HOZIER – Köln, Carlswerk Victoria (12.07.2023)

Fotos: HOZIER
Hozier, © Angela Trabert
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Ganze vier Jahre mussten die Fans von Hozier auf diese Tour warten. Im Frühling kam dann aber ordentlich Schwung ins Geschehen, spielte der smarte Ire doch kurzfristig vereinzelte Pop-Shows im jeweils kleinen Rahmen. Selbstredend waren die Tickets schneller vergriffen, als man Take Me To Church sagen kann. Zum Glück wurde aber auch eine Tour durch die größeren Hallen bekanntgegeben. Und neue Musik stand ebenfalls ins Haus. Andrew Hozier-Byrne machte sich am St. Patrick Day ein eigenes Geschenk zu seinem Geburtstag, als mit Eat Your Young seine neue EP erschien. Und auch die ersten Vorreiter für das bevorstehende Album Unreal Unearth folgten auf dem Fuße.  Aber nun galt es erstmal, Hozier endlich wieder live auf der Bühne zu erleben.

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Vor dem Kölner Carlswerk Victoria bildete sich bereits Stunden zuvor eine beachtliche Warteschlange. Das Konzert war restlos ausverkauft und die ersten Reihen waren unter 1.600 Fans natürlich heißt begehrt. Dabei war der Anteil der männlichen Ticketinhaber verschwindend gering. Viele Mädels trugen lange, schwingende Röcke oder Kleider im Romantik-Look und teilweise waren auch Blumen ins Haar drapiert. Um einen herum nahm man diverse Sprachen wahr. Nicht wenige haben heute scheinbar eine weitere Anreise für diesen Konzertabend in Köln auf sich genommen. Als wir uns in der Halle einfanden, machte sich eine durchaus aufgeregte Stimmung breit. Seichte Musik lud dazu ein, erstmal einen Moment durchzuatmen. Der Tag war nunmal bislang recht warm und nachdem die ersten Reihen besetzt waren, wollte kaum nochmal jemand seinen Platz räumen, um für kühle Getränke zu sorgen. Ganz vorne hatte ein Mädel einen rosafarbenen Blumenstrauß in der Hand, der mit einer weißen Schleife verbunden war. Als plötzlich Raptide von Vance Joy über die Boxen erklang, entstand ein entzückender Moment. Hunderte Stimmen klinkten sich unabgesprochen mit ein. Und ich muss schon sagen, was man nun hörte, klang unheimlich schön.

Bevor aber der Hauptact des Abends die Bühne enterte, erwarte uns eine junge Künstlerin, die sich ganz allein zu uns begab. Hierbei handelte es sich um Victoria Canal – eine 24 jährige Singer-Songwriterin, die bereits in vielen Orten dieser Welt gewohnt hat und derzeit in London lebt. In England wurde sie gerade erst bei den Ivor Novello Awards mit dem “Rising Star Award” ausgezeichnet. Pünktlich um 20:00 Uhr wurde Victoria mit einem warmen Applaus empfangen. Sie nahm mit ihrer Akustikgitarre auf einem Hocker Platz und stellte sich kurz vor. “I’m gonna sing a few songs that I wrote in my bedroom.” Dann saß sie da – im sommerlichen Look, mit einem Top, einem Rock und pinkfarbenen, großen Ohrringen in Herzform. Mit absolut klarer Stimme und ganz viel Gefühl performte sie Pity Season. “,Shape’ came out two weeks ago. There’s a little sing along, I’d like to teach you. Is that ok?” Kaum hatte sie uns den Refrain vermittelt, konnte es auch schon losgehen. Und tatsächlich – die Menge stimmte deutlich hörbar mit ein “Don’t be so pretty in front of me, front of me. Don’t be so pretty, pretty.” Erst am Ende des zweiten Songs nahm ich wahr, dass Victoria der rechte Unterarm fehlte. Ihr Handicap hielt sie jedoch keineswegs davon ab, perfekt Gitarre zu spielen.

