E-Tropolis Festival – Oberhausen, Turbinenhalle (02.03.2024)

E-tropolis Festival 2024 © Sandro Griesbach
E-tropolis Festival 2024 © Sandro Griesbach
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Was lange währt, …nun ja, Ihr wisst, wie der Satz weitergeht. Eigentlich sollte das E-Tropolis Festival bereits im vergangenen September über die Bühnen der Oberhausener Turbinenhalle gehen, wurde aber letztlich auf März verschoben. Damit kehrt das Event für dunkle Elektronikmusik aller Art zurück in den dritten Monat des Jahres, in dem es vor der Pandemie regulär ausgetragen wurde. Nun sollte alles soweit glattgehen. Die Fülle früherer Jahre wurde zwar nicht ganz erreicht – so waren z.B, die Ausgaben 2018 und 2021 ausverkauft –, aber so blieb zumindest in den von den Bühnen etwas entfernteren Bereichen eben auch mehr Platz zum Tanzen. Und über kürzere Toiletten- und Cateringschlangen beschwert sich sicher niemand.

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Generell: In den Sozialen Netzwerken wurde vor allem die Organisation ausdrücklich gelobt, unserem Eindruck nach zurecht. Die Essens-Auswahl war reichhaltig, die Spielzeiten konnten eingehalten werden und auch der Ein- und Auslass (Wiedereinlass-Bändchen sind bei Ein-Tages-Festivals ein seltener Luxus!) lief reibungslos. Die Bands blieben von Technikdesastern wie 2022 verschont, nur hier und da wummerte der Bass für die Besucherinnen und Besucher sicherlich etwas zu laut – aber das ist in den beiden Turbinenhallen wahrlich nichts Neues.

E-Tropolis Festival – Oberhausen, Turbinenhalle (02.03.2024)

Das vermutlich Erwähnenswerteste mit direktem musikalischem Bezug direkt zu Beginn: Der Headlinerslot von Nitzer Ebb stand bis wenige Stunden vor Beginn auf der Kippe. Am Vorabend vermittelte Sänger Douglas McCarthy bei einem Clubkonzert im belgischen Aarschot einen bedenklichen Eindruck. Sichtlich abgemagert und wenig energetisch auftretend, warf er gar Textzeilen der einzelnen Songs durcheinander. So war es dann leider keine große Überraschung, als Moderator Jens Domgörgen gegen kurz vor halb 12 nachts bestätigte, dass Douglas nicht auftreten kann und die Band hinter den Kulissen lange überlegte, inwiefern der geplante Auftritt überhaupt gespielt werden kann. Letztlich war Daniel Myer, die eierlegende Wollmilchsau der deutschen Dunkel-Electro-Szene, wieder einmal der Retter in der Not (danke dafür!) und übernahm nur eine gute Stunde nach seiner Performance mit Covenant neben David Gooday den zweiten Posten an den Maschinen und Drumsticks. Bon Harris ging, wie schon bei einigen Shows in der abgelaufenen Festivalsaison, ans Mikro, überzeugte mit viel Energie und bewies eindrücklich, ein mindestens passabler Sänger zu sein. Leider blieben einige eigentlich unverzichtbare Klassiker wie Shame oder Getting Closer wohl der Situation geschuldet draußen und die Show war 15 Minuten kürzer als angesagt – dafür gab Gooday in der Zugabe zum ersten Mal nach längerer Zeit wieder die herrlich monoton-aggressive Abrissbirne Alarm zum Besten. Auch das Konzert in der Folgewoche in Halle wurde aus gesundheitlichen Gründen in der Besetzung Harris-Gooday-Myer ausgetragen, zudem der geplante Fixmer/McCarthy-Auftritt beim E-Only-Festival in ein Soloset von Terence Fixmer umgewandelt. Wir wünschen Douglas an dieser Stelle gute Besserung!

Der Abend stand, wenig verwunderlich für eine Veranstaltung in der Gothic-Szene, im Zeichen der Veteranen, die durch die Bank weg ablieferten. Covenant mit einem stimmlich gut aufgelegten Eskil Simonsson spielten Hits von damals (Call The Ships To Port, Dead Stars), komplexere Stücke von (fast) heute (All That Is Solid Melts Into Air) und Fan-Lieblinge von ganz damals (Edge Of Dawn). Überraschend: Gleich vier Songs des sonst eher unterrepräsentierten Albums Modern Ruin (Dynamo Clock, Lightbringer, The Beauty And The Grace sowie Wir sind die Nacht) schafften es ins Set.

E-Tropolis Festival – Oberhausen, Turbinenhalle (02.03.2024)

Auch Frozen Plasma (mit Herzchen-Konfetti sowie -Ballons bei Let It Rain Love) und Nachtmahr (mit gewohnt sehenswerter Bühnenshow) brachten die Masse in Halle 2 in Bewegung, wenngleich die Temperaturen irgendwann eine Celsius-Zahl jenseits von Gut und Böse erreichte und nicht selten der Ruf nach besserer Belüftung oder einer spürbar wirkungsvollen Klimaanlage laut wurde. (Ha, es gibt also doch noch einen Orga-Punkt, den man verbessern könnte!) Da hatte man es in der großen Halle doch etwas besser erwischt, wenngleich vor allem auch Johan von Roy mit Suicide Commando wie gewohnt alles gab und das Energielevel hochhielt.

