

Mera Luna 2025 – das große Gothic-Festival auf dem Flugplatz Drispenstedt feiert ein Vierteljahrhundert Existenz! Zur Feier des Tages ging es ausnahmsweise schon am Freitagabend los. Lord Of The Lost, von Chris Harms in Hamburg gegründet im Jahr 2009, haben sich mittlerweile zu einer der prominentesten Bands der Szene entwickelt. An diesem Tag stellten LOTL, passend zum Release ihres neuen Albums „Opvs Noir Vol. 1“, einige brandneue Stücke vor – insgesamt acht Songs der LP wurden nebst Klassikern wie „Loreley“, „Six Feet Underground“ oder „Drag Me To Hell“ gespielt. Am Ende durfte zu „Moonstruck“ auch Stimmgewalt, eine auf dem Mera Luna debütierende zwölfköpfige A–Cappella–Gruppe aus Berlin, nochmal mit auf die Bühne – das Ensemble hatte den Abend vorab eröffnet. Ein weiterer Gast, Oomph-Sänger Daniel Schulz, gesellte sich zum abschließenden „Dark Heart Of The Moon“, der neuen Hymne des Festivals, mit dazu. Ein nicht nur stimmgewaltiger, sondern auch stimmungsvoller Auftakt!
Samstag
Eine Mütze Schlaf später ging es dann richtig los: Es ist Samstag Morgen auf dem M’era Luna, als sich die Menge vor der Bühne verdichtet: Die deutsche Metalband Null Positiv betritt die Stage – und mit ihr Frontfrau Elli Berlin, die nicht ohne Grund in der Szene als „Metal Queen“ gefeiert wird. Mit einer Mischung aus wuchtigen Gitarrenriffs, kompromisslosen Drums und emotionalem Gesang sorgt das Quartett aus Lübbenau im Spreewald für einen der eindrucksvolleren Auftritte des Tages. Seit 2015 sind Null Positiv unterwegs, und spätestens mit dem Debütalbum „Koma“ (2017) haben sie sich ihren Platz in der deutschsprachigen Metal-Landschaft gesichert. Ihr Set auf dem M’era Luna ist ein wuchtiger Querschnitt ihres Schaffens: „Tausend Meilen“, „Kollaps“ und der namensgebende Track „Koma“ bringen die Menge zum Beben. Bei „Ich brech aus“ zeigen sich Fans textsicher und stimmgewaltig – das Publikum ist gut drauf, laut und bereit, jeden Refrain mitzusingen.
Ein besonders emotionaler Moment entsteht, als Elli Berlin vor dem Song „Freiheit“ – dem ersten Lied, das die Band je veröffentlicht hat – inne hält und mit dem Publikum spricht: „Es ist wahnsinnig schön, heute wieder einmal auf dieser Bühne zu stehen – und über die Höhen und Tiefen des Lebens zu singen.“ Es ist dieser Spagat zwischen kraftvoller Härte und spürbarer Verletzlichkeit, der Null Positiv so besonders macht. Der Gesang wechselt mühelos zwischen aggressivem Metal-Shouting und zerbrechlich-sanften Tönen – ein Markenzeichen der Band, das sie live mit beeindruckender Intensität transportiert. Fazit: Null Positiv liefern am Samstag auf dem M’era Luna einen energiegeladenen Auftritt mit starker Bühnenpräsenz und emotionaler Tiefe – ein echtes Highlight für Fans harter, aber ehrlicher Töne. Nebenan auf der Club Stage war übrigens Chris Harms ein weiteres Mal zu sehen – er präsentierte Songs seines überraschend Synthie-Pop-lastigen Soloalbums „1980“.
Wenn mittelalterliche Klänge auf elektronische Beats treffen, und das Ganze in eine düster-mystische Ästhetik gehüllt wird, dann ist Heimataerde nicht weit. Am frühen Samstagvormittag des M’era Luna 2025 präsentierte sich das Projekt um DJ Ash in gewohnt kompromissloser Form – laut, dunkel, intensiv. Gegründet vor rund 20 Jahren als reines Studioprojekt, hat sich Heimataerde längst einen festen Platz in der Schwarzen Szene erarbeitet. Ihr Sound: eine einzigartige Mischung aus Dark Electro, EBM und mittelalterlichen Instrumenten wie Sackpfeifen, Leiern und Lauten. Ihr Auftritt beim M’era Luna wirkte wie ein düsteres Ritual – präzise inszeniert, aber zugleich voller Energie und Publikumsnähe.