“The song is about dysmorphia. Since I find the words for it, it’s really amazing. This song is for all the emo girls – I love you.” Nun nahm sie an einem Keyboard platz und performte She Walks In – einen Song mit Lyrics über Selbstzweifel. Im Carlswerk hätte man eine Stecknadel fallen hören. Es war wahrlich mucksmäuschenstill. Ihr Publikum war zu 100% bei Victoria. Niemand war abgelenkt oder redete, das fiel auch der überraschten Sängerin auf “Oh my god, you’re really listening!” Mit Motion Sickness folgte eine Coverversion von Phoebe Bridges. Und die Faszination hielt an – neben mir kullerten gar ein paar Tränchen an der Wange eines ergriffenen weiblichen Fans herab. Die Stimmung im Raum war wirklich besonders. Dabei ist es schwer zu sagen, wer zauberhafter war – Victoria selbst oder das Publikum. Denn sie wurden an diesem Abend zu einer unsagbar schönen Einheit. Jemand rief entzückt “I love you” und die Sängerin gab dies zurück, in dem sie die Worte wiederholte.

“Do you ever talk to your best friend on the phone and you say things in a really weird way? Like when I say ,I love you’ to my friend – in a mousy way? Yesterday was the first time I ever played the next song live, so you’re one of the first people ever to hear it live. It’s actually about my best friend Lucy, who lives in Berlin and she was there last night. I saw her crying and it was really cute. But I wrote the song about her and how she lifts me up, when I’m struggeling with my cute girl mental health issues.” Victoria ließ uns mental ganz nah an sich und ihre Gefühle heran. “This tour has been the best of my life, ever! I’m coming back for my own headline tour in October. This song is called ,Swan Song’. It’s the most special for me to play. During covid I lived back in with my parents. And I found out, that someone really close to me was diagnosed with a fatal illness. It came to a lot of conversations about life, love and forgiveness and the things that really matter. I was listening to a podcast about grief. They talked about the four things to say to those you love before you die: Thank you. I love you. I forgive you and can you forgive me? That inspired the song – it’s for my dad.”

Zu sanften Pianoklängen zückten viele still und heimlich ihr Handy. Jedoch nicht um Bilder zu machen. Nein, es fühlte sich richtig an, die Taschenlampen anzustellen und zu signalisieren, dass man bei der Sängerin war. Anschließend bedankte sie sich dafür, dass sie auf dieser Tour dabei sein durfte. Sie sprach aber auch darüber, dass sie ein unabhängige Künstlerin ist und so eine Tour sehr kostspielig ist. Daher warb sie für ihre Merchartikel, die im Nachhinein auch wie geschnittenes Brot über die Ladentheke gingen. Own Me war dann der letzte Song, den wir von ihr hörten. Für einen kurzen Augenblick musste ihre Darbietung allerdings unterbrochen werden, denn ein junge Frau inmitten der Menge erhielt einen leichten Schwächeanfall und die Securities trugen sie direkt heraus, damit sie versorgt werden konnte. Mittlerweile war es auch richtig heiß in der Halle. “Drink water everyone.” Mit den letzten Tönen verließ Victoria nach ihrem 30-minütigen Set laut umjubelt die Bühne. Die toughe Sängerin hat uns an diesem Abend nachhaltig beeindruckt und ihr Auftritt war wahrlich eine Bereicherung.

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Die Umbaupause dauerte nicht lange. Auf der Bühne waren bereits zuvor etliche Instrumente nebst Equipment für Hozier platziert. Um 21:00 Uhr gesellten sich dann all die Musiker auf die Bühne. Soviele? Aber ja! Ganze acht waren es und unter lautstarken Jubelrufen kam noch ein blendend gelaunter Andrew Hozier-Byrne hinzu und genoss seinen großen Auftritt einen Moment lang. Bei der vorliegenden Hitze trug er einen Zopf, dazu weiße Chucks, eine lässige schwarze Hose und ein hellblaues Jeanshemd. Eat Your Young eröffnete das fein abgestimmte Set. Sogleich versetzte er einen ins Staunen, erreichte er doch auch live mühelos die ganz hohen Töne. Seine beiden Backgroundsängerinnen unterstützten ihn dabei stimmlich. Die Ventilatoren auf der Bühne gaben ebenfalls Vollgas. Na und seine Fans? Die sowieso! Ihre Textsicherheit stellten sie ab der ersten Sekunde unter Beweis. Welch fulminanter Auftakt! Zu Jackie And Wilson klatschte das Publikum im Takt und nun konnte man auch mal die restlichen Musiker auf sich wirken lassen.

