WELLE:ERDBALL – Oberhausen, Kulttempel (28.03.2025)

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Welle:Erdball © Schwarzpixel - Carsten Zerbe
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Wenige Wochen ist es her, da schickte unser aller Lieblingssender Welle:Erdball eine neue Sendung über den Äther. “Die Menschen sterben nicht” erschien mit drei (Download/Streaming) respektive vier neuen Songs (Vinyl) und dazu war natürlich auch eine passende Tournee geplant. Nur leider passierten dann nacheinander gleich mehrere Dinge, die irgendwo zwischen ärgerlich und absolut grausam einzuordnen sind. Das eigentlich für den 28. März geplante Konzert in Frankfurt/Oder musste ohne nähere Angaben von Gründen abgesagt werden. Dann wurden die Shows in Magdeburg und Oberhausen verlegt. Moderator Honey war nicht nur körperlich krank mit u.a. 40 Grad Fieber, sondern hatte zudem noch einen Trauerfall in der Familie zu beklagen. Wir sprechen an dieser Stelle unser aufrichtiges Beileid aus und wünschen viel Kraft!

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Alle Shows wollten Welle:Erdball dann aber nicht canceln, was in Lindau und München am Wochenende zuvor zu zwei ganz besonderen Konzerten führte. Die Moderatorinnen LadyLila und M.A. Peel traten zu zweit ans Mikrofon, Honey blieb zuhause – so gab es zwei “female voices only”-Shows, die sicherlich allen Anwesenden dauerhaft in Erinnerung bleiben werden. Im fast ausverkauften Kulttempel – der Oberhausen-Auftritt wurde auf den freigewordenen Frankfurt/Oder-Termin gelegt – war der Sender dann wieder zu viert am Start.

Zunächst präsentierte sich aber das Duo Versus mit Sänger André und Keyboarder Roman. Ersterer startete seine “Doppelschicht” (mehr dazu weiter unten) direkt mit dem Mikrofon im Publikum. Auf der Bühne angekommen, entledigte er sich erstmal seiner Weste (“Normal mache ich das erst beim dritten Song, aber es ist echt warm hier“), unter der ein T-Shirt der so legendären wie kurzlebigen UK-Elektroniker The KLF, “meiner Lieblingsband“, zum Vorschein kam. Überaus geschmackssicher!

Klanglich hat das, was Versus ablieferten, mit den Früh-90er-Chart-Stürmern wie “Last Train To Traincentral”, “What Time Is Love?” oder “3 AM Eternal” allerdings wenig bis nichts zu tun. Versus liefern dagegen recht abwechslungsreiche “funky Popsongs, zu denen man tanzen kann“, wie es André formulierte. Dies nicht selten gespickt mit politischen Aussagen. Für die Bitte nach dem Song “Revolution”, bei rassistischen oder homofeindlichen Vorkommnissen in der eigenen Gegenwart Zivilcourage zu zeigen, gab es (zurecht!) ordentlich Applaus – was ihn besonders freute. Obwohl er nach eigener Aussage mit einer schweren Fußverletzung zu kämpfen und sich vorher “eine Ibu 800” eingeworfen hat, wirbelte er erstaunlich agil und energetisch über die Bühne und versprühte viel Spielfreude. Dazu kam zur Mitte des Sets ein Glücksrad, das den kommenden Song bestimmen sollte –  immer eine schöne Idee, um Variation ins eigene Set zu bekommen, das ja bei vielen Bands auf Tour stets identisch aufgebaut ist. Das Programm endete mit “Into The Galaxy” wie es begonnen hatte – mit André im Publikum. Keine Frage: Versus hinterließen einen sympathischen und leidenschaftlichen Eindruck. Die Gesangsleistung war allerdings bestenfalls als mäßig zu bezeichnen – was vermutlich auch der Hauptgrund dafür war, dass die Publikumsreaktion im Kulttempel sehr höflich, aber nicht euphorisch ausfiel.

