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Interview: THE DEADNOTES (Darius & Yannic)

Interview: THE DEADNOTES (Darius & Yannic)

So schnell können sich die Dinge verändern… Noch auf dem Weg nach Prag erreichten einen die ersten Meldungen über Einschränkungen im öffentlichen Leben, die Frage nach dem Stattfinden der Show der Deadnotes stand im Raum. Wie bald bekannt wurde: Ja, die Band darf im Rock Café spielen, die Zuschauerkapazität wird begrenzt. Bevor die Verbreitung des Coronavirus zu verstärkten Maßnahmen führte trafen wir uns also in Prag mit den Deadnotes und führten zwischen Soundcheck und Show mit Sänger/Gitarrist Darius und Schlagzeuger Yannic ein ausführliches Gespräch über die Tour, das Thema Corona, Prag an sich, das aktuelle Album und vieles mehr.

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Die Tour geht in den Endspurt. Wie war es bisher?
– Darius: Sehr gut. Es ist eine sehr intensive Tour, die größte und intensivste Tour von denen, die wir bisher gespielt haben. Wien gestern war unglaublich. Die Leute, die da waren, hatten richtig Bock drauf. Jetzt gerade ist es aber auch krass durch die ganzen Corona-bedingten Absagen. Gestern war unklar, ob die Show stattfindet.

Das Thema ist ja gerade unvermeidlich. Wie habt Ihr das während der Tour denn miterlebt?
– Yannic: So zum Beispiel, dass unsere eigenen Shows fast betroffen gewesen wären. Aber man trifft auch viele Leute, die in der Veranstaltungsbranche arbeiten. Viele haben da zu kämpfen, wenn Veranstaltungen abgesagt werden.
– Darius: Man ist auf Tour ja auch die meiste Zeit in seiner „Blase“ drin. Alles, was an News und Informationen raus geht, kriegt man nur so teilweise mit. Wenn dann so etwas Krasses wie in Österreich oder jetzt auch in Tschechien beschlossen wird, dann denkt man „hui“. Wir haben gestern Abend noch mit Freunden geredet, die genau an dem Abend arbeitslos geworden sind. Die haben für die nächste Zeit erst einmal keinen Job mehr, weil sie in der Veranstaltungsbranche arbeiten.

Ich habe es auch gestern erfahren, dass die Show heute auf 90 Zuschauer limitiert wurde. Ist das für Euch zufriedenstellend?
– Yannic: Wenn heute hier 90 Leute kommen, dann sind wir „over the moon“. Dann sind wir sowas von glücklich, das hat gar nichts mit Corona zu tun.
– Darius: Das ist für uns ja auch in Prag erst das zweite Mal überhaupt, dass wir eine Headliner-Show spielen. Die neue Platte ist gerade erst draußen.
– Yannic: Wir hoffen jetzt mal, dass die Leute nicht zu abgeschreckt sind. Die Limitation ist jetzt erst einmal kein Thema.
– Darius: Das ist für uns eigentlich ein Vorteil. Da können wir mit 90 Leuten sagen, Prag war ausverkauft. (lacht)

Beeinflusst Corona Euch sonst irgendwie? Ich hab es jetzt oft gelesen, dass es für viele existenziell ist, Ihr habt es ja auch angesprochen…
– Darius: Bisher am schlimmsten war der intensive Stress der letzten zwei Tage. Parallel zum sonstigen Touralltag musste geregelt werden, was wie stattfindet… Da gab es überall Nachfragen. Aber klar mache ich mir auch meine Gedanken, wenn Leute unsicher sind, auf eine Show zu kommen. Ob das jetzt negativen Einfluss und die längerfristige Entwicklung für die Musikszene, die Veranstaltungsbranche, aber natürlich auch in politischer Hinsicht hat… Ohne das zu bewerten ist es natürlich ein kritischer Punkt, Grenzen dichtzumachen. Das ist gerade auch eine große gesellschaftliche Herausforderung.
– Yannic: Man macht sich da auch seine Gedanken. Sei es politisch oder auch einfach so, wie das weiter geht. Das beschäftigt denke ich jeden ein bisschen. Es lässt uns auch nicht kalt, auch wenn wir darüber scherzen.