Neben einer Cellistin waren ein Bassist, ein Violinist, ein Drummer, ein Keyboarder und eine Musikerin an einer Orgel aktiv. Die Backgroundsängerinnen waren aber auch flexibel und nahmen mal eine Handschelle oder ein Drumpad hinzu. Auf der Bühne war also ordentlich Bewegung im Gange. Und doch bildeten die neun Profis eine eingeschworene Einheit. “Victoria has been opened up these shows and I’m gracing this tour with her. With her beautiful music and her incredible presence. And thank you so much for being such a wonderful audience for her. I need to teel you, that we were in Berlin last night and they said, you guys can’t sing.” Einen Raunen ging durch die Menge. “I just tell you, what they said. So please don’t shit the messenger. But they all said it together. It was really, really intense! But we can proof Berlin wrong, ok? There’s no wrong notes. Except for every other note, that you don’t sing you, ok?” Hozier stimmte uns mit seiner Gitarre auf die folgenden Töne ein. Wir übten fleißig mit ihm und dann legten wir alle gemeinsam zu To Be Alone eine stattliche Gesangsleistung ab. Andrew war sichtlich beeindruckt. Mitten im Song warf er ein: “A million times better than Berlin!” Dieses Stück rockte gewaltig und hob die Laune nochmal auf ein weiteres Level. Zudem performte Hozier die Nummer mit einer gewissen Coolness, die ihm ausgesprochen gut stand.

Ein weiterer musikalischer Hochgenuss erwartete uns mit Dinner & Diatribes. Mit all den Instrumenten auf der Bühne wirkte der Track  noch intensiver. Aus dem Publikum stieß neben einem “I love you”, ein heftiger Schrei hervor. “Are you ok? Ehem, thank you very much. How are you feeling? Are you still with us? This next song was released a couple of weeks ago and I take some inspiration from a part of ,Dante’s Infernal’, where Dante comes across two lovers. They are two lovers who sort of paid their real historical figures, that actually existed. And they pay the ultimate price for having fallen in love and they were murdered for it. Dante in his kindness decided that it was a nice idea to ride them into hell, anyway. This song just tries to say the eternity arm in arm, with somebody you would literally die for and pay the ultimate price for it, is no punishment at all. It’s a decision you make time and time again. The song is called ,Francesca’.” Voller Leidenschaft bot er uns diese tragische, aber entschlossene Liebesgeschichte dar.

Für ein Duett kündigte er nochmal die zauberhafte Victoria an “On this tour she reminds me every evening just how beautiful and personal and intimite and well crafted a song can be. If you could, make a hell of noise and welcome on stage the incredible Victoria Canal.” Gemeinsam sangen die beiden Like Real People Do. Die Musiker hielten sich nun eher bedeckt und rückten das Duo musikalisch mit sanften Hintergrundklängen in den Fokus. Somit konnten die beiden besonders glänzen. Victoria schloss immer wieder ihre Augen, während sie voller Gefühl ihre Zeilen sang. Zum Abschied gab es dann eine herzliche Umarmung. Unknown/Nth begleitete der 1,98m große Ire mit einer roten Fender Gitarre. Ein zweites Mikrofon ermöglichte ihm zwischendurch den Klang einer verzerrten Stimme. Eine wunderbar verspielte Gitarrenmelodie begegnete uns in Nobody. Neckisch flirtete dabei eine der Backgroundsängerinnen den Bassisten an. Etwas unerwartet wurde sie dabei jedoch von Hozier beobachtet und dies sorgte für einen niedlichen Schmunzler auf allen Seiten.

Den nächsten Song musste Hozier zwischendurch unterbrechen. “Stop! Security?” Erneut war ein Mädel inmitten der Menge von Schwäche geprägt. “Drink some water, then you can watch the rest of the show.” Um einen weiteren Zwischenfall zu vermeiden, verteilten die Securities nun auch Wasser in den vorderen Reihen. Denn die Luft in der Halle hatte mittlerweile tatsächlich ein Saunaniveau erreicht. “Let me hear you, Cologne! The next one is an old one from the first album” Gemeint war Someone New. Ganz zart und seicht begann Movement. Die wohlklingenden Streicher rahmten die Atmosphäre perfekt ein. Hozier wusste zu berühren. Doch dann baute sich allmählich eine schiere Dramatik auf und der Song betörte mit einer unglaublichen Intensität. Der Spannungsbogen war an dieser Stelle zwar bereits mächtig gespannt, doch das wahre Highlight stand uns kurz bevor.