„Heute ist ein guter Tag“ – mit diesem Ausruf eröffnete DJ Ash eine der zentralen Botschaften des Sets. Und das Publikum folgte ihm. Zu Songs wie „Kadavergehorsam“, „Hick Hack Hackebeil“ und „Bei meiner Ehr“ wurde nicht nur getanzt, sondern auch mitgeklatscht. Die tanzbare Schwere des Sounds sorgte für düstere Ekstase vor der Hangar-Bühne, während die Band kaum Pausen zwischen den Songs ließ – ein nahezu nahtloses Set, das die Anspannung stetig hielt. Inhaltlich dominierten Klassiker aus dem bisherigen Repertoire, was besonders langjährige Fans erfreute. Gleichzeitig gab es einen Ausblick in die Zukunft: DJ Ash kündigte ein neues Album mit dem Titel „Todeswille“ an, das noch Ende dieses Jahres erscheinen soll. Als Vorgeschmack präsentierte die Band den neuen Track „Dunkle Träume“ – ein kraftvoller Song, der die bekannten Trademarks der Band mit neuen, hymnischen Elementen verbindet.
„Lasst uns zusammen knien“, forderte Ash das Publikum in einem der letzten Songs auf – eine symbolische Geste, die sowohl zur martialischen Ästhetik als auch zur emotionalen Wucht des Auftritts passte. Der Moment geriet fast sakral – eine düstere Gemeinschaft, vereint im Takt der Maschinen und der Vergangenheit. Heimataerde zeigten sich nicht nur in starker Form, sondern auch spürbar bewegt: „Wir freuen uns, endlich wieder hier zu sein“, so Ash. Der Applaus gab ihm recht – ein Auftritt, der in Erinnerung bleibt.
Wenn es eine Band gibt, die Mittelalter-Romantik mit der Wucht der Neuen Deutschen Härte vereint, dann ist es Tanzwut. Am Samstagnachmittag liefern die Berliner beim M’era Luna 2025 nicht nur ein energiegeladenes Set ab, sondern feiern auch ein besonderes Jubiläum: 25 Jahre Bandgeschichte – ihre „Silberhochzeit“ mit der Bühne. Schon mit den ersten Tönen von „Feuer in der Nacht“ bricht sich eine entfesselte Stimmung Bahn. Flammen schlagen in den Himmel, der Bass wummert über das Gelände, und der charakteristische Klang der Sackpfeife lässt keinen Zweifel daran, wer hier spielt. Sänger Teufel stürzt sich mit gewohnter Leidenschaft in die Performance – eine ekstatische, fast rituelle Verausgabung.
Die Setlist ist eine Hommage an die Fans: Klassiker wie „Freitag der 13.“, „Pack!“ oder das mitgrölkompatible „Noch eine Flasche Wein“ treffen auf neue Stücke aus dem aktuellen Album „Achtung Mensch“, das die Band als düsteres Statement über das gefährliche Wesen Mensch versteht – eine klare, aber nie hoffnungslose Botschaft in unsicheren Zeiten. Bei „Achtung Mensch“und „Bis zum Meer“ schwingt neben der Härte auch eine überraschende Tiefe mit, die live besonders gut zur Geltung kommt. „M’era Luna – eure Hände!“ – mit dieser Ansage bringt Teufel die Menge erneut zum Kochen. Zwischen den Songs gibt es keine Atempause, aber umso mehr Nähe zum Publikum. Die Band wirkt nicht wie ein distanzierter Act auf großer Bühne, sondern wie ein langjähriger Freund, der weiß, wie man gemeinsam feiert. Besonders emotional wird es zum Abschluss mit „Wir sehen uns wieder“ – ein Lied, das sowohl Rückblick als auch Versprechen ist. Die Fans jubeln, viele singen jede Zeile mit, während sich die Bühne in tiefrotem Licht verliert. Tanzwut beweisen beim M’era Luna einmal mehr, dass sie auch nach einem Vierteljahrhundert nicht müde geworden sind, Genregrenzen zu verwischen – zwischen Mittelalter, Industrial, Metal und Volkslied. Im Herbst 2026 geht die Band erneut auf Tour – wer diesen Auftritt erlebt hat, dürfte schon jetzt die Tage zählen.
