ARCH ENEMY, BEHEMOTH, CARCASS & UNTO OTHERS – Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle (29.10.2022)

Fotos: ARCH ENEMY
Arch Enemy, © Markus Hillgärtner
Geschätzte Lesezeit: 11 Minute(n)

Es war Ende Oktober. An einem angenehm warmen Samstag Nachmittag zeigte sich der Goldene Herbst nochmal von seiner schönsten Seite. Gänzlich ohne Jacke konnte man zufrieden vor der imposanten Mitsubishi Electric Halle verweilen. Noch einmal konnte man ein bisschen Sonne tanken, bevor der nasskalte, gnadenlose November wieder sein Unwesen treibt und einem die unangenehme Kälte die Nackenpartie zusammenziehen lässt. Sichtlich aufgeregt huschten bereits die stolzen Besitzer der VIP-Tickets an einem vorbei, die vor den Auftritten noch Behemoth und/oder Arch Enemy treffen sollten. Für einen Aufpreis in Höhe von 90€ durfte man dann Selfies mit den Bandmembern machen, sich mitgebrachte Sammlerstücke signieren lassen und on top gab es ein Fan-Geschenk. Damit niemand dumm sterben muss, verrate ich euch, was es damit auf sich hatte. Bei Arch Enemy waren das klassiche Goodies, wie ein Stoffturnbeutel, ein Poster, ein Schweißband, ein Lanyardpass und eine Bierdosenkühlmanschette. Behemoth setzten hingegen auf das weniger ist mehr Prinzip. Ist die Band doch für ihren vielfältigen und hochwertigen Merchandise bekannt, gab es hier eine Camouflage Tragetasche mit einem schicken, signierten Hardcover Buch inklusive CD. In dem Buch wurde die Entstehungsgeschichte des neuen Albums (Opvs Contra Natvram), nebst Videoclips bebildert und dokumentiert. Hiermit trafen sie bei ihren Fans voll ins Schwarze. Zurück zur eigenen Warteposition: Der Einlass ging zügig und professionell organisiert von statten. Für den heutigen Halt der “Eurpoean Siege”-Tour war alles angerichtet. Bevor der gewaltige Metalsturm aufzog, konnte man sich noch mit Brezeln, Popcorn (Popcorn? Oh ja!) und Getränken eindecken. Bis auf eine Handvoll Resttickets war die Halle ausverkauft.

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Pünktlich eröffneten Unto Other den prall gefüllten Abend, der es noch faustdick hinter den Saiten haben sollte. Mit ihrem Gothic Metal ebneten uns die vier jungen US-Amerikaner einen angenehm seichten Einstieg. Sänger Gabriel Franco bedeckte seine Augen mit einer schwarzen Sonnenbrille. Aufgrund seines Oldschool Haarschnitts erweckte er zunächst den Eindruck, er könne bedeutend älter als seine Bandkollegen sein, doch dieser Gedanke täuschte. Sein Gesicht war zweifelsohne frei von Falten. Daher musste ich mir eingestehen, dass man nicht zwingend älteren Jahrgangs sein muss, wenn man eine lockige Matte mit einem Pony trägt. Aber wie klang der Opener denn nun? Stimmlich gesehen könnte Gabriel der Bruder von Robert Smith sein. Musikalisch reihten sich auch noch rockige Züge mit ein. Wahrnehmbar war ebenso ein Hauch New-Wave, eine gewisse Melancholie gehört ja ohnehin zum Pflichtprogramm. Das spärliche Licht verstärkte diesen Eindruck. Drummer Colin Vranzian entpuppte sich als multitaskingfähig, unterstützte er den Fronter gar stimmlich. Als das Riff bei Heroin einsetzte, wurde man sogleich an Rammsteins Waidmanns Heil erinnert. Sänger Gabriel verriet in einem Interview, dass er zwar großer Rammstein Fan sei, ihm diese Ähnlichkeit aber noch nicht bewusst war.

