CHRISTOPH SCHAUER – Sub Sequences

Christoph Scheuer - Sub Sequences
Christoph Scheuer - Sub Sequences Cover
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Christoph Schauer, bekannt als Musiker und Songwriter der Band Cyto und erfahrener Komponist vieler Soundtracks, legt nun Sub Sequences, sein erstes Solo-Werk vor. Während über Bandcamp und andere digitale Distributoren diese EP mit vier Tracks daherkommt, gibt es zusätzlich eine auf 200 Stück limitierte CD Version von Sub Sequences, auf welcher zwei Bonus-Songs zu finden sind. Im Folgenden beziehe ich mich auf die digital vertriebene Version mit vier Tracks.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Da ich selbst sehr gern Soundtracks höre, aber auch den Synth-Pop von CYTO mag, war ich sehr gespannt auf Schauers Erstlings-Solo. Schaut man auf das Tracklisting, so fällt auf, dass bis auf The Surreal alle Tracks länger als sechs Minuten sind. So stellte ich mich geistig auf opulente Klangteppiche und Drones ein. Doch schon beim ersten Reinhören war klar: Dies ist kein gewöhnlicher Soundtrack und ebenso sind die Sounds ganz weit von dem entfernt, was man als Synth-Pop bezeichnen könnte. Außerdem kommen sämtliche Tracks ohne Gesang aus. So habe ich mir also die Kopfhörer aufgesetzt und genauer hingehört.

Der erste Song, Encounter, startet mit düsteren, repetitiven Klängen. Nach rund einer Minute setzt ein hellklingender Synthesizer ein und bringt eine Art 8-Bit-artigen Twist in den Song ein. Wenn ich die Augen schließe, finde ich mich in einer Art cineastischen Verfolgungsjagd wieder. Der Song scheint dabei das gesamte hörbare Frequenzspektrum abzudecken, wobei die sich ständig wiederholenden hellen Töne irgendwann beginnen, schwierig zu werden. Während des Songs wandelt die Musik ihr Gesicht und transformiert von cineastisch zu synth-poppig. Dabei kommt ein Synthesizer zu einem perkussiv-treibenden Rhythmus. Nach rund der Hälfte des Songs fühlt sich der Song recht monoton an, da prinzipiell nichts Neues mehr passiert. Für einen DJ ist der Songaufbau mit seinem langen Intro und Outro jedenfalls ideal …

Beim nachfolgenden The Surreal mag ich ebenso den cineastischen und rhythmischen Anfang. Schauer baut den Song langsam auf, indem er nach und nach dem Song einen weiteren Layer hinzufügt. Dabei benutzt er sich in kurzen Abständen wiederholende Soundsequenzen. Diese sind zwar in sich abwechslungsreich, aber das Paket als Ganzes wirkt wie eine Endlosschleife mit eingestreuten leichten Soundvariationen. Dabei wirkt er einerseits zum Tanzen in der Disco ein wenig zu bombastisch – und andererseits zum Nebenbeihören daheim einfach zu schwer. Diesen Track kann ich mir hingegen gut als Teil eines Soundtracks vorstellen.

Hypnotisch-monotone Sounds

Mit Room 625 folgt ein Song, der schon sehr früh mit einer hohen, leicht alternierenden Sinusschwingung startet, unter die sich leise eine Percussion mischt. Während die Sinusschwingung immer eindringlicher, und ja schon fast disharmonischer wird, baut Schauer im Hintergrund Drone- und Ambientsounds auf, die sich aber nur mit quälend langsamer Geschwindigkeit langsam in den Vordergrund zu spielen versuchen. Nach gut 90 Sekunden fühle ich, wie mein Stresspegel langsam ansteigt. Der wabernde Sinus-Sound bleibt weiterhin deutlich hörbar, während sich nach einer gefühlten Ewigkeit perkussive Elemente und ein Synthesizer erlösend in den Vordergrund spielen. Das Outro wird hingegen wieder von Dronesounds und dieser alternierenden Sinusschwingung aus dem Intro dominiert – und so schließt sich nach fast sieben Minuten erlösend der Kreis.