Zwischen donnernden Gitarrenriffs und düster-elektronischen Klängen sticht ein Act besonders hervor: Faun. Die Pagan-Folk-Band bot auf dem Festivalgelände eine musikalische Reise in eine andere Welt – eine, die von Runen, alten Göttern und Hexen erzählt. Seit ihrer Gründung im Jahr 1999 in Gräfelfing bei München hat sich die Band der Verschmelzung alter Klänge mit moderner Musik verschrieben. Mit Instrumenten wie Leiern, Sackpfeifen, Flöten und Schlagzeug entführten sie ihr Publikum in eine mystisch-mittelalterliche Klangwelt – und bewiesen, dass auch ruhigere Töne auf dem M’era Luna ihren Platz finden.
Obwohl Faun stilistisch nicht zur typischen Besetzung des Gothic- und Industrial-lastigen Festivals zählt, war der Bereich vor der Bühne gut gefüllt. „Was für ein schöner Anblick – schönen Dank, dass so viele da sind“, bedankte sich die Band sichtlich bewegt. Spätestens bei Songs wie „Die kalte Nacht“, „Walpurgisnacht“ und „Odin“ wurde klar, dass Faun das Publikum mit ihrer atmosphärischen Performance in ihren Bann gezogen hatte.
Die weibliche Gesangsstimme – klar, klangvoll und ausdrucksstark – verlieh Stücken wie „Galdra“ eine besondere emotionale Tiefe. Immer wieder wurde das Publikum zum Mitmachen eingeladen – ein „Helferchor“ für alte Geschichten und neue Magie. Ein besonderes Highlight: Faun kündigten ihr kommendes, zwölftes Studioalbum mit dem Titel „Hex“ an, das Anfang September erscheinen wird. Thematisch bleibt die Band ihren Wurzeln treu – mit Liedern über Hexen, Magie und heidnische Mythen.
Für einige mag Faun ein eher ungewöhnlicher Act auf dem M’era Luna gewesen sein, doch gerade dieser Kontrast verlieh dem Festival einen besonderen Moment der Ruhe und Tiefe. Bereits 2005 bewiesen sie mit ihrer Teilnahme am deutschen ESC-Vorentscheid, dass sie sich auch außerhalb der Szene behaupten können. Ein stimmungsvoller Auftritt, der einmal mehr zeigte, wie vielfältig und genreübergreifend die schwarze Szene sein kann – und dass Folk keineswegs leise bleiben muss.
Joachim Witt zeigte im Anschluss eine für einen 76-Jährige bemerkenswert fesselnde Performance, bei „Signale“ ließ sich sogar Eisbrecher-Frontmann Alex Wesselsky als Gaststar sehen. Die lautesten Reaktionen zog natürlich – wie fast immer – das Doppel aus „Die Flut“ und „Goldener Reiter“ am Ende. Für kräftig Bewegung vor Bühne zwei sorgten zeitgleich Funker Vogt und Faderhead – wir zogen es aber vor, an der Mainstage zu bleiben.
Weiter ging es für uns demnach mit Apocalyptica. Es ist inzwischen Tradition, dass Apocalyptica beim M’era Luna Festival für eindrucksvolle Auftritte sorgen – und auch 2025 enttäuschen sie nicht. Die finnischen Cello-Metaller rund um Gründer und Cellist Eicca Toppinen zeigen am Samstagabend, warum sie längst Kultstatus genießen. Gegründet 1993 in Helsinki, begann Apocalyptica einst als Metallica-Cover-Projekt mit vier Cellisten der Sibelius-Akademie – heute sind sie eine feste Größe im internationalen Metal-Zirkus, ohne ihre Wurzeln vergessen zu haben. Der diesjährige Festivalauftritt steht ganz im Zeichen dieser Ursprünge: ein reines Metallica-Cover-Set, das in Sachen Energie und Präzision mühelos mit klassischen Metalbands mithalten kann.
