Sie haben es offenbar nicht so mit Entschuldigungen, die vier Jungs von Hell Boulevard. Nachdem die Schweizer auf dem letzten, überaus gelungenen Album In Black We Trust “zero fucks” gaben, sind sie nun “Not Sorry”. Genau so heißt der dritte Longplayer innerhalb von etwas mehr als vier Jahren und so auch die erste Single, bei der Hell Boulevard in beeindruckender Manier ihre Stärken ausspielen. Der Titelsong vereint deftigen Glam- und Gothrock, drückt richtig ins Tanzbein und wäre wohl ein dicker Clubhit, wenn es noch geöffnete Clubs geben würde. Nebenbei wirkt der Text mit Zeilen wie “Not sorry for the way I live my life” sicher durchaus identitätsstiftend für nicht wenige Fans der Jungs um Frontmann Matteo Fabbiani.
Lyrisch bewegt sich sonst vieles rund um das Thema Gefühle, sei es Liebe, Verunsicherung, Hass oder Wut. Hier bleibt also alles beim Alten, und auch musikalisch werden sich die Anhänger des Quartetts sicher mit Not Sorry anfreunden können. Auch wenn die Label-Ankündigung von “neuen Facetten im Sound und einem progressiven Wachstumsprozess” spricht, klingen Hell Boulevard vor allem weiterhin nach Hell Boulevard. Für Ekstase bei hoffentlich möglichst bald stattfindenden Konzerten dürften neben dem Titeltrack sicher auch der Opener I Should Be Dead By Now, das flotte Speak Of The Devil und die zweite Single Death To The Future sorgen. Bei letzterer übernimmt sogar Faderhead einen Gesangspart – und das ist gar nicht mal so verwunderlich, wie es vielleicht zunächst den Anschein hat. Denn Hell-Boulevard-Gitarrist Von Marengo übernimmt als “Nebenjob” bei Gigs des Hamburger Dunkelelektronikers die Rolle eines Bühnenmusikers.
Zum ersten Mal wirklich aufhorchen werden viele Hörer wohl zu Beginn des vierten Songs. Es erklingt Pärchen-Gesäusel über ultimativ kitschiger 80er-Jahre-Softporno-Mucke – nach gut 30 Sekunden verwandelt sich Ropes And Candies zum Glück aber in eine mächtige Rockballade mit sehr schönem hymnischen Refrain. Gleiches kann man über das folgende Where Is Your God Now mit seinem nervig-repetitiven Einzeiler-Chorus leider nicht sagen.
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Überhaupt kommt Albumhälfte zwei insgesamt nicht so zwingend rüber, wie man es sich nach dem bärenstarken Auftakt noch gewünscht hätte. Dreimal-Uptempo-Dienst-nach-Vorschrift (Queen Paranoia, Hate Me, To Hell And Beyond), zweimal Midtempo-Dienst-nach-Vorschrift (Like Romeo And Juliet, You Had Me At Fuck Off) und eine sehr reduzierte Ballade namens Lilies And Roses, bei der Fabbiani stellenweise stimmlich an die Grenzen seines Tonumfangs kommt. Kein Song fällt hier wirklich ab, die Kandidaten auf Not Sorry, die noch in zehn Jahren mit ziemlicher Sicherheit im Live-Set auftauchen werden, finden sich aber ausnahmslos in den ersten 25 Minuten der Platte. Der ganz große Wurf ist Hell Boulevards dritte LP also nicht geworden, Fans werden aber von Not Sorry sicher auch nicht enttäuscht sein.
Mit den neuen Songs und alten Klassikern wie In Black We Trust, Love Is Dead oder Satan In Wonderland wollen Hell Boulevard ab Januar auch auf Deutschland-Tournee gehen – dass diese stattfindet, darf mindestens bezweifelt werden. Hoffen wir das Beste – und im Optimalfall auf bestens gefüllte Clubs. Support wären wieder einmal The Fright, mit denen Hell Boulevard bereits im September 2019 einige Gigs spielten. Termine siehe unten.
Tracklist HELL BOULEVARD – Not Sorry
01. I Should Be Dead By Now
02. Not Sorry
03. Speak Of The Devil
04. Ropes And Candies
05. Death To The Future
06. Where Is Your God Now
07. You Had Me At Fuck Off
08. Queen Paranoia
09. Hate Me
10. Like Romeo And Juliet
11. Lilies And Roses
12. To Hell And Beyond
Termine HELL BOULEVARD Tour 2021
15.01.2021 Frankfurt, Nachtleben
16.01.2021 Stuttgart, Club Zentral
17.01.2021 München, Backstage
21.01.2021 Dresden, GrooveStation
22.01.2021 Berlin, Badehaus
23.01.2021 Hamburg, Logo
05.02.2021 Köln, MTC
06.02.2021 Hameln, Sumpfblume