Vielleicht kann mich Zeitinsel wieder ein wenig herunterkommen lassen? Wieder baut Christoph Schauer den Track langsam mit melodischen Arpeggio-Synthies und einer Percussion auf. Auch hier benutzt er dazu wieder einen sich stetig wiederholenden, diesmal  hohen glockenartigen Sound, der das Frequenzspektrum nach oben hin abrundet. Ich kann mir diesen Track gut im Abspann eines Films vorstellen. Melodie und Percussion gehen gut ins Ohr – wenn dieser immer noch anhaltende sehr hohe Ton nicht wäre. Zum Ende des Songs wird dieser von einem langanhaltenden Synthesizer-Arpeggio abgelöst, welcher nach einiger Zeit von einer weiteren Synth melodiös unterstützt wird – nur um den Song kurz darauf zu beenden – nach dem Motto „Wenn es am schönsten ist, soll man gehen“.

Christoph Schauer - The Surreal

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Fazit: Diese EP ist wirklich polarisierend. Jemand, der – so wie ich – sehr hohen Frequenzen und dauerhaft repetitiven Musiksequenzen nicht so zugetan ist, sollte einen Bogen um diese EP machen. Die Songs sind allesamt aber gut produziert und alle anderen werden diese EP sicher genießen oder sogar feiern können.
Aus diesem Grunde möchte ich entgegen des Üblichen in diesem Fall fairerweise auch keine Note an diese Veröffentlichung kleben. Ich persönlich würde sicher auf eine Note unter 4 kommen, während andere hier sicherlich eine 8 oder sogar 9 vergeben würden.

Sub Sequences ist am 19. November 2020 bei Infacted Recordings erschienen.

Gern möchte ich hier den Künstler selbst zu seinem Werk einige Worte verlieren lassen:

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich elektronische Musik sehr mag, die genau das hat: sich wiederholende Sequenzen, die sich, sagen wir mal, über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholen. Ich stehe sehr auch auf solche Konzepte und mag das selbst unter anderem auch gern bei anderen Künstlern hören, die so ähnlich arbeiten – die also nicht den Anspruch haben, nach kurzen Zeitintervallen neue dramaturgische Höhepunkte zu definieren, sondern auch mal eine Sequenz über einen längeren Zeitraum hinweg laufen lassen.

Ich wollte mich ganz bewusst von dem entfernen, was ich sonst immer mache: Zum Beispiel wie bei CYTO, Songs zu komponieren, die klare Aufbaustrukturen, wie Strophe – Bridge – Chorus haben und dramaturgische Höhepunkte und Übergänge und so weiter besitzen. Das hat mich jetzt nicht vordergründig interessiert – und das hört man in der Musik. Mir war schon klar, dass es Leute gibt, die das gut finden und dass es vielleicht auch Leute gibt, die das eher nicht so gut finden, weil ihnen da was fehlt, oder es ihnen zu langweilig erscheint. Dazu kommt natürlich auch, dass es rein instrumentale Songs sind. Man kann sicherlich mit Gesang auch Dramaturgie steuern, aber hier muss es ausschließlich über die Musik funktionieren.

Ich möchte gern kurz auf die einzelnen Stücke, ohne das Intro und das Outro, eingehen:

Encounter gefällt mir persönlich sehr, weil ich gerade diese Energie in der Wiederholung dieser Sequenzen sehr mag. Ich halte das Stück für sehr gelungen. Vielleicht hätte ich es an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen anders mischen können, aber ich glaube, das funktioniert so wie es jetzt ist. Also ich mag das sehr.

The Surreal finde ich von der Trackidee her toll. Ich habe an dem Track unheimlich gern gearbeitet. Dazu habe ich auch ein Video gefilmt und eine klare Intention gehabt, was ich damit rüberbringen möchte. Ich denke, dass mir dies auch, gerade in Kombination mit dem Video, gelungen ist. Er hat eine sehr schöne Atmosphäre und funktioniert über so eine Gesamtatmosphäre im Track. Das kommt in dem Video auch ganz gut durch. Den Mix hätte ich mir eventuell noch etwas besser vorstellen können. Wir mussten beim Mastering noch etwas am Bass und an den Bassdrum-Strukturen drehen, damit die so schön mittig kommen.

Room 625 ist für mich das stärkste Stück auf der EP. Ich liebe es, wenn solche Tracks sich so langsam aufbauen und das Ding wie ein Crescendo langsam anschwillt. Das ist eine Art von Komposition, die ich sehr feiere – und ich mache sowas auch sehr gerne. Du hast diesen obertonartigen Sound kritisiert. Dazu muss ich sagen, dass es genau das ist, was ich halt geil finde. Ich mag es sehr, dass Sounds auch mal knarzen und kratzen. Sounds dürfen durchaus auch mal nerven. Also ich stehe auf so etwas sehr und höre auch gerne Musik von anderen Künstlern, die das ebenfalls machen. Da lasse ich mich auch gerne inspirieren. Ich finde diese Klanggestaltung schön und weiß, dass es auch Leute gibt, die das auch klasse finden. Ich weiß aber auch, dass es Leute gibt, die das nicht so gut finden, oder für nicht so gelungen halten. Damit muss ich dann leben.