Setlist VERSUS @ Oberhausen, Kulttempel (28.03.2025)

01. Welle Sieben
02. Wenn Gedanken fliegen lernen
03. Scheisstränen
04. Revolution
05. Immer dann
06. We Are Cloned (Glücksrad-Song)
07. Neue Deutsche Welle
08. Kosmonaut
09. Am Ende aller Tage
10. Into The Galaxy

Nach einer erfreulich kurzen Pause von nur knapp zehn Minuten startete bereits der Auftritt von Welle:Erdball. Direkt zu Beginn des Konzerts merkte man, dass Honey noch nicht wieder ganz bei 100 Prozent ist – wofür er sich auch direkt entschuldigte: “Meine Damen und Herren, ich versuche es erstmal. Ich bin hochmotiviert, aber die Kondition macht noch nicht ganz mit. Wir schauen jetzt mal, wie es läuft. Wenn es gar nicht mehr geht, machen wir die zweite Hälfte halt wieder nur mit Frauenstimmen.” Soweit sollte es nicht kommen, eine “7,38 oder so Minuten lange Pause” zur Set-Mitte sorgte für zusätzliche Erholung. Im Gegenteil: Mit fortschreitender Dauer kam das Gründungsmitglied immer besser in Form.

Das ist kurz- bis mittelfristig auch Keyboarder A.L.F. zu wünschen. Der leidenschaftliche Tischtennisspieler, der den Sender 2019 verließ, ist eigentlich wieder Welle:Erdball-Mitglied und sollte auf dieser Tournee den ausgestiegenen c0zmo ersetzen. Leider benötigt er nach einer Rücken-Operation aber noch etwas Ruhe und Zeit für die Reha, weswegen es letztlich doch nicht für die Tour reichte. Seine Vertretung war, wie bereits weiter oben angedeutet, Versus-Sänger André. Er lernte in einem dreiwöchigen Crashkurs die Songs – großen Respekt dafür! Denn wie auch Versus legen Welle:Erdball Wert darauf, die Setlist jeden Abend zu variieren. “Ich verstehe gar nicht, dass es so viele Bands gibt, die auf Tour immer das Gleiche spielen“, erklärte Honey. So schafften es an diesem Freitag unter anderem die seltenen “Nerdfaktor 42” und “Das letzte Hemd” ins Programm, mit denen sicher nicht unbedingt zu rechnen war.

Auch darüber hinaus präsentierte sich Honey gewohnt redselig. Ob die Geschichte hinter dem Stück “Wendy, Walter & die Geschlechtsmaschine”, eine Ausführung zu den verschiedenen Varianten von Schallplatten oder zu den Kosten der großen schwarz-weißen Ballons, die bei “Schweben, fliegen, fallen” im Publikum landen – es gab wieder reichlich Hintergrundwissen. Übrigens: Einer dieser Ballons kostet “sechs, sieben Euro” und in einem waren wie gewohnt wieder 50 Euro versteckt. “Unsere Gage haben wir also schon ins Publikum gebraten“, scherzte Honey.

Nicht die einzigen liebevollen Showelemente. Die strahlend weißen aufblasbaren Flügel bei “1000 Engel” dürfen einfach nicht mehr fehlen, gleiches gilt für das Popcorn, dass Lady Lila und M.A. Peel zu “Mumien im Autokino” ins Publikum werfen. Einmal kam Honey mit den Requisiten durcheinander – was ihm direkt einen flapsigen “Jaja, vor lauter Labern den Umbau vergessen“-Kommentar von M.A. Peel einbrachte. Sonst lief aber alles glatt. Die Akustik war gut, die Songauswahl verband die brandneuen Stücke gekonnt mit vielen Liedern der noch nicht ganz so alten “Film, Funk und Fernsehen”-LP und selbstverständlich ausreichend Klassikern. Einen “VW Käfer” hatte Honey nach eigenen Angaben “noch gestern in Oberhausen auf der Straße gesehen“. Ja, er läuft und läuft und läuft eben. Dass manch Klassiker wie “Arbeit adelt” oder “Starfighter F104-G” fehlte, war letztlich zu verschmerzen und tat der Stimmung keinen Abbruch. Letzteres stand übrigens neben “Die Computer verlassen die Welt” auf der Setlist, wurde jedoch nicht gespielt – wir vermuten mal die eingangs erwähnte Kondition als Ursache.

