Manchmal ist es mit kleinen Clubs in Millionenstädten ja so eine Krux: Hier und da öffnen die Türen erst um 20 Uhr, die erste Band steht nicht vor 21 Uhr auf der Bühne. Was die Sache für Pendler, die am nächsten Morgen den Weg ins Büro finden müssen, zuweilen schwierig macht. Das Bürgerhaus Stollwerck in Katzensprung-Nähe zum Rhein ist so einer dieser Läden. So stand auch beim zweiten Gig von Maxïmo Park innerhalb von etwas mehr als zwei Jahren vor Ort “Beginn: 21 Uhr” auf der Karte. Da macht man sich also zeitig auf den Weg, kommt überaus pünktlich um 20 vor 9 am Gebäude an – um dann festzustellen, dass Support Joey Gavin längst auf der Bühne stand. Viel bekamen wir von dem in Berlin lebenden Iren daher nicht mehr mit.
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Seit 2017 veröffentlicht Gavin regelmäßig Songs, ein Album namens Between the Mountains and the Mystery erschien im Sommer 2022. Vornehmlich von diesem stellte er einige Songs vor, unter anderem auch einen namens I Want You To Stay – was Fans der Hauptband an diesem Abend natürlich aufhorchen ließ. Das Stück war aber ein eigenes Lied, kein Cover der gleichnamigen Single des Maxïmo Park-Debütalbums A Certain Trigger. Vielleicht hätte Gavin damit mehr Reaktionen gezogen. Gerade im hinteren Teil des Stollwercks unterhielten sich die Leute eher angeregt, statt den doch sehr reduzierten Klängen zu lauschen. Für Freunde von “stripped down singer-songwriter folk music” sicher ganz schön, als Einheizer für ein Indie-Rock-Konzert voller Tanzlust war Gavin allerdings keine optimale Wahl.
Schon um 21.20 Uhr stand dann die Formation aus Newcastle auf der Bühne des Bürgerhauses, das für sie eigentlich zu klein ist. Klar, die ganz große Erfolgs-Ära von Maxïmo Park und Genrekollegen ist längst vorbei. Aber das Konzert war schon auf Monate im Voraus ausverkauft. Da wäre doch eine Verlegung in eine größere Location sicher möglich gewesen. Andererseits betonte Sänger Paul Smith, wie schön er es doch findet, “to return to this lovely place” – da erinnerte sich also jemand an das Konzert vom September 2022 (Bericht hier). Ebenfalls schon damals dabei waren Keyboarderin Jemma Freese und Bassist Paul Rafferty, die auf offiziellen Bandfotos nicht zu sehen und auch beim Songwriting im Regelfall nicht involviert sind. Auf der Bühne sind beide aber unverzichtbar. Der brummelige Bass und die lauten Keyboard-Flächen gehören zum klassischen Sound der nordenglischen Indie-Rocker einfach dazu.
Die Setlist stand wenig überraschend recht deutlich im Zeichen der aktuellen Platte Stream Of Life, sieben von elf Stücken wurden in Köln gespielt. Überraschenderweise schaffte es die Single Quiz Show Clue nicht ins Programm, im Gegensatz zum Vorabend in Paris. Und überhaupt: Wer meinte, sich vorab oder während des Konzerts in Sachen Setlist spoilern zu können, den belehrte das Quintett eines Besseren. Tatsächlich tauschten Maxïmo Park die halbe Setlist (!). Davon könnten sich zahlreiche Kollegen, die über Monate die immer gleichen Lieder in der immer gleichen Reihenfolge mit den immer gleichen Zwischenansagen abliefern, mal eine gewaltige Scheibe abschneiden.
Nach dem erwartbaren Opener Your Own Worst Enemy schickte in Köln also eben nicht das noch in Paris gespielte Signal And Sign, sondern Postcard Of A Painting die Fans auf eine wohlige Zeitreise in die mittleren 2000er, als gefühlt alles im Leben noch leichter und tanzbarer britischer Indie-Rock der Sound der Stunde war. Neue, ältere und ganz alte Songs wechselten sich gut 85 Minuten lang ab und obwohl die Stimmung im Publikum während der Songs eher verhalten war – zu den besten Zeiten gab es zu schnelleren Songs wie Our Velocity dann auch mal kräftige Pogo-Pits -, war der Jubel zwischen den Liedern doch durchgehend sehr euphorischer Natur.