Zeitinsel ist ein Stück gewesen, was ich sehr schnell zum Schluss noch gemacht habe. Ich hatte da diesen Beat liegen, den ich dazu noch zu einem Track weiterentwickelt habe. Das Klaviermotiv hat so einen gewissen Schmelz – so ein bisschen was Sentimentales, und ich weiß nicht, ob ich das noch mal so in der Art und Weise von den Tönen her machen würde. Aber mit diesem Track verbinde ich selber sehr viel – einmalige, erlebte Zeitinseln, die für immer im Bewusstsein bleiben und da weiterleben…


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Zu Kritik an sich: Allgemein mag ich das Wort “Kritik“ – also in Richtung “gut finden“ oder „kritische Bemerkungen haben“. Ich finde es immer gut, wenn man nicht nur die hört, die das feiern und toll finden, sondern auch die, welche sagen: „Nee, da und da ist mir etwas aufgefallen“. Das hilft mir ja auch als Künstler. Und ich mache mir natürlich darüber Gedanken, wenn das Leute bemerken und setze mich damit auseinander. Dies ist auch Teil meines Selbstverständnisses. So mache ich Musik. So mache ich das auch beruflich. Ich verdiene einen Großteil meines Geldes mit dem Schreiben von Filmscores für Spielfilme. Und da ist Kritik sozusagen ganz normaler Teil der Arbeit. Man kommt gar nicht umhin, für Kritik offen zu sein und im Sinne des Projekts/des Films zu arbeiten. Und von daher habe ich auch überhaupt gar kein Problem damit, wenn Leute mir sagen: „Hey, das gefällt mir nicht.“. Das ist für mich ganz normaler Bestandteil meiner künstlerischen Arbeit, damit umzugehen.

Als kleiner Ausblick: Zurzeit probe ich gerade das Programm. Ich habe noch andere Tracks geschrieben und werde Anfang nächsten Jahres, sofern es geht, die ersten kleineren Living Room-Konzerte machen. Das möchte ich dann nach und nach in dem Jahr weiter entwickeln und ausbauen, weil ich das immer schon so machen wollte: Ganz alleine zu spielen und solche Musik einmal live präsentieren. Und dann schau ich einfach mal, ob ich Menschen finde, die das auch live hören wollen. Das wird nicht ganz einfach, weil es viel einfacher ist, einen Soundtrack in einem Bandkonzept umzusetzen – auch gerade in der elektronischen Musik. Und da werde ich sicherlich ein paar dickere Bretter bohren. Aber das macht nichts: Ich habe Bock drauf und freue mich auf das was kommt.

Das was ich jetzt mit der Sub Sequences-EP angefangen habe, ist nur der erste Startpunkt. Ich werde in nächster Zeit mir im Grunde genommen zwei Konzertprogramme aufbauen: Eins, was ich eher in Richtung Club denke, also wo die Tracks ein bisschen beat-lastiger sind und die auch von den Arrangements her einen gewissen Wumms haben. Darüber hinaus werde ich im nächsten Jahr ein zweites Programm aufbauen, wo ich den Begriff Soundtrack/Dark Ambient verwenden möchte. Das hat auch einen künstlerischen Hintergrund, weil ich relativ viel fotografiere. Im Moment fange ich nach und nach damit an, diese Fotoarbeiten auch konzeptionell in meine Musik miteinzubauen. Das heißt, dass es zum jeweiligen Release auch eine Fotoreihe geben wird, die ich vertreiben möchte. Das wird bei Sub Sequences so sein, und bei dem Ambient-Konzert wird es noch viel mehr der Fall sein. Dann werde ich ein Fotoprojekt zu dem Release haben, was dann konzeptionell passt.

Vielen Dank für Deine Gedanken und Deine Zeit. Es hat mich gefreut, auch einmal so in Austausch zu gehen.

Tracklist – CHRISTOPH SCHAUBER – Sub Sequences:

01. Encounter
02. The Surreal
03. Room 625
04. Zeitinsel

Weblinks CHRISTOPH SCHAUER:

Homepage: https://www.christophschauer.com/
Bandcamp: https://infactedrecordings.bandcamp.com/album/sub-sequences
Youtube: https://www.youtube.com/channel/UCkKwteKF8gnD3Ar77xRG9jQ

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