Gleich der zweite Song Give Me To The Night setzte sich zügig im eigenen Gehörgang fest. Bei No Children Laughing Now wechselten sich verspielte Gitarrenmelodien mit einem ersten Drum-Gewitter ab. Gitarrist Sebastian Silva verstand es blendend, mit dem Publikum zu interagieren. Zwischendurch drehte er sich geschwind mit seiner Gitarre um die eigene Achse und fühlte sich sichtlich wohl auf der Bühne. Als besonders eingängig und klangschön erwies sich Nightfall. Obwohl die Band seit 5 Jahren besteht, erwies sich Gabriel Franco nicht gerade als extrovertiert. Aber glücklicherweise schwang Sebastian seine Hüften zwischendurch hin und her. Er verstand es, mit den Kameras der Fotografen zu spielen, poste eifrig und warf dem Publikum kesse Blicke unter seiner prächtigen Lockenmähne herüber. Dieses wurde mittlerweile auch warm mit der Band, so klatschten bei Summer Lightning bereits viele im Takt mit. Vereinzelte Besucher stimmten hierbei textsicher mit ein. „This is the last song. Carcass is up next, see you later.” Überraschenderweise kam When Will God`s Work Be Done böse bis nahezu rotzig daher. In dem einen Moment flüsterte Gabriel ein paar Worte ins Mikro und dann folgte auch schon ein deutlicher Schlachtruf, der stimmlich von seinen Mitstreitern unterstützt wurde. Die Drums nahmen final richtig Fahrt auf. Neben mir stieß jemand ein beglücktes „Jawoll!“ aus. Bassist Brandon Hill und Sebastian headbangten wild umher und nach 30 Minuten war das Set auch schon beendet. Vielen Dank an Unto Others.

Setlist UNTO OTHERS - Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle (29.10.2022)
  1. Heroin
  2. Give Me To The Night
  3. No Children Laughing Now
  4. Can You Hear The Rain
  5. Nightfall
  6. Summer Lightning
  7. When Will God’s Work Be Done

Weblinks UNTO OTHERS:
Homepage: https://www.untoothers.us
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Instagram: https://www.instagram.com/untootherspdx

Die Bühne versah man nun mit vier stattlichen Monitoren. Darauf erschien ein Testbild, in dem mittig der Name der folgenden Band prangte: Carcass. Es war an der Zeit, das Tempo schlagartig zu erhöhen. Die Kombo aus England war bereit, uns ihren Death Metal um die Ohren zu peitschen. Wurde die Band vor sage und schreibe 37 Jahren, von Gitarrist Bill Steer gegründet, so hat sie auf ihrem beachtlichen Weg selten an Härte eingebüßt. An dieser Stelle konnte man sich bereits auf etliche technischen Raffinessen an den Saiteninstrumenten freuen. Das Testbild wich diversen Aufnahmen von Augenpaaren und Brüsten, als die Band die Bühne erklomm. Sänger Jeff Walker gestellte sich mit hochgerissen Armen hinzu und feuerte die Menge direkt an. Auf seine „Hey!Hey!“-Rufe folgte ein gegrowltes „Come on!“ Was direkt auffiel, war der augenscheinliche Bruch des Kleidungsstils. Hier trug man Blue-Jeans und Band eigene Shirts.

Ein Ventilator ließ die Mähnen der Musiker schneidig im Wind umherwehen. Den Auftakt bot mit Buried Dreams ein Klassiker, der bereits zu Beginn der 90er Jahre erschienen ist. Jeff begleitete dieses Brett mit seinem rauen Gesang. Kelly’s Meat Emporium kam in rasender Geschwindigkeit daher. Doch trotz einer völlig abgedrehten Gitarrenmelodie war der Sound durchaus eingängig. Auf den Monitoren waren nun Röntgenbilder samt OP-Besteck zu sehen, während man im Publikum an einigen Stellen wild headbangte. Ein Einspieler samt einer weiblichen Stimme läutete den nächsten Song ein: Incarnated Soul Abuse. Jeff hatte noch immer den Schalk im Nacken, zielte er doch mit seinem Bass auf vereinzelte „Opfer“ im Publikum, als hätte er eine Waffe in der Hand gehalten. Hierbei musste er merklich grinsen. Zu einer verspielten Melodie des Titels Under The Scalpel Blade sahen wir auf den Monitoren Gemüse in Form eines Herzens. Paprika, Gurken, Peperoni und Zucchini bildeten ineinander verschlungen das größte Organ des Menschen ab. Im Zeitraffer schrumpelte dieses Herz dahin und die bunten Farben wichen ebenso, wie die knackige Form des Gemüses. Hierzu passten die einsetzenden Schreie des Sängers einfach hervorragend. This Mortal Coil wurde von einem ultraschnellen Drumspiel begleitet. Einzig der ruhigere mittlere Part ließ einen kurz mal durchatmen.