Bereits mit dem eröffnenden „Ride the Lightning“ setzen die Finnen ein Ausrufezeichen. Die donnernden Celloriffs, der durchdringende Groove und die orchestrale Wucht erzeugen eine fast bedrohliche Klangkulisse – dabei stehen lediglich vier Stühle und Celli auf der Bühne. Doch was Apocalyptica aus ihren Instrumenten herausholen, klingt wie ein ganzes Orchester auf Adrenalin. „Enter Sandman“, „Creeping Death“ und „For Whom the Bell Tolls“ folgen Schlag auf Schlag, das Publikum tobt. Obwohl keine Vocals erklingen, sind die Songs für viele im Infield sofort erkennbar – die Melodien sitzen tief, die Stimmung ist ekstatisch. Besonders eindrucksvoll: Die Interpretation von „One“, bei der das Zusammenspiel aus sanften Passagen und eruptiven Ausbrüchen Gänsehautfaktor erreicht.
Die Lichtshow unterstreicht die Dynamik der Stücke – mal in düsterem Blau, dann in blutrotem Licht, perfekt abgestimmt auf die emotionalen Wellen, die Apocalyptica schlagen. Bei „St. Anger“ und „Blackened“ zeigt sich einmal mehr, wie kompromisslos und dennoch detailverliebt die Band arbeitet. Zum großen Finale folgen mit „Master of Puppets“ und „Seek & Destroy“ zwei absolute Metal-Giganten. Dass sie auf Celli gespielt werden, wirkt hier nicht wie eine schräge Idee, sondern wie die einzig logische Form. Das Publikum feiert die Finnen frenetisch, viele mit erhobenen Fäusten, manche einfach nur mit geschlossenen Augen – versunken in Klangwellen, die irgendwo zwischen Klassik und Metal toben. Mit ihrem elektrisierenden Stil, technischer Brillanz und der Fähigkeit, ohne Worte Geschichten zu erzählen, setzen Apocalyptica auch 2025 einen der musikalischen Höhepunkte des M’era Luna Festivals. Ein Auftritt, der nicht laut sein muss, um unvergesslich zu bleiben.
Ähnliches galt im Anschluss für die mit Spannung erwartete Performance von Heilung, die sich nach diesem Festivalsommer in eine Pause von unbestimmter Dauer zurückgezogen haben. Ein (je nach persönlichem Geschmack) mindestens optisch sehenswerter Farbtupfer in einem Line-up, das sonst zum Großteil aus bewährten Kräften der vergangenen 25 Jahre bestand. Zum Ende des ersten Tages wurde der Härtegrad dann aber noch kräftig angezogen. Eisbrecher luden gleich mehrere Gäste zu sich auf die Bühne. Sotiria war für „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ und das abschließende Falco-Cover „Out Of The Dark“ mit dabei, Schattenmann-Sänger Frank Herzig für „Auf die Zunge“ und Witt revanchierte sich bei „Zeitgeist“. Mit einem Feuerwerk und den Klängen von Freddy Quinns „Junge, komm bald wieder“ vom Band endete Tag 1 des diesjährigen Mera Lunas. Erwähnenswert darüber hinaus: Eine alte Tradition setzte sich fort. Spielen Eisbrecher auf dem Mera Luna, taucht eine Gruppe Menschen in Pikachu-Kostümen auf. Diese diente dann auch vielen Fans als prächtige Fotokulisse. Wer den Gag nicht versteht, sollte vielleicht nochmal hier reinhören und genau auf die Stimme achten …
Sonntag