Auch wenn wir alle den Megahit im Laufe der Jahre unzählige Male gehört haben – Take Me To Church klingt auch zehn Jahre nach seiner Veröffentlichung kein bisschen staubig. Mitsamt der dazugehörigen toughen Lyrics hat Hozier damals weltweit den großen Durchbruch erzielt. Manchmal fällt es Künstlern im Laufe der Jahre schwer, ihre musikalischen Brillanten wieder und wieder live zu performen. Dies war hier absolut nicht der Fall. Andrew und seine Mitmusiker legten soviel Herz und Passion in diese Darbietung – dazu sang das gesamte Publikum voller Inbrunst mit. An dieser Stelle konnte man nur mitgerissen werden. Zum Schluss wurden sämtliche Instrumente nochmal an ihre Leistungsgrenze gebracht und mit voller Ekstase endete das offizielle Set. Natürlich fand der pastellige Blumenstrauß auch noch seinen Weg auf die Bühne. Na, wenn das kein Happyend ist ;).

Doch ganz vorbei war es noch nicht. Den Ruf nach weiteren Zugaben konnte man vielleicht sogar bis zum Kölner Dom hören. Hozier ließ sich auch nicht lange bitten und kehrte ganz allein auf die Bühne zurück. “Thank you so much. You’ve been a very very special audience. This has put a smile in my face. This next song is just a little low me. If you know it, I’d like to hear you. It’s called ,Cherry Wine’.” Der Lichttechniker verlieh der Bühne einen warmen Rotton. Einzig mit seiner Gitarre und seiner souligen Stimme servierte uns Andrew diese traumhaft schöne Ballade. Dazu leuchteten vor ihm hunderte Handytaschenlampen auf, die seicht hin und her bewegt wurden. Zu gern hätte man den Anblick des Sängers fotografisch festgehalten – sah er doch unendlich glücklich aus. Es galt aber Prioritäten zu setzen, den Song gänzlich zu genießen und sein kleines Licht in der Hand nicht aufzugeben. Erneut zeigte sich, dass Hozier ein begnadeter Gitarrist ist. Selbst die kniffeligsten Griffe beherrscht er mühelos. Als sich der Titel dem Ende zuneigte, summte die Menge noch bedächtig weiter und ließ Cherry Wine sanft ausklingen. Huh, schon drängte sich eine Gänsehaut auf.

Andrew nahm den Blumenstrauß in die Hand und bedankte sich mit einer freudigen Geste für sein Fangeschenk. “Please welcome this wonderful band back on stage! I think that’s also the first time – at least to my knowledge, ’cause someties I have this ears in – that a crowd has hummed the outro. Thank you so much! I’m gonna introduce you to this wonderful collection of musicians, that are joining me here on the road. Many of these folks are joining me for the first time. But I want you to know, that every single person on stage is a solo artist, a writer, a composer, a producer. I’m incredibly fortuned to have them all with me.” Nach und nach stellte er seine Mitmusiker vor. Sie kamen aus Nashville, New York, County Kerry, Dublin. Er ließ es sich auch nicht nehmen, jede weitere Person aus seiner Crew namentlich nebst der dazugehörigen Funktion zu nennen und man war überrascht, wieviele Menschen doch im Hintergrund an seiner Seite standen. “Cologne, it has been an absolute joy and thank you for making this a very very special evening. For being such an incredible audience. I’ll leave you with this one.” 

Ein letzten mal setzten die Streicher ein, dunkle Pianoklänge gesellten sich hinzu und Hozier begann seine bewegenden Zeilen zu singen: “When my time comes around. Lay me gently in the cold dark earth. No grave can hold my body down, I’ll crawl home to her.” Und auch hier sangen seine Fans am Ende noch ein kleines bisschen weiter, um den letzten Song des Abends gebührend ausklingen zu lassen. Andrew und seine Musiker kamen in der Mitte zusammen, um sich Arm in Arm vor ihrem Publikum zu verneigen und ein letztes Mal ihren ehrlichen Dank auszudrücken. Um 22:40 Uhr fielen dann die finalen Worte: “It’s been beautiful, Cologne! Thank you. See you soon.” Vom Band lief noch Bob Marley’s Hit Three Little Birds. “Don’t worry about a thing, ’cause every little thing gonna be alright.” Für diesen Abend trafen diese Worte absolut zu. Schließlich machte man sich beschwingt, beglückt und leicht verträumt auf den Heimweg. Und neue Musik ist bereits fast zum Greifen nahe. Denn am 18.08.2023 erscheint nunmehr mit Unreal Unearth das brandneue Album von Hozier. Und Im Winter? Da kommt Hozier nochmal für zwei weitere Termine nach Deutschland. Am 02. und 05. Dezember spielt er in Berlin und Hamburg. Doch fürs Erste summten wir erst nochmal ein wenig beseelt vor uns hin.

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