Im nächsten Moment wurde es ganz still. Jeff berichtete uns, dass seine Katze verstorben sei. Seinen inneren Schmerz merkte man ihm richtig an, während er fortfuhr „I dedicate this song to my cat!“ Daraufhin entflammte er ein Feuerzeug und hielt es für alle sichtbar in die Höhe. The Scythe’s Remorseless Swing erklang also nun für sein geliebtes Haustier. Die dunkle Konzerthalle verwandelte sich in ein Lichtermeer aus Handylampen. Auf den Monitoren waren jetzt keine schnell wechselnden Bilder mehr zu sehen. Stattdessen erblickten wir ein rührendes Bild seiner schlafenden, schwarzen Mieze mit rötlich gesprenkeltem Fell. Das Mitgefühl war in diesen Augenblicken auf allen Seiten wahrnehmbar. Zum großen Finale trumpften Carcass mit einem rasend schnellen Gitarrenspiel auf, ehe dieses von einer verspielten Melodie abgelöst wurde. Die Musiker genossen es richtig, Heartwork zu performen. Gitarrist Tom Draper kam ganz nah an den Bühnenrand und strahlte seine Fans an. Als die letzten Töne  nach 45 Minuten verhallten, warf Jeff noch etliche Plektren in die Menge. „Dankeschön. We were Carcass.“

CARCASS - Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle (29.10.2022)
  1. Buried Dreams
  2. Kelly’s Meat Emporium
  3. Incarnated Solvent Abuse
  4. Under The Scalpel Blade
  5. This Mortal Coil
  6. Dance Of The Ixtab
  7. The Scythe’s Remorseless Swing
  8. Corporal Jigsore Quandary
  9. Heartwork

Weblinks CARCASS:
Homepage: https://linktr.ee/carcass
Facebook: https://www.facebook.com/OfficialCarcass
Instagram: https://www.instagram.com/carcassband

Da es sich hier um eine Co-Headliner Tour auf Augenhöhe handelte, wurde auf der Bühne erstmal aufgerüstet. Behemoth waren bereit, ihren Siegeszug in der Szene fortzusetzen und Düsseldorf zu erobern. Ein riesiges weißes Laken verdeckte zunächst den Blick auf den Ort des Geschehens. Eine deutlich spürbare Spannung lag in der Luft, als das mystische Intro Post God Nirvana einsetzte. Auf dem Tuch erschien zunächst Nergals Gesicht in einer Nahaufnahme. Somit schien er sogar den Fans in den hinteren Reihen gar nicht fern zu sein. Während man fasziniert auf die Sequenzen in dem Video blickte, nahmen die Musiker ihre Plätze ein. Mit einer Taschenlampe bewaffnet, näherte sich Nergal dem Bühnenrand und drückte sein Gedicht gegen das Laken. Kurz darauf fiel der Vorhang und das Spektakel begann.

Auf einem Podest prangte das stattlich ausgerüstete Schlagzeug des Drummers. Nergal trug eine offene, lange Weste samt Kapuze, dazu eine enge Hose und schwere Stiefel. Eine große schwarze Perlenkette mit dem Bandlogo als Anhänger bedeckte seine sonst nackte Haut. Zunächst war die Bühne in orangefarbenen Tönen ausgeleuchtet. Feuer frei für Ora Pros Nobis Lucifer. Nebelsäulen wechselten sich mit beeindruckenden Feuerschlägen ab. Der glasklare Sound löste sogleich innere Entzückung aus, war der Klang jedes einzelnen Instrumentes einfach perfekt arrangiert. Brutaler können sich Gitarren wohl kaum anhören. Als The Deathless Sun einsetzte, kam Nergal im Samtumhang, mit einer aufwendig verzierten, silbernen Maske auf die Bühne. Zu seinen Worten „My god is the all-consuming fire” nahm das Flammeninferno seinen Lauf. Bassist Orion fand sichtlich Gefallen an den Nebeleffekten und stellte sich mitten in den hochschießenden Dunst hinein. Nergal schwang sich zu seinem Drummer herauf und die beiden dockten ihre Fäuste an. „Guten Abend Deutschland. Bist du bereit für das Neue?“ Der vorige Song vom taufrischen Album Opvs Contra Natvram wurde jedenfalls inbrünstig bejubelt- ein gutes Zeichen. Es folgte der epische Klassiker Ov Fire And The Void. Komplexe Riffs fügten sich hier hervorragend in die morbide Atmosphäre des Sounds ein. Dazu gesellte sich das präzise und doch rasant schnelle Spiel an den Drums. Beeindrucked! “This is a beautiful night. We are more than honoured to be back in Düsseldorf. Conqueeeeeer!” An dieser Stelle konnte sich Nergal ein diabolisches Lachen nicht verkneifen.