Der Sonntag startete um 11:00 Uhr mit Beyond Border, dem Gewinner des alljährlichen Nachwuchsband-Contests auf der Main Stage und futurepoppigen Klängen, es folgten die extravaganten Dark-Wave-Disco-Klänge von Corlyx sowie die Kroaten von Manntra, die kräftige Gitarrenriffs mit ausgesuchten Balkan-Folk-Einflüssen kombinieren. So richtig los ging es für uns dann mit Schattenmann, die aktuell als Vorband der Krupps unterwegs sind. Die Sonne brennt schon über dem Flugplatz Drispenstedt, doch auf der Bühne wird es noch heißer: Schattenmann lassen die Pyros sprechen – und die Fans gleich mit. „Einen schönen guten Mittag, M’era Luna!“, ruft Sänger Frank Herzig, bevor ein donnerndes „Hände hoch!“ durch das Infield schallt. Wer da noch schlief, war spätestens dann wach. Die vierköpfige NDH-Formation aus Nürnberg zeigt sich in bestechender Form – und mit einer runderneuerten Optik. Auch musikalisch kündigt sich eine neue Ära an: „Es hat sich was verändert bei Schattenmann“, sagt Herzig während des Sets – und meint damit nicht nur das Bühnenbild, das von Flammenwerfern und präzise eingesetzter Pyrotechnik dominiert wird. Auch der Sound wirkt tighter, kompromissloser – und dabei melodisch wie eh und je.
Typisch Schattenmann: wuchtige Gitarrenriffs, ein massiver Bass, treibendes Schlagzeug und elektronische Elemente, die ihren Industrial-Metal-Mix veredeln. Darüber legt sich Herzigs markante Stimme – eindringlich, mal anklagend, mal kämpferisch. Songs wie „Menschenhasser“, „Chaos“ und „Cosima“ bringen die Menge vor der Bühne zum Beben. Besonders bei „Kein Kommando“, das bereits am 28.08. in einem 20-Sekunden-Ticker auf Social Media angeteasert wurde, geht ein spürbares Raunen durchs Publikum – die neuen Songs kommen an. Mit „Dia de Muertos“ zollen sie der dunkelbunten Seite des Lebens Tribut, bevor „Spring“ und der emotionale Abschluss mit „Jeder ist schlecht“ noch einmal die Bandbreite ihrer Texte zeigen – zwischen sozialkritischem Statement und persönlicher Abrechnung. „M’era Luna, ihr seid verdammt gut!“, ruft Herzig zum Schluss – und hat damit nicht übertrieben. Die Fans danken es mit Applaus und hochgereckten Armen. Schattenmann haben ihre kurze Spielzeit auf dem Festival maximal genutzt – und dabei Lust auf mehr gemacht.
Denn: 2026 kommt das neue Album „Endgegner“, eine Tour ist ebenfalls angekündigt. Und wenn die Entwicklung, die man in Hildesheim sehen konnte, ein Vorgeschmack auf das Kommende ist, dann steht Schattenmann ein weiterer Karriereschub bevor.
„Meine Damen und Herren – herzlich willkommen!“ Mit diesen Worten beginnt ein Konzert, das man so schnell nicht vergisst: Coppelius, die außergewöhnliche Formation aus Berlin, bringt am Sonntagnachmittag eine mitreißende Portion Kammercore auf die Bühne. Statt verzerrter Gitarren dominieren Cello, Klarinette, Kontrabass und Schlagzeug – gespielt mit der Energie einer Metalband und der Eleganz eines viktorianischen Opernensembles. Optisch wie akustisch hebt sich die sechsköpfige Band klar von der Masse ab. In Gehrock und Zylinder erscheinen sie wie aus einer anderen Zeit, irgendwo zwischen Jules Verne und Edgar Allan Poe. Passend dazu thematisieren ihre Songs oft romantische Literatur, Dark Romance und die Abgründe der modernen Gesellschaft – stets mit einem Augenzwinkern, manchmal mit bitterem Ernst.
