus Hamburg zusammengetan, um das erste EASTSIDE-Festival für Pop- und Wavemusik zu veranstalten. Ein mutiges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass 2020 ja alles zum Erliegen gekommen ist. So ist der erste Festivaltermin 2021 dann auch leider geplatzt, aber die Veranstalter gaben nicht auf. So war es dann also am ersten Juliwochenende 2022 an der Zeit, die Tore im Karlsbad zu öffnen und das feierwütige Volk zu empfangen.
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Das Areal des Karlsbades lädt neben dem Festival u.a. auch dazu ein, sich doch nochmal in die Fluten zu stürzen. Weitläufige Sitzgelegenheiten sorgten dafür, dass man sich an mehreren Ständen mit genügend Getränken und Essen versorgen konnte.
Freitag, 01.07.2022
Als sich um ca. 16.30 Uhr die Tore öffneten, war es sehr überschaubar, was sich am Eingang versammelte. Der Wettergott hat die Sonne ausgesperrt und es war tatsächlich etwas frisch um die Nase. Noch bevor um 17.30 Uhr ADAM IS A GIRL das Festival eröffnen sollten, hatte man das Gefühl, leichte Regentropfen zu verspüren. Aber pünktlich zur Stagetime war das dann auch schon vergessen. Frontfrau Anja wirkte erst etwas eingeschüchtert, als sie auf die Bühne kam. Sie und ihr Bandkollege Alexander Pierschel haben sich aber sehr schnell eingespielt und haben mit dafür gesorgt, dass es vor der Bühne langsam voller wurde. Das wirklich saubere Set hätte weitaus mehr Publikum verdient. Aber es war auch abzusehen, dass so früh noch nicht die Massen aufschlagen würden.
Dabei ging es Schlag auf Schlag und bereits als zweite Band standen dann die Jungs von EMPATHY TEST auf der Bühne. Frontmann Isaac ging sehr direkt auf das Publikum zu und hatte das voller werdende Areal auch schnell im Griff. Ich war erstaunt, wie frenetisch die Band doch empfangen und gefeiert wurde. Ihr auf Platte eher softer Electropop hatte live deutlich mehr entfacht und so war der Erfolg des kurzen Auftritts doch schon als kleines Highlight zu sehen. Und der Abend sollte ja erst noch starten …
Für mich persönlich herbei gesehnt wurde dann der Auftritt von Tausendsassa Daniel Myer und seinem Projekt HAUJOBB. Wer Daniel so sieht, wird denken: was für ein lieber Typ. Sein Projekt HAUJOBB ist dann aber doch eher etwas für Freunde der härteren Töne gewesen. Ist halt Männermusik. Auch hier ein kurzes prägnantes Set, welches einen Querschnitt durch die Diskographie lieferte und nicht nur mein Herz höherschlagen ließ. Und noch wusste keiner, wie Daniel noch zur Höchstform auflaufen wird.
Kurze Umbaupause und dann war es Zeit für wirkliche Kult-Stars auf dem Festival, wenn man es so bezeichnen darf. Zu den Klängen von Stranger kamen CLAN OF XYMOX auf die Bühne. Ich selber hatte sie bis dato nicht live erlebt, war aber doch von dem Set mehr als begeistert. Auch wenn es anfangs so aussah, dass es auf der Bühne gewisse Kommunikationsschwierigkeiten gab, hatten besonders Ronny Moorings und Bassistin Mojca Zugna immer freundliche Blicke fürs Publikum, was ihrem unterkühlten Image doch eher befremdlich gegenüberstand.
Nach einer weiteren kurzen Pause war es dann auch Zeit für den eigentlichen Headliner des Tages. Um noch rechtzeitig zum nächsten Gig am darauffolgenden Samstag zu kommen, tauschten die Jungs von MESH ihren Slot ein und traten als Vorletztes auf. Ca. 1.000 Fans feierten ein Set, für das die Band auf gut dreißig Jahre Bandgeschichte zurückgriff. Die Jungs haben in der Zeit ja so viele gute Platten veröffentlicht, dass ich nicht entscheiden möchte, welche Tracks man in ein gut 90 Minuten langes Set packt. Es passte verdammt gut zusammen. Auch wenn ich immer wieder mit der Erscheinung Mark Hockings als Frontmann hadere, da er für mich eher der Anti-Star als der Entertainer ist. Aber stimmlich liefert Mark immer wieder perfekt ab. Trotzdem hat man den Jungs schon angemerkt, dass sie nach gut zwei Jahren Zwangspause noch nicht ganz zurück im Training sind. Anyway, die Jungs mussten fertig werden, da eben schon der nächste Gig am Samstag auf sie wartete.
