Als im Juli der Albumtitel der neuen SLIPKNOT Scheibe veröffentlich wurde, ist manch ein Maggot erstmal nervös geworden. Schließlich möchte man das Wort „Ende“ im Zusammenhang mit der Band nicht hören, sehen oder lesen. Auch wenn einen die Jungs gerne mit geheimnisvollen Rätseln konfrontieren. Das Geheimnis wurde nun endlich gelüftet. Hiermit war das letzte Kapitel gemeint, das sie gemeinsam mit Roadrunner Records bestreiten. Waren Slipknot bisher treue Seelen und sind sie ihrer Plattenfirma von Beginn an erhalten geblieben, haben sie sich nun nach 23 Jahren dazu entschieden, eigene Wege zu gehen und völlig autark zu arbeiten.
Am Freitag erschien nun der siebte Longplayer der maskierten Metalheads aus Iowa. Als Produzent setzte man auf Joe Barresi. Dieser hat bereits den Vorgänger We Are Not Your Kind gemixt und nun schenkte man ihm vollstes Vertrauen. Slipknot hätten mit The End, So Far zwar den sicheren Weg nehmen können, indem sie an das letzte Werk angeknüpft hätten. Es macht die Band aber aus, eigene Vorstellungen umzusetzen und sich stets weiterzuentwickeln. Jegliche Meinungen blieben beim Songwriting nunmal seit jeher unberücksichtigt.
Wie klingt denn nun das neue Album? Zugegeben, beim ersten Durchgang der ruhigen Tragödie Adderall herrscht eine gewisse Irritation. Völlig unerwartet setzt der Opener eine Gesichtskirmes in Gang: Eine hochgezogene Augenbraue folgt auf eine Stirn, die sich in Falten legt. Die Augen weiten sich und selbst die Schnute verzieht sich skurril. Doch, es handelt sich hier tatsächlich um Slipknot. Spätestens, als Corey’s Stimme einsetzt, herrscht Klarheit. Was führte zu dieser Skepsis? Poppige Synthies, sanfter, klarer Gesang, ein Frauenchor und gar vereinzelte Jazzanleihen. In einem Interview verriet Corey, dass ihm dieses langsam brennende Inferno die Möglichkeit bot, eine Gothic-Ader anzuzapfen und stilistisch gesehen Anleihen bei THE CURE oder DEPECHE MODE zu knüpfen. Die Überraschung ist jedenfalls mal wieder geglückt. Dreht hier ruhig mal eine Ehrenrunde. Nachdem sich die erste Verunsicherung gelegt hat, nimmt man den Titel durchaus an und man beginnt, die ungewöhnliche Komposition zu genießen.
Nun folgt mit The Dying Song (Time To Sing) ein harter Cut. Mit der zweiten Singleauskopplung haben Slipknot bereits einen beachtlichen Meilenstein erschaffen. Beginnend mit dem Schlachtruf „Put you handy into the water- let your mouth go sick and dry, put your life into your death now- let them sing until you die“, läutet man hier den ungestümen Part auf dem Album ein. Das Tempo zieht ordentlich an. Wilde Spielereien wechseln sich mit sagenhaften Melodien ab. Prägnante Schläge auf die Edelstahl Tonnen rufen innerlich sogleich Bilder der Live-Performances hervor. Auf den Sommerfestivals sorgte der Track bei den Maggots für schiere Begeisterung. Laut Corey markiert diese Hymne den Höhepunkt einer Slipknot Ära und läutet zugleich den Beginn der nächsten ein.
Erst mit einem Klick auf das Vorschaubild wird das Video von YouTube eingebunden. Klicke nur, wenn du der Datenschutzerklärung zustimmst.
The Chapelton Rag erschien bereits im November letzten Jahres. Ein recht sperriger Song, der jedoch mit einem versöhnlich eingängigen Refrain aufwartet. Zudem weckt dieser sogleich Erinnerungen, hörte man diesen Part doch gefühlt 78x als kurzen Einspieler während der Umbaupausen, auf dem diesjährigen Knotfest Germany. Zu Beginn erkennt man sogleich den Einfluss von THE PRODIGY. Corey erwähnte im Vorfeld, dass diese ihn durchaus für den aktuellen Longplayer inspiriert haben. Sid Wilson steuert mit seinem eifrigen Scratching die bekannten Nu Metal Elemente bei.
Yen: Zu den morbiden Lyrics vernimmt man völlig konträren, gar zärtlichen Gesang. Corey’s Stimme klingt behaglich warm. Dazu gesellt sich eine wunderschöne Gitarrenmelodie. Bis der harte Refrain einsetzt, denn nun werden die Worte voller Inbrunst und fest entschlossen dahingeschmettert. „As the knife goes in, cut across my skin, when my death begins, I wanna know that I was dying for you, I died for you.” Man hört Corey kurzzeitig fies lachen. In einem späteren Part scheint der Gesang aus der Ferne zu kommen. Dieser Track erfordert ein wenig Geduld. Nach mehrmaligen Runden entfaltet er sich unaufhaltsam und man entdeckt immer mehr Feinheiten, die einen entzückt zurücklassen.