Ein optisch wie auch musikalisch gesehenes Highlight gelang Behemoth mit Bartzabel. Mit einer pechschwarzen und opulent verzierten Mitra auf dem Kopf und einem langen, mit Perlen bestickten Seidentuch über den Schultern sah Nergal wahrlich majestätisch aus. Auf der vorderen Box stehend, war er seinem Publikum ganz nah und er verstand es blendend, dieses für sich einzunehmen. Seine einmalige Mimik beobachtete man allzu gern. So finster er auch dreinblickte, das ein oder andere niedliche Schippchen habe ich durchaus vernommen. Seinen herrlichen Humor konnte er nicht gänzlich unterdrücken. Und dem 13-jährigen Fan neben mir signalisierte er mehrfach, dass er ihn bewusst wahrnahm. „There are more and more reasons to fight for something- more than ever. This is gonna be a fight song.” Nergal sprach damit seinen unerbittlichen Kampf für die Freiheit, für Individualität und die Abkehr vom blinden Glauben an. In seiner Heimat Polen wurde er immer wieder zum Gejagten. Doch er hat seine eigenen Regeln und diese zieht er in aller Konsequenz durch. Daran glaubt er und dafür steht er. Off To War! lud mit dröhnenden Bläsern zur Schlacht für die eigene Freiheit. Mit voller Wucht wurde hier schnell klar, wie ernst er es meint. Der klare Kontrast zu den sphärischen Parts in dem Song ließ einen innerlich jauchzen. „When I talk about war, what about peace? Show me your peace sign.” Um mich herum fanden Überlegungen statt. Viele blickten dabei auf ihre Hände. Hilfe nahte: “Shall I show you mine? Show me your middle fingers!” Gesagt, getan. Sein Aufruf zeigte Wirkung. Laute „Hey!Hey!“-Rufe seitens des Publikums folgten. Es folgte No Sympathy For Fools. Etliche Crowdsurfer bahnten sich während des erbarmungslos brachialen Songs ihren Weg über die feiernde Menge. Nergal schmiss sich auf die Knie und die Nebelsäulen schossen pausenlos in die Höhe. Dieser musikalische Orkan war einfach eine Übermacht, der alle mit sich riss.

Dunkle Pianoklänge läuteten Versvs Christvs ein. Nergal trug nun einen edlen, bordeauxfarbenen Umhang mit goldenen Verzierungen und sang die ersten Zeilen mit ruhiger Stimme, ehe sich der Sound mit voller Macht aufbaute. Orion gesellte sich zu ihm. Beide mussten plötzlich lachen. Sie tauschten dann aber schnell verschwörerische Blicke aus und wirkten in diesem Augenblick wie zwei Sandkastenfreunde, die ihre Vision vor langer Zeit vereinten und nun dabei waren, die Herrschaft über die Metalwelt an sich zu reißen. Glockenschläge läuteten das letzte Gefecht ein: Chant For Eschaton 2000. Unerbittlich wurde die Double Bass Drum getriezt. Nergal stellte sich ganz nah an den Bühnenrand und spuckte zwei beachtliche Ladungen voller Kunstblut Richtung Publikum. Seine Mitstreiter an den Saiten waren mittlerweile auch blutverschmiert. Voller Inbrunst schrie der Nergal seine Forderungen heraus. Völlig unerwartet tauchte Orion nun vor mir auf und stellte sich auf die Trittstufe der Bühnenabsperrung. Während seines heftigen Basspiels rann das Blut an ihm auf die Fans herab. Welch fulminantes Finale. Behemoth sind ein wahres Kunstwerk! Eins ist mal Fakt: Sollte uns eines Tages das, was wir in den vergangenen 70 Minuten gesehen haben in der Hölle erwarten, sollte ich mein bislang tugendhaftes Verhalten kritisch überdenken… ??.