Deshalb haben Mesh auch ihren Platz mit der italienischen Formation KILIAN CAMERA getauscht, die das bittere Los hatten, nach dem Headliner spielen zu müssen. Das Set von Kilian Camera war nach Mesh sehr sperrig und es schien mir, dass sich einige Gäste dann auch dazu animiert gefühlt haben, vorzeitig nach Hause zu gehen. Dabei hat Frontfrau Elena Fossi sich redlich bemüht, ein beeindruckendes Set abzuliefern. Aber die Show, gepaart aus Esoterik und Horrorfilm, war dann doch nicht jedermanns Sache.
Samstag, 02.07.2022
Für den Samstag hat der Wettergott sich gewaltig ins Zeug gelegt. Bereits seit den frühen Morgenstunden zeigte sich keine Wolke über Halle und es sah so aus, als wenn es ein perfekter Festivaltag werden würde.
Leider wurde die Stimmung erst einmal getrübt, denn F.O.D., die den Samstag eröffnen sollten, mussten aufgrund eines familiären Trauerfalls ihren Gig leider absagen. Was nun? Später hinfahren oder doch pünktlich da sein und die besten Plätze sichern?
Alle, die trotzdem 16.00 Uhr bereits auf dem Gelände waren, haben wahrlich das Glück gehabt, einen einmaligen Auftritt zu erleben. Daniel Myer, der am Vortag bereits mit HAUJOBB aufgetreten war, hat sich spontan bereit erklärt, mit seinem Projekt DSTR aufzutreten und so den Tag runder zu gestalten. DSTR ist im Gegensatz zu Haujobb ein sehr tanzbareres Electroprojekt und so war es nicht verwunderlich, dass sofort Partystimmung aufkam. Daniel hat viel Humor bewiesen, sinnierte er doch übers Alter und hat u.a. mit Sonnenhut und Sonnenbrille im Sonnenstuhl auf der Bühne gesessen und performt. Highlight war gewiss seine Interaktion mit dem schwarzen Fernsehgarten. Zu Judgement tanzte das Publikum nach bester ZDF-Manier und wedelte dabei mit den Armen. Daniel hat auf seiner FB-Seite ein Video davon gepostet, wo man raus hört, dass es ihm wahrlich Spaß gemacht hat und er bestimmt nicht erwartet hatte, dass dieser Auftritt so erfolgreich wird.
Einen Stilwechsel gab es dann mit THE FOREIGN RESORT aus Dänemark. Ihre Mischung aus 80s-Waverock und modernen Klängen war ebenso einladend und unterhaltsam, wie man es für diesen Tag erwartet hat. Frontmann Mikkel Jakobsen hatte sichtlich mit der Sonne und den steigenden Temperaturen zu kämpfen.
Der Altmeister des Tages sollte dann wohl Marcus Meyn mit seinem Projekt M.I.N.E. sein. Leider lässt sich Marcus immer noch mit dem Hinweis auf seine andere Band CAMOUFLAGE ankündigen. Ein Stempel, den er und seine Kollegen eigentlich nicht nötig hätten. Natürlich kann er das nicht abschütteln und so griff die Band bereits mit dem zweiten Stück That Smiling Face bereits auf Camouflage zurück. Aber Marcus hat seine Sache verdammt gut gemacht. Dass er eine Schwäche für einen gewissen Frontmann einer englischen Synthie-Popband hat, lässt sich weder in Sachen Styling, noch in Sachen Gesang verbergen. Aber soll er machen. Marcus ist authentisch und ja, wenn man sein Alter berücksichtigt ebenso eine Rampensau, wie sein britisches Vorbild. 😉
Nach einer relativ kurzen Pause wurde es dann etwas extravaganter und härter. AETHETIC PERFECTION kamen auf die Bühne und es wehte ein Hauch von Hollywood durchs Areal. Daniel Graves kleidet sich ja immer wieder extravagant und bricht gerne mit den Regeln der dunklen Szene. Dieses Mal war es aber fast schon Szenelike im XXL-Shirt mit goldenen Skull-Applikationen und dazu ein schwarzer Lack-Fischerhut. So hüpfte er über die Bühne und suchte immer wieder den Kontakt zum Publikum, welches mittlerweile in gewaltiger Partylaune zu den Aggrotech-Klängen tanzte.
Zur langsam untergehenden Sonne wurde es Zeit für die Speerspitze des deutschen Electropop. DE/VISION auf der Bühne zu erleben, ist immer wieder ein Genuss. Steffen Keth ist für mich einer der intelligentesten Menschen in dem Genre und so ist auch seine Show nach dreißig Jahren mehr als ausgereift. Der Mann schauspielert nicht, sondern man merkt auch an diesem Abend wieder, dass er die Musik von De/Vision lebt und selbst genießt. Die Setlist ist sehr abwechslungsreich gewählt und es ist für jedes Herz was dabei. Schnell, eigentlich viel zu schnell wurde es dann aber doch Zeit für De/Vision, die Bühne zu räumen.
