Stream: GARY NUMAN – Stable Studios, Newbury (17.06.2021)

Stream: GARY NUMAN - Stable Studios, Newbury (17.06.2021)
Gary Numan - Stream 17th June 2021
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Vor drei Wochen erschien Gary Numans hochgelobtes Album Intruder – einmal mehr bewies der gebürtige Engländer sein Gespür für großartige Electro-Rock-Hymnen mit Herz und Hirn. Bis Numan die Songs live vorstellen kann, werden aber sowohl in den USA, als auch in Europa noch viele Monate vergehen. Stattdessen gab es – Corona sei Dank – nun zunächst ein Streaming-Konzert. Dies wurde vorab als “Livestream” angekündigt. Wer sich an diesem brüllend heißen Donnerstagabend in seine heimischen vier Wände zurückzog, wurde Zeuge einer Performance, die insbesondere gesanglich eigentlich schon zu perfekt klang, um wirklich als “live” durchzugehen. Und tatsächlich: Wer die Social-Media-Aktivitäten des Künstlers in den vergangenen Wochen verfolgt hat, wusste, dass diese Show vorab aufgezeichnet wurde. Numan befand sich im vergangenen Monat in England, um die Platte zu promoten und das Konzert einzuspielen, weilt nun aber schon seit einigen Tagen wieder in der kalifornischen Wahlheimat. Auch die Setlist war schon einige Tage vorher auf setlist.fm einsehbar.

Dieser Etikettenschwindel lässt sich noch verzeihen, einige andere Sachen stoßen allerdings ziemlich sauer auf. Bei der Ticketbuchung gab es vorab die Chance zwischen einem “Regular”- und einem “Deluxe”-Zugang, für letzteren wurde etwas Bonusmaterial sowie die Chance versprochen, sich die Show beim Dienstleister Stabal weitere 30 Tage nach der Ausstrahlung anschauen zu können. Beim Bonus handelte sich es überraschenderweise allerdings nicht nur um das altbekannte “Behind The Scenes/Interview”-Spiel. Nein, die komplette Zugabe, bestehend aus Dead Sun Rising, Absolution und The Fall wurde denjenigen vorbehalten, die das sechs Euro teurere Paket kauften. Äußerst ärgerlich, bei normalen Konzerten bekommen schließlich auch Ticketkäufer geringerer Kategorien die volle Show geboten. Zudem gab es keinerlei Zwischenansagen oder eine Bandvorstellung – nichts gegen wortkarge Musiker, die die Musik sprechen lassen, anstatt das Publikum mit langen Reden zu nerven – aber zumindest eine kurze Begrüßung der Fans am heimischen Rechner oder Fernseher wäre doch wünschenswert gewesen.

Jetzt aber genug gemeckert: Musikalisch war das Gebotene nicht nur, aber vor allem für Fans kraftvollen Industrial-Rocks, eine Offenbarung. Perfekt ausdifferenzierter Sound, in dem jedes Instrument zur Geltung kam. Glasklare Synthies, Gitarrenriffs, so scharf schneidend wie Kettensägen – und auch der Drumsound, der auf der letzten Live-Platte Savage – Live at Brixton Academy noch arg nach dem klöppelnden hohlen “Metallica-St.Anger-Gedächtnis-Sound” klang, überzeugte. Eröffnet wurde das Konzert mit dem Titeltrack des neuen Albums, bereits hier wurde deutlich, dass sich die neuen Songs perfekt für die Bühne eignen. Auch die auf Platte eher ruhigen Stücke wie A Black Sun oder And It Breaks Me Again mutieren im Live-Kontext zu echten Brechern und wirken noch dringlicher als aus der Konserve.

Neben sieben Songs der aktuellen LP – die höchst Hit-verdächtige zweite Single I Am Screaming fehlte seltsamerweise im Set – gab es auch viele liebgewonnene Klassiker. Ohne die großen Tubeway Army-Stücke Down In The Park und Are ‘Friends’ Electric? geht es natürlich so wenig wie ohne die Kracher von Numans erstem Soloalbum The Pleasure Principle. Beeindruckend: Diese Stücke sind mehr als 40 Jahre alt und klingen mit der aktuellen Liveband kein bisschen angestaubt. Weitere Singles der letzten, sehr Industrial-rockigen Alben ergänzten das 18 Songs (oder 21, für “Deluxe”-Stream-Käufer) starke Set. Hier stachen einmal mehr besonders Here In The Black mit dem geflüsterten Aufbau und My Name Is Ruin heraus. Die erste Single des 2017er-Albums Savage (Songs Of A Broken World) hat sich mittlerweile wohl endgültig als größter nach den 80ern erschienener Numan-Hit etabliert. Schade nur, dass im Vergleich zu früheren Konzerten Numans Tochter Persia als Zweitstimme fehlte – der Trip nach England war für den Nachwuchs aufgrund von Schulpflicht nachvollziehbarerweise nicht möglich.

Technisch lieferte der Stream grundsolide ab: Die spartanische Lichtshow war nichts für Puristen, stützte die oft recht morbide, drückende Stimmung der Songs aber optimal, die Kameraschnitte mögen dem einen oder anderen zu viel gewesen sein, setzten aber auch Bassist Tim Slade, Gitarrist Steve Harris, Drummer Richard Beasley und Keyboarder David Brooks ausreichend oft ins Bild. Geschmackssache, handwerklich aber absolut sauber von der Crew umgesetzt.

Insgesamt machte dieses Streamkonzert große Lust darauf, die Intruder-Tour im kommenden Jahr auch endlich in Fleisch und Blut erleben zu können. Leider stehen im deutschsprachigen Raum nur zwei Konzerte im Kalender. Neben einer Show im Berliner Columbia-Theater am 2.Juni tritt Gary Numan auch als Headliner beim von Monkeypress.de präsentierten New Waves Day in der Oberhausener Turbinenhalle auf. Hoffen wir, dass uns Corona bis dahin keinen Strich mehr durch die Rechnung macht. Bis dahin gilt: Wer den Stream mitsamt Bonusmaterial (Zugabe, Behind The Scenes, Interviews mit Gary Numan und Sound Engineer Ade Fenton) noch sehen will, kann ihn hier noch bis Mitte Juli für ca. 25 Euro erwerben: https://watch.stabal.com/products/gary-numan-live-online-deluxe

Setlist GARY NUMAN @ Stable Studios, Newbury (17.06.2021)

01. Intruder
02. Halo
03. Metal
04. The Gift
05. Cars
06. Everything Comes Down To This
07. Films
08. Betrayed
09. Ghost Nation
10. And It Breaks Me Again
11. Are ‘Friends’ Electric?
12. Down In The Park
13. A Black Sun
14. Saints And Liars
15. Here In The Black
16. The Chosen
17. My Name Is Ruin
18. A Prayer For The Unborn

“Deluxe”-Stream-exklusiv:
19. Dead Sun Rising
20. Absolution
21. The Fall

Weblinks GARY NUMAN:

Homepage: https://garynuman.com/
Facebook: https://de-de.facebook.com/GaryNumanOfficial/
Twitter: https://twitter.com/numanofficial

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