Auch dieses Jahr beweist die Band auf dem M’era Luna, warum sie seit Jahren eine feste Größe in der Szene ist. Die Setlist, bestehend aus Stücken wie „Risiko“, „Nur für dich“, „Schöne Augen“ und dem energiegeladenen „Operation“, bringt das Publikum nicht nur zum Mitwippen, sondern auch zum Nachdenken. Zwischen den Songs gibt es humorvolle Anekdoten, wie die Erinnerung an das jüngste Bandmitglied, das „vor etwa sechs Jahren ein Instrument kaufte – einen Bass“, oder die skurrile Geschichte vom Sänger, der mit einem Geodreieck einen QR-Code zeichnen sollte. Ob der funktioniert hat, blieb offen – doch an schrägen Geschichten mangelt es Coppelius bekanntlich nie. Musikalisch ist die Band weiterhin einzigartig. Ihre Mischung aus klassischer Instrumentierung, rockiger Attitüde und ironischer Theatralik ist inspiriert von Größen wie Iron Maiden, jedoch konsequent auf ihren eigenen, unverwechselbaren Stil angepasst. Coppelius bleibt auch 2025 ein Highlight für alle, die das Ungewöhnliche suchen. Ihr Auftritt auf dem M’era Luna war nicht nur ein Konzert, sondern ein Gesamtkunstwerk, das das Publikum in eine andere Zeit und Welt entführte – irgendwo zwischen Oper, Rockshow und literarischer Performance.
Und weiter ging es mit folkigen Klängen: Wenn die Nacht über den Flugplatz Drispenstedt fällt und Nebel über das Festivalgelände zieht, beginnt die Stunde der Sagen, Legenden und donnernden Trommeln. Beim M’era Luna entführten Corvus Corax ihre Fans erneut in eine andere Welt – kraftvoll, archaisch und mit einer Soundgewalt, die nicht nur die Bühne, sondern auch die Herzen der Zuschauer erzittern ließ.
Bereits das monumentale Intro „Gjallarhorny“ ließ keinen Zweifel daran, wohin die Reise führen würde: in die Tiefen der nordischen Mythologie, begleitet von dröhnenden Dudelsäcken, schmetternden Flöten und donnerndem Schlagwerk. Der Name Corvus Corax – lateinisch für Kolkrabe – ist dabei mehr als nur ein Bandname: Er steht für Transformation, Freiheit und den Mut zur Veränderung. 1989 bei ihrer Flucht aus der DDR mussten die Musiker ihren echten Kolkraben zurücklassen – heute begleiten sie stattdessen Hunderttausende auf ihren musikalischen Reisen durch Zeit und Mythos. Mit Stücken wie „Sverker“, „Beowulf is min nama“ und dem epischen „Ragnarök“ schlugen die Berliner Musiker eine Brücke zwischen Mittelalter und Moderne. Der Mix aus Dudelsäcken, Gitarren, Leiern, Flöten und treibenden Rhythmen ist längst zum Markenzeichen des selbsternannten „Viking Metal“ geworden – eine wilde, ungezähmte Klangwelt, die live ihre volle Wucht entfaltet.
Besonderes Highlight war der Song „Havfrue“, benannt nach dem dänischen Wort für Meerjungfrau. Hier trat Gast-Sängerin Diana auf die Bühne und verlieh dem mystischen Stück mit ihrer klaren Stimme eine melancholisch-schöne Tiefe. Währenddessen bevölkerten furchterregende Gestalten das Bühnenszenario: Schattenwelten, eine Performancegruppe aus dem Südharz, ließ Monster, Dämonen und mythische Wesen über die Bühne und durchs Publikum tanzen – ein visueller Rausch, der den Auftritt in eine düstere Saga verwandelte. Zum Abschluss ließ „Hugin ok Munin“ – benannt nach Odins berühmten Raben – das Publikum noch einmal in kollektiver Ekstase tanzen, bevor Corvus Corax die Bühne unter tosendem Applaus verließ. Fazit: Corvus Corax haben mit ihrem Auftritt beim M’era Luna 2025 erneut bewiesen, warum sie zu den Urgesteinen der Mittelalter-Szene zählen. Zwischen donnernden Klängen und mystischen Bildern wurde ihr Set zu einer rituellen Feier – archaisch, kraftvoll und absolut zeitlos.