BEHEMOTH - Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle (29.10.2022)
  1. Post God Nirvana
  2. Ora Pro Nobis Lucifer
  3. The Deathless Sun
  4. Ov Fire And The Void
  5. Thy Becoming Eternal
  6. Conquer All
  7. Daimonos
  8. Bartzabel
  9. Off To War!
  10. No Sympathy For Fools
  11. Blow Your Trumpets Gabriel
  12. Versvs Christvs
  13. Chant For Eschaton 2000

Weblinks BEHEMOTH:
Homepage: https://www.behemoth.pl
Facebook: https://www.facebook.com/behemoth
Instagram: https://www.instagram.com/behemothofficial

Neben Behemoth haben auch Arch Enemy mit Deveivers ein frisches Album herausgebracht, dessen Stücke nun ihre Live-Tauglichkeit unter Beweis stellen sollten. Auf einem abermals riesigen Vorhang stand in schwarzen Lettern das Motto des Abends geschrieben: „Pure Fucking Metal!“ Mit einer Menge Wut im Bauch und einer beeindruckenden Pyroshow kam der Opener Deceiver, Deceiver daher. Frontfrau Alissa White-Gluz schmetterte dazu die vernichtenden Lyrics in ihr Mikro. Kallhart rechnete sie hier mit Blendern ab. Die Virtuosen an den Saiten: Jeff Loornis, Michael Amott und Bassist Sharlee D’Angelo reihten sich neben ihr an den Retro-Mikrofonen ein. Gemeinsam mit dem präzisen Drumspiel von Daniel Erlandsson lieferte die schwedisch-amerikanisch-kanadische Vereinigung einen gekonnten Start ab. Zauberhafte Melodien prägten den Song War Eternal. „Düsseldorf, sing with me.“ Und die Fans stimmten mit ein. Mittlerweile war es in den vorderen Reihen zwar knalleng, dies tat der Stimmung allerdings keinen Abbruch. Alissa bewegte sich in absoluter Perfektion über die Bühne. Sie warf ihr schickes silberglänzendes Mikro in die Luft, fing es gekonnt auf und wirbelte es flink umher. Im nächsten Moment ging sie in die Hocke, bewegte sich grazil von links nach rechts und wirkte mit ihrem scharfen Blick wie eine Raubkatze, die gerade ihr nächstes Ziel anvisierte. Für die Fotografen war dies natürlich ein gefundenes Fressen. Und ich muss zugeben, live ist diese Frau noch attraktiver als auf all den ohnehin schon grandiosen Bildern.

Düsseldorf, are you ready to have some fun with Arch Enemy?” Schon schnappte sie sich eine große, schwarze Fahne mit dem eigenen Bandlogo und schwenkte diese gekonnt zum Song In The Eye Of The Storm umher. Dazu growlte sie den Refrain I will run ’til I die, under these black skies. Tyrannic law, a razor claw, In the eye of the storm.” Danach forderte sie uns auf, die Person links neben uns anzusehen und den Moment auf uns wirken zu lassen. Das gleiche sollten wir mit der anderen Seite ausprobieren. Warum wir das taten? Alissa klärte uns umgehend auf „These people are the people of metal. And we keep metal alive!” Hierfür erntete sie zustimmenden Jubel. Mit House Of Mirrors zündeten Arch Enemy ihre Thrash Metal Granate. In der Menge entstand eine wilde Pogo Party. Passend zum Titel hörte man am Ende des Songs das Geräusch von Spiegeln, die klirrend in 1000 Teile zersprangen.

Für den Song „The Eagle Flies Alone“ warf sich Alissa einen flatterigen weißen Umhang um, zog sich die Kapuze tief ins Gesicht und schritt damit erhobenen Hauptes über die Bühne. Diese eingängige Hymne drang tief durch einen hindurch. Immer wieder breitete sie passend zum Sound ihre Arme aus. Natürlich durften auch hier die heftigen Feuerschübe nicht fehlen. Der unbändige Wille stets seinen eigenen Weg zu gehen, statt sich blind der großen Masse anzupassen und den eigenen Stärke zu vertrauen- diese Message kam glaubhaft herüber. Zur sanften Pianomelodie am Ende des Songs, zauberte der Lichtmann zarte „Sonnenstrahlen“ hinzu. Schon huschte einem ein wohliges Lächeln über die Lippen. Dass die powergeladene Kanadierin auch mit Klargesang glänzen kann war spätestens klar, als wir Handshake With Hell hörten. Zunächst startete der Track gewohnt grimmig, Alissa sang den Refrain mit energischer Stimme, während etliche Crowdsurfer die Securities im Graben auf Trab hielten. Im mittleren Part nahm sich der harte Sound stark zurück und die Fronterin sang mit weicher Stimme, ehe nochmal ein wildes Zusammenspiel der Gitarristen aufflammte. Episch wurde es mit Sunset Over The Empire, eignete sich der Refrain doch bestens dazu, mit einzustimmen. „Stop it! What the fuck is this? I can see you, but I can’t hear you. Sing along with the guitar.” Der gigantische Chor ließ sich nicht lange bitten und passend zur Melodie erklang ein leidenschaftliches „Ohohohooooo, Ohohohooooo…“ Na und weil das so wunderbar klang spornte uns Alissa an „For the rest of the song!“ Dieser Frau konnte ohnehin niemand eine Bitte abschlagen, somit ließ kein Stimmlein nach.

