Okay, Tag 2 des Hurricane Festivals. Heute soll es dann doch etwas entspannter werden. Aber der Acker ist am Samstagmittag bereits sehr aufgeheizt und die Luft ist staubig und dreckig. Viele Festivalbesucher haben sich Tücher um Mund und Nase gebunden, um diesem Staub irgendwie zu entkommen. Bereits zu früher Stunde sammeln sich die Besucher an den Getränkeständen und an den kostenlosen Wasserstellen, um Trinkgefäße aufzufüllen oder auch schnell mal den Kopf abzukühlen.
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Unsere erste Band ist an diesem Tag: Fjørt aus Aachen. Ich muss zugeben, ich hatte gedacht, die drei Jungs kommen eher aus Skandinavien als aus Deutschland. Ihr Hardcore Rock trifft mich genau da, wo eigentlich die Futterlucke ist und ich werde von der Energie weggeblasen, ebenso wie die gut 5.000 Zuschauer an der Forest Stage. Laut, schnell und unerbärmlich brettern Chris hell und Daniel Frings in die Saiten. Ihr relativ kurzes Set von acht Stücken macht klar, dass der heutige Tag kein Spaziergang werden wird.
Vom Hardcore Rock zum Punkrock ist es nur ein kleiner Weg. Direkt im Anschluss von Fjørt entern die Punkrocker von Zebrahead aus Kalifornien die Stage um ihren Crossover-Mix aus Punk, Rap und Metal über den immer heißer werdenden Platz zu brettern. Es ist viel Bewegung auf der Bühne und die Crowd wird animiert, den Pogo in der staubigen Nachmittagssonne zu fröhnen. Die Jungs machen Spaß. Auch wenn man bereits jetzt an den Rand der Kräfte gelangt. Derweil wird auf dem Platz bereits eine Wasserfontaine installiert, wo sich die Festivalbesucher abkühlen können. Mobile Eisverkäufer wittern das Geschäft ihres Lebens. Und darüber peitschen die Gitarren von Zebrahead.
Okay, jetzt also erstmal runterkommen und ein bisschen Luft holen. Der Tag wird noch lang genug. Also rüber zur River Stage, wo James Bay gleich seinen Auftritt haben wird. James Bay, mir bekannt aus dem Mainstreamradio mit eher ruhigeren Klängen, nachdenklich und immer mit Hut kommt gut gelaunt auf die Bühne und ist gar nicht so nachdenklich, wie ich dachte. Der Mann lächelt, scherzt mit seiner wirklich guten Band und ja, ich erkenne einige Lieder, welche ich im Radio des Öfteren gehört habe. Ein nettes kurzweiliges Set, welches mich dazu einlädt, mich mal mehr mit der Musik von James Bay zu befassen. Ich fand es gut.
Da ich ja nun zwar alt bin aber mich nicht vor junger Musik verschließe, höre ich auch sehr gerne neuen deutschen Punk. Muss ich hier auch auf Größen wie Turbostaat oder Love A verzichten, treibt es uns nun doch endlich mal zur weit abgelegenen Mountain Stage. Hier sollen Akne Kid Joe spielen. Ich bin vorerst überrascht, da wir tatsächlich die einzigen vor dieser großen Bühne sind. Die Band macht ihren Soundcheck noch selber und wirkt erst noch etwas unbeholfen. Doch gut zehn Minuten später, ich war doch nicht mehr ganz alleine vor der Bühne, hauten Sängerin Sarah und Sänger Matti ihren Punkrock durch die PA und es kam sehr schnell gute Stimmung auf. Im Fahrwasser von Pascow hat die Band ihre ersten Lorbeeren verdient gemacht und auch hier füllt sich der Platz vor der Bühne stetig. Ich könnte mir schon vorstellen, dass Akne Kid Joe, so dilettantisch sie auch klingen, weiter in der Szene entwickeln werden.
Manchmal ist es aber auch schwierig auf so einem Festival. Welche Band sieht man sich jetzt an. Wir haben lange gehadert, ob wir als nächstes zu My Ugly Valentine oder doch zu Funeral For A Friend gehen sollten. Ein Festivalbesucher legte mir letztere sehr an Herz. Also, warum nicht mal andere entscheiden lassen? Aber was hat uns das Leben gelehrt? Richtig, die erste Entscheidung ist meist die beste. Das Set von Funeral For A Friend wirkte auf mich eher uninspiriert. Frontman Matthew Davies-Kreye wirkte auf mich extrem verkatert und überhaupt nicht konzentriert. Fast schon fahrig läuft er über die Bühne. Sein Gesang ging zwischen den lauten Gitarren nahezu unter und wirkte auf mich eher kraftlos. Eigentlich schade. Aber zumindest war es ein Spaß zu sehen, wie u.a. Basser Richard Boucher über die Bühne stürmte. Das lockerte das Ganze dann doch wieder mehr auf.