Das Publikum ging richtig gut mit, auch als M.A. Peel zum Bowie-Cover “Space Oddity” bat, den Raum in ein “Sternenmeer” zu verwandeln – selbstverständlich mit Handy-Taschenlampen. Überhaupt stand der letzte Block des Konzertabends im Zeichen von Interpretationen bekannter Charthits anderer Acts. Neben “Space Oddity” durfte Stephan Remmlers “Feuerwerk”, längst eine Konstante im Set, natürlich nicht fehlen. Seltener schafft es “FanFanFanatisch” ins Programm. Auch zum Song der nur recht kurzlebigen NDW-Fraktion Rheingold aus Düsseldorf um den 2019 verstorbenen Bodo Staiger hatte Honey noch einige Trivia parat. Und wer Welle:Erdball schon ein paar Mal live gesehen hat, weiß: Im Regelfall enden die Clubkonzerte mit einem Cover, das zusammen mit der jeweiligen Supportband gespielt wird. Und die Wahl des Liedes sorgte an diesem Freitagabend zu später Stunde gegen 23.20 Uhr für viele grinsende Gesichter. “Wir hatten wirklich lange überlegt, was wir diesmal machen. Wir hatten schon ‘A New England’ mit Rroyce, wir hatten ‘Goldener Reiter’ mit Alienare – wie soll man das noch toppen?“, so Honeys rhetorische Frage. Es wurde “Video Killed The Radio Star” – und da konnte wirklich jeder im Kulttempel nochmal lautstark mitsingen. Ein gelungener Abschluss eines schönen Abends. “Was soll ich sagen, Oberhausen? Hundertprozentig!” – mit dieser Ansage in gewohnter Manier ging es dann entweder an den Merch-Desk, auf die Aftershowparty oder den Nachhauseweg. Aber wie kurz vor dem Konzert bekanntgegeben wurde, kommen Welle:Erdball ja in ziemlich genau einem Jahr schon wieder nach Oberhausen …

Setlist WELLE:ERDBALL @ Oberhausen, Kulttempel (28.03.2025)

01. Welle:Erdball
02. Wir sind elektronisch
03. Wir wollen keine Menschen sein
04. Die Menschen sterben nicht
05. Kabinett
06. Vor all den Jahren
07. Lady Dracula
08. Wendy, Walter & die Geschlechtsmaschine
09. Mumien im Autokino
10. Nerdfaktor 42
11. Der Türspion
12. Das Experiment²
13. 1000 Engel
14. Ich bin nicht von dieser Welt

— Pause —

15. Funkbereit
16. Pareidolie
17. VW Käfer
18. Das letzte Hemd
19. Ich bin aus Plastik
20. FanFanFanatisch
21. Schweben, fliegen, fallen
22. Das Tor zur Wirklichkeit
23. Drogenexzess im Musikexpress
24. Feuerwerk
25. Space Oddity (Z)
26. Monoton & Minimal (Z)
27. Video Killed The Radio Star (ZZ, mit Versus)

Weblinks WELLE:ERDBALL:

Homepage: https://www.welle-erdball.info/
Facebook: https://www.facebook.com/WelleErdball/
Instagram: https://www.instagram.com/welleerdballofficial

Weblinks VERSUS:

Homepage: www.versus-music.de
Facebook: www.facebook.com/versus.ahoipop

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