Erst mit einem Klick auf das Vorschaubild wird das Video von YouTube eingebunden. Klicke nur, wenn du der Datenschutzerklärung zustimmst.
Mit einem ultraschnellen Drumspiel prescht Hivemind hervor. In einer ähnlich hohen Geschwindigkeit ist der Bass herauszuhören. Vom Gesang wird man sofort in den Bann gezogen. Ein Männerchor setzt ein, ehe sich ein Wohltuender Refrain hinzugesellt. Dieser setzt sich dann nachhaltig im Gehörgang fest. Der Track gehört zu den klaren Favoriten des Albums. Warranty steht für das pure Chaos. Der Titel wird von einem stattlichen Gitarrensolo eingeläutet, ehe Corey provozierend fragt „Isn’t this, what you came here for?” Schon scheinen alle Musiker ihre Instrumente zu verdreschen. Vereinzelte Growls breiten sich aus, die Jungs stimmen gesanglich mit ein und formatieren sich in diesem musikalischen Tumult zu einer Einheit. Mittendrin entsteht plötzlich ein sphärischer Part, der seine Wirkung nicht verfehlt. Ganz am Ende klingt der Song mit einem hämisch lachenden Corey aus. Es muss richtig Spaß gemacht haben, diesen Track entstehen zu lassen.
Medicine For The Dead lässt uns durchatmen, zumindest vorerst. Feinste Rockklänge treffen auf eine gehörige Portion Melancholie, ehe ein vereinnahmender Sturm aufzieht. Mit über 6 Minuten Spielzeit ist dies der längste Song auf dem Album. Eine ähnliche Richtung schlägt Acidic ein. Hierbei handelt es sich um Corey’s Favorit, den er als “Knockout-Punch”, unbedingt live spielen möchte. Grunge Fans kommen hier voll auf ihre Kosten.
Heirloom geht zwar wieder steiler nach vorn, aber obgleich der Titel recht eingängig ist, bleibt der Gedanke, dass einem hier etwas fehlt. Kompromisslos und wütend kommt H377 daher. Freunde der harten Gangart dürfen sich hier am brettharten Sound ergötzen. Eine herrliche Spielfreude kommt dennoch nicht zu kurz. Man sollte allerdings einmal tief Luftholen, bevor man auf Play drückt, ansonsten kommt man erst nach dem Track wieder dazu, in Ruhe weiterzuatmen. Zum Träumen lädt De Sade ein. Moment, ein Slipknot Song? Oh ja. Und selbst diese Facette steht den Jungs außerordentlich gut. Zumal es nicht dabei bleibt, schließlich ist der Aufbau raffiniert ausgeklügelt. Startet man hier auch erstmal elegant bis rotzig rockig, mündet der Sound noch in bekannter Metal-Manier.
Seichte Gitarrenklänge ertönen beim letzten Song Finale. Streicher reihen sich ein und untermalen Corey’s gefühlvollen Gesang. Mit dieser Ballade endet das neueste Werk von Slipknot. Corey zieht ein Fazit „Hier geht es wirklich darum, dass wir uns umdrehen und auf unsere bisherige Karriere, unser Leben und unsere bisherigen Entscheidungen zurückblicken. Einige von euch waren vielleicht nicht damit einverstanden, und andere haben vielleicht mit uns gefeiert. Aber wir haben nur ein Leben, nur eine Karriere, es ist einfach das, wofür wir geboren wurden. Und wir lieben es.“
The End, So Far ist in diversen Vinyl- und sage und schreibe zehn (!) verschiedenen CD-Varianten erschienen. Wofür man sich auch entscheidet, die Scheibe gehört einfach in jeden Schrank eines Slipknot Fans- und jene, die es noch werden wollen. Gerade die letzteren Songs ermöglichen dem ein oder anderen neugierigen Hörer womöglich einen Zugang. Manch ein hartgesottener Fan wird auch über seinen Schatten springen müssen. Man weiß bei Slipknot nie, was einen erwartet – und genau das respektiere, feiere und schätze ich.
Tracklist SLIPKNOT – The End, So Far
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
- Adderall
- The Dying Song (Time To Sing)
- The Chapeltown Rag
- Yen
- Hivemind
- Warranty
- Medicine For The Dead
- Acidic
- Heirloom
- H377
- De Sade
- Finale
Weblinks SLIPKNOT:
Homepage: https://www.slipknot1.com
Facebook: https://www.facebook.com/slipknot
Instagram: https://www.instagram.com/slipknot
Twitter: https://twitter.com/slipknot