Über die schrecklich schöne Perfektion der Schneeflocken
Irgendwie erinnern mich Black Gaze oder Post Black Metal Songs immer an einige Bilder von Edvard Munch (1863-1944). Und zwar meine ich jene Gemälde, in denen zum Ausdruck kam, wie schwer es dem Künstler fiel aufgrund seiner überbordenden Emotionalität mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Er war ein Gefangener in seiner Welt und ihm war es unmöglich in die andere zu wechseln, ohne ein Fremder zu sein. Beide Welten trennte diese Schwierigkeit wie eine Membran. Ihm gelang es diese zu durchdringen, manchmal, mit Hilfe seiner Kunst. Viele Black Gaze Künstler widmen sich ebenfalls diesen oder ähnlichen Gegensatzpaaren, ihrer Unvereinbarkeit und all den Gefühlen, die einen dann so heimsuchen und verzweifeln lassen.
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Auf dem Herzstück von Atoms Aligned, Coming Undone wird diese Zerrissenheit, gefangen in einer der beiden Welten, ohne Chance oder die Fähigkeit mit der jeweils anderen in einen sinnvollen Kontakt zu treten besonders deutlich auf den Punkt gebracht. Abeyance beschreibt jenen Zustand mit dem wechselseitigen Zusammenspiel aus zerbrechlichen, ätherischen, schwebenden Klarstimmen und einem kathartischen harschen gutturalen Gesangspart sehr treffend. Die typischen fließenden Gitarrenparts, die nur von den Drums davor bewahrt werden ins Endlose zu mäandern, zaubern dabei einen schon beinahe perfide märchenhaft ruhigen Rahmen, der die eigentliche tieftraurige, verzweifelte Bedeutung des Songs Lügen straft.
Wenn sich so viel Introspektion gepaart mit Expression Bahn bricht, werden die Songs zu elegischen Konzeptwerken emotionalen Ausdrucks, die sich nicht eben mal auf drei Minuten dreißig bannen lassen. So erstreckt sich Mørklagt auf neun Minuten: Ein bass-dominierter, in norwegischer Sprache abgefasster, schwarz-metallischer, exhaustiver und repetitiver Klagesong. Man stürzt sich in ein Wechselbad der Vielschichtigkeit, auf das sich auch erst einmal eingelassen werden muss.
Indes ist diese Form der musikalischen Verarbeitung von Empfindsamkeit nun auch nicht mehr so jung und hat ihrer Helden hervorgebracht. Auch Sylvaine dürfte unter den Kennern dieser musikalischen Ausrichtung durch ihr Vorgängeralbum Wistful (2016) kein unbeschriebenes Blatt mehr sein. Darüber hinaus bewegt sich die Künstlerin aus Norwegen in guter Gesellschaft. So kann man die Drumarbeit und die Stimme von Stéphane Neige Paut (Alcest) auf mehreren Songs heraushören. Für das Mixing verpflichtete sie Szene-Legende Jack Shirley (Deafheaven, Oathbreaker). Hier hat Sylvaine auf Qualität gesetzt und alles richtig gemacht.
Herausgekommen ist ein Album, so schön und so perfekt wie die Eiskristalle, die das Albumcover zieren. Auch hat sich Sylvaine seit Whistful musikalisch deutlich weiter entwickelt. Der Gesang wurde dominanter abgemischt, was Atoms Aligned, Coming Undone in verschiedener Hinsicht zu Gute kommt. Fraglich bleibt, wie viel das neue Album der Künstlerin innerhalb des Genres, in dem sich meines Erachtens in den letzten zwei Jahren nicht besonders viel getan hat, hinzufügen wird. Denn bei aller Schönheit, was lässt sich noch über das Wesen der Schneeflocken sagen?
Atoms Aligned, Coming Undone erscheint am 2. November bei Season Of Mist.
Anspieltipps: Mørklagt, Abeyance
Tracklist SYLVAINE – Atoms Aligned, Coming Undone:
01. Atoms Aligned, Coming Undone
02. Mørklagt
03. Abeyance
04. Worlds Collide
05. Severance
06. L’Appel Du Vide
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Weblinks SYLVAINE:
Official: https://www.sylvainemusic.com/
Facebook: https://www.facebook.com/sylvainemusic/