Viel Grund für Genre-Liebhaber, den Platz vor der Hauptbühne zu verlassen, gab es nicht: Versengold standen als Nächstes auf dem Programm. Und die lieferten eine mitreißende Show ab, die zwischen feierwütigem Kneipencharme und lyrischer Ernsthaftigkeit pendelte – und das Publikum in bester Festivalmanier mitriss. Seit der Gründung im Jahr 2003 durch Sänger Malte Hoyer in Osterholz-Scharmbeck bei Bremen hat sich das ehemals kleine Hobbyprojekt zu einer der tragenden Säulen der deutschsprachigen Folkrock-Szene entwickelt. Mit einer einzigartigen Mischung aus tanzbarem Mittelalter-Folk, melodiösem Pop-Rock und gelegentlichen Schlager-Anleihen bespielen Versengold längst die großen Bühnen – auch politisch klar positioniert und mit viel Gespür für Sprache.
Schon beim Opener „Niemals sang- und klanglos“ wurde klar: Sang- und klanglos würde hier niemand bleiben. Die siebenköpfige Band um Frontmann Hoyer setzte auf eine dynamische Instrumentierung mit Geige, Gitarre und Schlagzeug – eine Klangmischung, die nicht nur folkloristisch daherkommt, sondern ordentlich Druck entfaltet. Einer der emotionalen Höhepunkte war „Der Tag, an dem die Götter sich betranken“, zu dem bunte Luftballons in die Menge geworfen wurden – ein visuelles Highlight, das das Publikum begeisterte und gleichzeitig einen Hauch Ironie mitbrachte. Ebenfalls mitreißend: das augenzwinkernde „Thekenmädchen“, bei dem Hoyer das Publikum aufforderte, die Zeile „Verlieb dich nie, nie in das Mädchen hinter der Bar“ so laut wie möglich mitzusingen – was die Menge dankbar und lautstark annahm.
Die Setlist bot eine ausgewogene Mischung aus alten Klassikern und neueren Stücken – darunter „Braune Pfeiffen“, ein Song mit deutlicher politischer Haltung. Hier zeigt sich die Band als klare Demokraten, anti-AfD, ohne dabei mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln. Ihre Botschaften sind subtil, aber unmissverständlich – verpackt in Reime, die haften bleiben. Mit „Kobold im Kopp“ und der englischsprachigen Version „Cobolds in Your Head“ bewiesen Versengold erneut ihre Wandlungsfähigkeit, bevor sie mit „Die letzte Runde“ noch einmal Nähe suchten: Sänger und Bassist verließen die Hauptbühne und performten auf einer kleinen Plattform mitten im Publikum, was für einen besonders intimen Moment sorgte.
Bei „Butter bei die Fische“ eskalierte die Stimmung schließlich vollends: In einem Circle Pit tanzte das Publikum wild um Hoyer und den Bassisten, die weiterhin mitten unter den Fans standen. Dazu loderten Feuer-Effekte auf der Hauptbühne – eine Szene, die sinnbildlich für diesen Auftritt steht: energiegeladen, nahbar, eindrucksvoll. Zum Abschluss bedankte sich Hoyer ausdrücklich bei den „Theken-Kräften“ des Festivals – ein sympathischer Gruß an die Helfer*innen hinter den Kulissen, der von den Fans mit Applaus quittiert wurde. Versengold lieferten beim M’era Luna 2025 eine Show zwischen Pub-Stimmung, politischem Statement und poetischem Anspruch – eine der stärksten Performances des Wochenendes. Wer sie live erlebt hat, geht garantiert nicht sang- und klanglos nach Hause.