Paul Smith, wie immer mit modischem Hut ausgestattet, nahm sich regelmäßig die Zeit, den jeweils folgenden Song ein wenig zu erklären. Dies sehr charmant, versuchte er doch immer wieder, seine eher rudimentär ausgeprägten Deutsch-Kenntnisse zu präsentieren. Obwohl: “Mein Deutsch iss nich sso gudd“. Macht nix, verstanden haben wir ja alles und der Versuch ehrt ihn allemal. Im unterhaltsamen Deutsch-Englisch-Kauderwelsch teilte er uns mit, dass es in dem jeweils folgenden Song ums “Sprekken” geht (I Knew That You’d Say That), um Enden angefangener Geschichten und Lebensabschnitte, die nicht immer nur schlimm sein müssen (The End Can Be As Good As The Start) oder dass es einfach mal wieder an der Zeit war, länger nicht gespielte Lieblingssongs zurück ins Programm zu holen (Drinking Martinis, Nosebleed). Deutlich sichtbar während der gesamten Show: Sein T-Shirt, auf dem simpel in riesigen schwarzen Lettern No War auf weißen Grund geschrieben steht. Eine dankbare Abwechslung zu den immer latent antisemitisch und unreflektiert wirkenden Verbal-Durchfällen gewisser anderer Rockbands (insbesondere von der Insel) in der jüngsten Zeit.
Nicht fehlen durfte auch der schöne Song, den Smith zum Vorgängeralbum Nature Always Wins für seine Tochter geschrieben hat. Versions Of You gehört sicher zu den besten Stücken der vergangenen zehn Maxïmo Park-Jahre. 2022 sang der 45-Jährige diesen bei den Deutschland-Gigs sogar in deutscher Sprache, woran er sich auch erinnerte: “Now we play this in the original language so you can compare which one is better“. Ganz ehrlich: Dieses vor wohliger Melancholie strotzende, hochmelodiöse Stück kriegt wohl nicht mal ein Text auf Esperanto kaputt. Ihre beiden wohl bekanntesten Songs Books From Boxes und Apply Some Pressure hoben sich Maxïmo Park für das Ende des Haupt-Sets auf – gerade bei ersterem gingen dann auch wieder unvermeidlicherweise die Handy-Bildschirme für längere Zeit in die Luft.
Sonst wurde aber zum Glück mehr getanzt als gefilmt. Gerade nochmal zum krönenden Abschluss mit dem Klassiker Graffiti, der eigentlich gar nicht auf der ausgedruckten Setlist stand. Spontan entschied sich die Band dazu, anstelle des nicht minder grandiosen Going Missing, das auf dem Zettel zu finden war. Bleibt eine abschließende, kritische Frage an einem sonst überaus erfreulichen und gelungenen Konzertabend: Warum spielten sie nicht einfach beide Songs? Andererseits: Ein Konzert mit den Worten “That’s Enough” zu beenden … es passt eben.
Setlist MAXÏMO PARK – Köln, Stollwerck (06.11.2024)
01. Your Own Worst Enemy
02. Postcard Of A Painting
03. Dormant ‘Til Explosion
04. Questing, Not Coasting
05. The End Can Be As Good As The Start
06. Armchair View
07. The National Health
08. I Knew That You’d Say That
09. Versions Of You
10. Stream Of Life
11. Drinking Martinis
12. Our Velocity
13. What Did We Do To You To Deserve This?
14. Favourite Songs
15. Books From Boxes
16. Apply Some Pressure
17. No Such Thing As A Society (Z)
18. Nosebleed (Z)
19. Graffiti (Z)
Weblinks MAXIMO PARK
Homepage: www.maximopark.com
Facebook: www.facebook.com/maximopark
Instagram: www.instagram.com/maximoparkofficial