In der Musiklandschaft gibt es Erscheinungen, die nicht einfach nur gehört, sondern erlebt werden wollen. Rosa†Crvx ist eine solche Erscheinung. Seit 1986 erschaffen Olivier Tarabo und seine Mitstreiterin Claude Feeny aus dem normannischen Rouen ein audiovisuelles Gesamtkunstwerk, das zwischen sakralem Ritual und postindustrieller Düsternis oszilliert. Nun kehrt die Formation mit einer neuen Veröffentlichung zurück: Die Single „1335“ ist am 19. April 2025 erschienen – düster, dramatisch und erschütternd aktuell.
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Schon der Titel lässt erahnen, dass es hier nicht um bloße Unterhaltung geht. Das Jahr 1335 markiert die Schwelle zu einer der verheerendsten Seuchen der Menschheitsgeschichte: der Pest. Olivier greift diesen historischen Moment auf, um in kunstvoller Verdichtung eine Allegorie auf gegenwärtige und zukünftige Bedrohungen zu schaffen. Das dazugehörige One-Shot-Video (!), gedreht in Tarabos legendärer „Crypte“, ersetzt das übliche Publikum durch Mumien – ein drastisches Bild des zivilisatorischen Verfalls, eingefangen in einem einzigen, ungeschnittenen Take. Die Performance wurde an Silvester 2024 aufgenommen – ein Moment zwischen den Jahren, wie gemacht für die Konfrontation mit Tod und Neuanfang.
Musikalisch entfaltet „1335“ einen bedrückenden Sog: das Schlagzeug galoppiert wie das fahle Pferd aus der Apokalypse, die lateinischen Gesänge klingen wie Mahnrufe aus dem Jenseits. Textlich entwirft Olivier ein Szenario zwischen biblischer Offenbarung und martialischer Düsternis: „Verliere meine Seele weder an die Bösen, noch mein Leben an diese blutrünstigen Männer.“ Ein Bekenntnis zum Widerstand – gegen Gewalt, gegen das Vergessen, gegen den Untergang. Der Titel nimmt dabei Bezug auf die Offenbarung des Johannes 6.8: „Da sah ich ein fahles Pferd; und der, der auf ihm saß, heißt ‚der Tod‘.; und die Unterwelt zog hinter ihm her. Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein Viertel der Erde, Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde.“
Was Rosa†Crvx von anderen abhebt, ist ihre kompromisslose Konsequenz im künstlerischen Ausdruck. Der Einsatz des selbstgebauten opulenten Glockenspiels, skelettierte Trommler, nackte Körper, Erde und Staub – all das ist nicht bloße Dekoration, sondern Ausdruck eines tief verankerten Konzepts. Die Live-Performances gleichen rituellen Zeremonien, in denen sich Klang, Bild und Körper zu einem existenziellen Theater verdichten. Die Musik ist eine apokalyptische Symbiose aus Gothic, Ritual, Martial, Ambient und Post-Punk, getragen von orchestralen und symphonischen Elementen. Dabei wird stets das Grenzgebiet zwischen Klang und Kunst ausgelotet, zwischen Leben und Tod, zwischen Sakralem und Weltlichem.
In der Tiefe des französischen Undergrounds verwurzelt, hat sich Rosa†Crvx über die Jahrzehnte hinweg eine singuläre Position erarbeitet – jenseits von Trends, jenseits von Szenegrenzen. Das Projekt ist u.a. beeinflusst von Dead Can Dance, Virgin Prunes, von Wolfgang Amadeus Mozart, Strawinsky, Friedrich Nietzsche und Antoin Artaud, von mittelalterlicher Mystik, christlicher Ikonografie, Esoterik und Alchemie. All das fließt in einen Sound, der keine Grenzen kennt und keine Kompromisse macht.
Wer Rosa†Crvx bereits live gesehen hat, weiß um die Intensität dieser Erfahrung. Für alle anderen bietet „1335“ nun einen eindrucksvollen Zugang – ein Tor in einen Kosmos aus Klang, Ritual und Vision. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet in der Stille der letzten Jahre dieses Werk entstanden ist.
Drei weitere Singles samt Videos sind für 2025 angekündigt. Die Pforte zur „Crypte“ steht also wieder offen – und das Ende ist noch lange nicht geschrieben.
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Fotocredits: Mumie Bishop, © Olivier Tarabo / trommelnde Skelette, © Philippe Coquin
Weblinks ROSA†CRVX:
Homepage: https://www.rosacrux.org
Facebook: rosacrux
Instagram: rosacrux