„Do you want a schnell song?” Ein schnell Song… wie putzig war das denn bitte? As The Pages Burn bestach mit beachtlicher Härte und gab dem Publikum erneut einen Anstoß für wildes Gerangel. Und dann geschah es, mitten aus dem Pit entsprang ein zartes, junges Mädchen im Grundschulalter. Mit ihren rosa Kopfhörern blickte es wie ein Rehlein drein und wir beförderten es flugs in die erste Reihe. Dort war es sicher und die junge Dame konnte nun ungestört die grandiosen Gitarrensoli und die wunderbare Atmosphäre des Zwischenstücks Snow Bound genießen. Also der Metal Nachwuchs ist schonmal gesichert. Zum Klassiker Nemesis gingen alle Hände in die Höhe. „Düsseldorf singt: One for all, all for one, we are strong, we are one”, der Metal Chor kam ein letztes Mal zum Einsatz. „Thank you so much for being here with us tonight. We love Germany. Make some noiiiiiise!” Alissa kam in den Fotograben und klatschte flitzend die Hände der ersten Reihe ab. Bei den zwei jungen Fans blieb sie kurz stehen und schenkte ihnen nochmal ihre besondere Aufmerksamkeit. Zu den Klängen des Outros Fields Of Desolation verabschiedeten sich die Musiker gebührend von ihren Fans und warfen noch einige Andenken in die Menge. Arch Enemy haben mit Alissa eine Frontfrau gefunden, die ihresgleichen sucht. Ja, sie ist verdammt schön und hat in der Szene durchaus mit Vorurteilen zu kämpfen. Doch das sympathische Energiebündel ist authentisch und ein Konzert der Band macht einfach Bock. Als Skeptiker sollte man ihnen mal eine Chance geben und sich auf ihre Musik oder noch besser, auf ein Konzert einlassen. Mich haben Arch Enemy tatsächlich überzeugt. Nicht umsonst werden sie derzeit von einer sagenhaften Erfolgswelle über den Globus getragen.

Was man hier für 55,-€ geboten bekam, lässt sich nicht in Geld aufwiegen. Dieser Abend stellte manch anderes, weitaus kostspieligeres Event in den Schatten. Die beiden Headliner bestachen mit absoluter Präzision, wie auch Perfektion und ließen einen berauscht zurück.
Na und passend zur Zeitumstellung war es jetzt da: Das Herbstgefühl. Der Metalsturm fegte unaufhaltsam durch die Halle und hat einem gehörig das Haar zerzaust. Die bevorstehende Kälte kann einem übrigens erstmal nichts anhaben. Wie ungemütlich es bald auch werden mag, lässt man die Gedanken zu diesem Abend zurückwandern, wird einem automatisch wieder warm.

Setlist ARCH ENEMY - Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle (29.10.2022)
  1. Deceiver, Deceiver
  2. War Eternal
  3. Ravenous
  4. In The Eye Of The Storm
  5. House Of Mirrors
  6. My Apocalypse
  7. The Watcher
  8. The Eagle Flies Alone
  9. Handshake With Hell
  10. Sunset Over The Empire
  11. As The Pages Burn
  12. Snow Bound
  13. Nemesis
  14. Fields Of The Desolation (Outro)

Weblinks ARCH ENEMY:
Homepage: https://www.archenemy.net
Facebook: https://www.facebook.com/archenemyofficial/
Instagram: https://www.instagram.com/archenemyofficial

Fotos: Markus Hillgärtner

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