Ein Festival sollte aber zeitgleich immer die Möglichkeit bieten, Neues zu entdecken. Und auch diesbezüglich lieferte dieser lange Samstag ab. Auf der großen Bühne waren es vor allem die Schweden von Kite, die, obgleich schon 2008 gegründet, noch immer von vielen in die Rubrik „Geheimtipp“ gesteckt werden. Unter anderem mit der neuen Single Glassy Eyes (VÖ am 19.4.) und älteren Stücken wie True Colours oder Jonny Boy begeisterten Nicklas und Christian musikalisch voll und ganz. Da konnte man es auch absolut verschmerzen, dass die beiden dank der sehr atmosphärischen, aber eben spartanischen Bühnenbeleuchtung kaum zu erkennen waren.

Ähnlich im Dunkeln stehend und sicher noch (die Betonung liegt auf noch) etwas unbekannter: NNHMN (Nonhuman). Das polnische Duo, mittlerweile in Berlin wohnhaft, brillierte auf Bühne zwei. „Haunted Synthwave“ nennen das manche, sicherlich zurecht. Sängerin Lee kreiert mit ihrer hellen Stimmfarbe wechselvolle Wirkungen, die Instrumentals sind dazu stets tanzbar. Das wollte sich auch Johan von Roy nicht entgehen lassen, der von der Empore aus interessiert zuhörte. Wer moderne, elektronisch geprägte Darkwave-Musik sucht und NNHMN noch nicht kennt, sollte dies dringend nachholen.

E-Tropolis Festival – Oberhausen, Turbinenhalle (02.03.2024)

Gleiches gilt für das französische Duo Potochkine. Polly und Hugo hinterließen bereits beim vergangenen Amphi Festival nichts als Glückseligkeit, in Oberhausen sollte es nicht anders sein. Was hier besonders beeindruckt, ist die selten gewordene Fähigkeit, während eines Konzerts eine Art musikalische Geschichte zu erzählen und die Dynamik stetig zu steigern. Während andere Bands Festivalslots als Aufforderung sehen, stumpf ihre Hits runterzuspielen, nehmen sich Potochkine die Zeit, mit ruhigeren, langsameren Stücken wie Préférer se taire zu beginnen, im Mittelteil groovige Clubtracks wie Possedee abzuliefern und gegen Ende pure Raserei einzuleiten. Diese Herangehensweise birgt zwar gerade auf Festivals das Risiko, dass sich viele nach drei Songs abwenden – wer aber dabei bleibt, wird gegen Ende mit Abrissbirnen wie Pogo, Je déteste attendre und La Fête de Narcisse belohnt.

Erwähnenswert zudem der größte Exot des diesjährigen E-Tropolis: Auch Oberer Totpunkt durften sich 2023 beim Amphi präsentieren und hinterließen mit ihrer kreativen Bühnenshow Eindruck, sodass der auch dort verantwortliche Veranstalter sie nochmal einlud. Auf dem E-Tropolis lieferte die Hamburger Formation um Bettina Bormann einmal mehr komplett ab und war für nicht wenige die Entdeckung des Tages. Ein hochinteressanter Farbtupfer im Line-up, Songs wie Rattenfänger oder Das ist nicht meine Welt könnten mit ihren kräftigen Gitarrenriffs darüber hinaus auch beinharten Neue-Deutsche-Härte-Fans taugen.

E-Tropolis Festival – Oberhausen, Turbinenhalle (02.03.2024)

In Halle 1 erklangen am frühen Nachmittag hingegen vor allem altbekannte Hits. Snuff Machinery von [:SITD:], Flames Get Higher von Sono, I Like When You Lie von Rroyce — und zu Beginn eröffneten die Schweden Sturm Café mit Songs wie Europa oder Scheissnormal für ein sicherlich alles andere als scheissnormales Publikum und lockerten erste Tanzbeine. Eine absolut runde Sache war es, das insgesamte zwölfte E-Tropolis-Festival.

Dazu gab es in der Turbinenhalle die ersten Bestätigungen für das kommende Jahr. Am 22. März 2025 stehen Hocico, Chrom und Alienare nebst vielen weiteren Bands auf einer der beiden Bühnen. Karten gibt’s ab sofort zum Preis von 73 € plus Versandkosten hier.

Sturm Café – Mainstage

Rroyce – Mainstage

Oberer Totpunkt – 2nd Stage

Sono – Mainstage

Accessory – 2nd Stage

[:SITD:] – Mainstage

NNHMN – 2nd Stage

Kite – Mainstage

Potochkine – 2nd Stage

Suicide Commando – Mainstage

Frozen Plasma – 2nd Stage

Covenant – Mainstage

Nitzer Ebb – Mainstage

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