Zeit für eine Pause, Lacuna Coil ging uns so leider durch. Pünktlich zurück zu Blutengel ging es wieder vor die Bühne. Wenn die Dämmerung über das M’era Luna Festival hereinbricht, ist es Zeit für jene Acts, die das Dunkel lieben – und inszenieren. Einer der absoluten Höhepunkte des diesjährigen Line-ups war das. Mit einer perfekt choreografierten Show aus Musik, Licht, Pyrotechnik und theatralischer Inszenierung wurde das Publikum in einen Bann gezogen. Seit 1998 steht Chris Pohl, seit vielen Jahren verstärkt durch Sängerin Ulrike Goldmann, für einen unverwechselbaren Mix aus Darkwave und Electro-Gothic, und auch 2025 liefern sie keine halben Sachen. Mit Songs wie dem düsteren Klassiker „Engelsblut“, dem kraftvollen „Lucifer“ oder der mitreißenden Hymne „She Wears Black“ führten sie ihre Fans durch ein ebenso mysteriöses wie emotional aufgeladenes Set.
Die visuelle Gestaltung der Show stand der musikalischen Qualität in nichts nach. Pyro-Effekte tauchten die Bühne in flackerndes Licht, während Tänzerinnen und aufwändig inszenierte Kostümwechsel für eine durchgängig fesselnde Performance sorgten. Besonders eindrucksvoll: Beim Song „Lucifer“ erschienen Nonnen auf der Bühne, die mit symbolträchtigen Gesten und düsterem Ausdruck ein nahezu sakrales Szenario erschufen – ein Gänsehautmoment. Auch musikalisch zeigten sich Blutengel vielseitig: Neben dem elektronischen Fundament kamen Schlagzeug und sogar Gitarren zum Einsatz, was dem Livesound eine zusätzliche Wucht verlieh. Die Setlist reichte von neuen Stücken wie „Into the Void“ und „My Creation“ bis hin zu fan-favorisierten Klassikern wie „Dein Gott“, „King of Blood“ und dem melancholischen „You Walk Away“ zum krönenden Abschluss. Blutengel haben beim M’era Luna 2025 erneut bewiesen, dass sie mehr als nur Musik liefern – sie erschaffen ein Gesamterlebnis. Düster, pompös und mitreißend: So geht moderne Gothic-Performance.
Noch ein wenig Folk-Metal gefällig? Aber klar doch. Subway To Sally hatten sich etwas Besonderes überlegt. Das Album „NordNordOst“ hat nun 20 Jahre auf dem Buckel und exklusiv spielten die Potsdamer dieses auf dem Mera Luna in Gänze. Neben den ewigen Hits „Sieben“ und „Eisblumen“ genossen die Fans lange nicht gespielte Raritäten wie „S.O.S.“ oder „Feuerkind“. Am Ende gab es zum „Veitstanz“ nochmal kräftig Bewegung auf und vor der Bühne, leider fiel das ewige „Julia und die Räuber“ der Zeitbegrenzung zum Opfer. Irgendwie fühlt sich ein Subway-Gig ohne diesen Klassiker unvollständig an.
Für Klassiker eher elektronischer Art standen auf der Club Stage genug Alternativen parat. Besonders überzeugen konnten einmal mehr In Strict Confidence, die von „Kiss Your Shadow“ über „Seven Lives“ bis zum abschließenden „Zauberschloss“ mal wieder kaum Setlist-Wünsche übrig ließen. Für den Abschluss sorgten De/Vision, die den Fokus in ihrem Set auf die Alben „Popgefahr“ und „World Without End“ legten, sowie And One auf der Hauptbühne. Steve Naghavi & Co. zeigten sich dabei einmal mehr von politisch provokanter Seite – die Instrumentalisten waren in DDR-Grenzpostenuniformen gekleidet, das Bühnenbild zeigte ein entsprechendes Motiv und Naghavi begrüßte das Publikum mit einem bewusst gewählten „Wir sind And One aus Ost-Berlin!„. Die Meinungen darüber gingen wie so oft auseinander …
Was bleibt als Fazit zu sagen? Das Mera Luna ist für mich immer wie ein großes Familientreffen mit vielen besonderen Menschen in und ohne Gewandungen. Weiter geht es 2026 – die ersten Bands findet Ihr hier!
Redaktionelle Mitarbeit: Patrick Friedland
Weblinks M’ERA LUNA:
Homepage: https://meraluna.de/
Facebook: https://www.facebook.com/meralunafestival/
Instagram: https://www.instagram.com/meralunafstvl/
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