Nach diesem eher enttäuschenden Set trabte ich also wieder los zur River Stage. Hier sollen gleich die Briten von Chvrches auf die Bühne kommen. Habe ich sie jetzt schon zweimal live verpasst, soll ich jetzt in den Genuss eines wirklich tollen Sets kommen. Lauren Mayberry gekleidet wie eine gute Fee wirbelt nicht über die Bühne, sie schwebt. Sie tänzelt wie eine Ballerina und hat dazu auch live eine so schöne Stimme, dass auch ich nicht nur von der immer unangenehmeren Hitze und der drückenden Luft dahinschmelze. Geschätzte 20.000 Kehlen singen und feiern diese Band, die wie ich finde, ihren jetzigen Status mehr als verdient haben. Aber mehr als 60 Minuten gibt man auch Chvrches nicht. Leider oder zum Glück? Dunkle Wolken am Horizont und aufkommender Wind kündigen an, was in wenigen Momenten über das Hurricane Festival hereinbrechen soll.
Auf der Hauptbühne haben gerade Madsen ihr Set gestartet, als aus dem starken Wind ein Sturm entsteht. Aus wenigen Regentropfen geht in Windeseile ein Starkregen über dem Platz runter, der Schlussendlich in einem Hagelschauer endet. Wir, die nicht auf dem Weg zu Madsen oder den The Luminers waren, fühlten uns im Pressebereich regelrecht eingesperrt. Das Zelt, wo sich unser Bereich im Backstage befand, wurde arg geschüttelt und im Backstage sind einige Pavillons auf Reisen gegangen. Viele, sehr viele Festivalbesucher machten sich Sorgen, ob die Zelte auf den Campingplätzen alles überstanden haben. Wer Nass bis zum Schlüpfer war, wurde fortan in den tollen Merchartikeln des Festivals gesehen. Auch eine Möglichkeit von PR dafür. 😉
Während Madsen also ihr Set durchgespielt haben, mussten derweil Kaffkiz auf der Mountain Stage ihr Set unterbrechen, da der Wetteranschlag direkt in die offene Bühne ging und die Technik erstmal vor den Wassermassen geschützt werden musste.
Nach einer gewissen Zeit des Erholens bekam ich alter Mann also eine Lehrstunde in Sachen Rap. Habe ich mich mit dem Genre aus Gründen nicht beschäftigt, sollte jetzt also Marteria, den ich bisher nur vom Hörensagen kannte auf der Forest Stage auftreten. Das Intro, der Vorhang, der Nebel – Auf dicke Hose machen konnte er schon mal. Kommt da jetzt ein Gangsterrapper? Nein, nicht wirklich. Nachdem ich mich an den fetten Bass gewöhnt hatte konnte ich tatsächlich Musik erkennen. Die Bassdrum die über das Gelände donnerte hätte aus einer Armee von 3er BMW schallen können und wäre doch nichts gegen den fetten klaren Sound gewesen, der da aus den Boxen ballerte. Marteria sieht für mich gar nicht so böse aus, wie er mir geschildert wurde. Nee, der Mann lächelte und lachte. Er grüßte einzelne Fans in der Menge und feierte sich selbst als der King im Block. Die Texte mag ich nicht immer analysieren. Aber die Crowd folgt ihm und er ist ihr Lehrmeister. Wenn ich den Auftritt irgendwie zusammen fassen soll dann mit dem Wort „amtlich!“
Um 23.00 Uhr sollte dann eigentlich für mich das Highlight des Festivals kommen. Muse einmal so aus der Nähe vor der Linse, das hat schon was. Das Intro Chant war beängstigend. Feuer auf der Muse-Bühne hätte ich nun nicht erwartet und als die drei nebst Begleitmusikern mit futuristischen Spiegelmasken auf der Bühne auftauchten, war es für mich dann doch etwas befremdlich. Natürlich, Matt Bellamy ist ein begnadeter Sänger, der was weiß ich, für Töne aus sich rauspressen kann, aber die Maske war für mich zu verschlossen, um so singen zu können. Da war doch nicht etwa ein Playback im Spiel? Egal, Maske runter und ab geht die Post. Muse spielen fast das komplette Tour-Set und lassen so gut wie keinen Hit aus. Es ist erstaunlich, wie viele Hits diese Band bereits hat. Da könnte man mittlerweile gerne auf gewisse Einspieler wie dem Drill Sergeant oder Kill or Be Killed verzichten und dafür noch ein oder zwei Songs mehr spielen. Muse liefern ab. Wie immer. Bellamy entert seinen eigenen Steg ins Publikum, den an diesem Tag keine andere Band nutzen durfte, Er quält seine Gitarre bis zum äußersten und auch Basser Chris Wolstenholme spielt mit einer stoischen Gleichgültigkeit oder Coolness wie immer. Mir fehlt bei Muse mittlerweile die Überraschung. Das Besondere. Was auf ihren Platten bereits vor ein paar Jahren angefangen hat, setzt sich mittlerweile auf der Bühne fort. Trotzdem haben Muse den Titel Highlight des Tages mehr als verdient. Ihre Aura verleiht dem ganzen etwas Besonderes. Und das kann man ihnen nicht nehmen.
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