Während Daniel Myer bereits am Freitag mit HAUJOBB auf der Bühne stand und am Samstag mit DSTR den Tag eröffnete, so gab es jetzt Daniel Teil III. Die Bühne wurde eingenebelt und COVENANT waren den Headliner des Tages. Eskil Simonson in seiner androgynen Art kam auf die Bühne und man ist immer doch wieder erstaunt, was für ein guter Sänger doch ist. Das gesamte Festivalgelände tanzt und keiner merkt wirklich, wie extrem Eskil sich bereits bei Dead Stars, dem zweiten Track verhaspelt und den Track eigentlich komplett versemmelt. Aber was solls, es tut der Stimmung an diesem lauen schönen Sommerabend keinen Abbruch. Und auch hier gibt es natürlich mit Lightbringer wieder Daniel Myer an der Bühnenfront. Covenant sind ein würdiger Abschluss für so ein Festival, welches mich tatsächlich komplett begeistert. Moment, Abschluss? Finale? Nein, da kommt doch noch was…
Pünktlich um Mitternacht geht die Party dann weiter. Auf der Hauptbühne wird erneut das Licht gedimmt und aus fernen Galaxien betreten die Jungs von S.P.O.C.K. die Bühne, um die Nacht weiter gehen zu lassen. Der gute Android (Alexander Hofman) ist zwar ein bisschen älter geworden in den letzten Jahren, aber bewegt sich immer noch wie ein Gummiball auf Speed auf der Bühne. Seine Musiker Yo-Haan und Val Solo verbreiten ebenso viel Spaß und die Spaceparty geht ab. Wenn man bedenkt, dass das letzte Album bereits vor zwanzig Jahren erschienen ist, sind alle Festivalbesucher immer noch textsicher und feiern richtig ab. Besonders die Stücke der ersten drei Alben werden abgefeiert. Alexander, mit seinem mittlerweile wirklich guten Deutsch, kann auch durch seine Ansagen immer wieder Lacher hervorzaubern. Nach gut 45 Minuten ist es dann aber doch soweit, der offizielle Teil des Eastside Festivals erlebt mit Never Trust A Klingon sein großes Finale. Doch statt alle Gäste in die Nacht zu verlassen, wurden alle Besucher eingeladen, noch mit Daniel Graves an den Reglern bei der Aftershow-Party weiter zu feiern.
Fazit
Das erste Eastside Festival war dank der guten Organisation, dem Line-Up, der Location und der Festival-Crew ein voller Erfolg. Man sah an beiden Tagen nur glückliche, schwarz gekleidete Menschen. Auf Nachfrage bei Jan Winterfeld (PLUSWELT Promotion) gab es an beiden Tagen tatsächlich keinen Ärger unter den Besuchern und die Organisatoren waren sehr zufrieden. Natürlich hätte man sich gewiss mehr Besucher gewünscht, aber irgendwo zwischen WGT, Amphi und Mera Luna noch ein Festival zu etablieren ist schon Arbeit. Und da es auch am Samstag ca. 1150 Besucher waren, haben sie gewiss nicht alles falsch gemacht.
Ob das Eastside-Festival 2023 in die zweite Runde gehen wird, soll voraussichtlich im August entschieden werden. Für die Stadt Halle wäre es eine gute Sache, denn wie uns am Freitag ein Taxifahrer erzählte, ist es schon eine positive Abwechslung.
Aber jetzt mal ehrlich, war jetzt wirklich alles gut? Auf dem Festivalgelände auf jeden Fall. Was unglücklich aufgefallen ist, war nur, dass es gerade für die Besucher, die nicht auf dem Festivalgelände gecampt haben, schlechte Möglichkeiten gegeben hat, wieder sicher und schnell in die Stadt zurück zu kommen. Der ÖPNV hat bereits Feierabend gemacht und die Taxiunternehmen in der Stadt haben nicht das Geschäft gesehen, welches sie hier hätten machen können. Das wäre eine Anregung, sollte es eine Wiederholung geben. Ansonsten hat sich unsere Anreise mehr als gelohnt. Im Line-Up absolut keine Enttäuschung zu haben, spricht für das Herzblut, welches aufgebracht wurde, eine rundum tolle Veranstaltung zu starten.
Also, wir würden uns freuen, wenn wir 2023 wieder nach Halle reisen könnten.