Fernab von Corona sitzen wir jetzt hier in Prag. Was bedeutet Euch Prag? Wie wichtig ist für Euch diese Show?
– Darius: Wir haben vor knapp zwei Jahren hier das erste Mal selbst eine Show gespielt, auch hier im Rock Café. Erstmal waren wir total überwältigt, was für ein großer toller Laden das ist und wie sich die Leute hier kümmern. Das ist Wahnsinn. Wir hatten auch einen superschönen Tag hier. Letzten Sommer haben wir hier ein Festival gespielt, das United Islands, das war glaub ich das beste Festival, das wir jemals gespielt haben. Da war wahnsinnig viel los in den Straßen. Seitdem hab ich immer eine riesige Vorfreude, wenn es irgendwie möglich ist, hier zu spielen. Ich hab auch das Gefühl, dass die Leute da wirklich Bock drauf haben, wenn wir hier spielen. Das ist nicht selbstverständlich, so weit weg von zu Hause in einem fremden Land.

Ihr habt auch schon das neue Album erwähnt, das Ihr im Gepäck habt. Zwischen dem neuen Album und dem Vorgänger ist einige Zeit vergangen. Wie kam’s?
– Yannic: Wir haben sehr viele Konzerte gespielt. Wir haben uns zudem entschieden, nicht mehr alle in derselben Stadt zu wohnen, so war das dann mit dem Songwriting nicht mehr ganz so flüssig. Dafür haben wir immer mal längere Sessions eingebaut und dazwischen längere Phasen gehabt, in denen wir uns gedanklich rausnehmen konnten von dem ganzen Songwriting, wodurch das Album etwas länger gebraucht hat, dafür aber auch sehr zufriedenstellend für uns ist.
– Darius: Es war eine sehr produktive Zeit, auch wenn es vielleicht nicht die schnellste war. Ich glaub, wenn man so ein erstes Album rausbringt, dann hat man seine Erfahrungen zum ersten Mal gemacht, wie sich das anfühlt, was man da rauszieht. Das zweite Album ist laut vieler Bands ja immer das Schwierigste. Das war es auf eine gewisse Weise auch, weil man natürlich auf Teufel komm raus versucht, nicht die Fehler zu machen, die man beim ersten Album dazu gelernt hat. Man sollte sich die Zeit nehmen, die auf jeden Fall nötig ist, um das Album so zu haben, wie wir es wirklich wollen. In musikalischer Hinsicht, aber auch im ganzen Setup.

Beim ersten Album hat man ja auch das ganze Leben davor Zeit, zu sammeln…
– Darius & Yannic: Das stimmt natürlich!

Wenn man mal auf den Titel schaut: Es heißt Courage. Warum habt Ihr Euch für den Titel entschieden?
– Darius: Wir wollten einen sehr kurzen, prägnanten und eingängigen Titel haben. Also genau das Gegenteil von unserer ersten Platte I’ll kiss all fears out of your face. Auf der Platte haben wir sehr viele Themen grundsätzlich angesprochen, die wir jetzt auch auf der zweiten Platte ansprechen, aber viel vertrackter, verstückelter. Hauptziel und -augenmerk war, die Erfahrung, die wir gesammelt haben, im Hinblick auf z.B. intensives Touren, mental health, in politischer Hinsicht, auch ausgeweitet in gesellschaftlicher Hinsicht, viel klarer auf den Punkt zu bringen und herauszustellen, was wir sagen und ausdrücken wollen. Wir wollten das verständlich haben und einen ganz einfachen verständlichen Titel nehmen, der schönerweise auch nicht nur im Deutschen als Wort existiert, sondern auch eine weitergehende Konnotation hat und auch im Englischen und Französischen verständlich ist.

Als Video habt Ihr Never Perfect ausgewählt. Warum habt Ihr Euch für den Titel entschieden? Würdet Ihr sagen, es ist der perfekte Vorbote gewesen oder es ist am repräsentativsten für das Album?
– Darius: Das finde ich schwierig, auf einen repräsentativen Song zurückzugreifen, aber es ist ein Song, der auf jeden Fall für die Platte für uns ein großes Aushängeschild ist. Thematisch geht es um mental health, um psychische Gesundheit, der ein bisschen das zusammenfasst, was wir über lange Zeit als Band mitgenommen und als Erfahrung gemacht haben. Erfahrungen, die einen oft an die Grenze der psychischen Belastbarkeit bringen. Bis zu Punkten, an denen man merkt, ab hier geht es nicht mehr weiter, da muss ich was verändern. In der Phase, in der das Album entstanden ist, war es ein großer Umbruch, zumindest für mich. Ich habe gemerkt, dass ich den Song geschrieben habe und ganz viel ausgedrückt, was dringend raus musste, weil die Band sonst nicht mehr weiter hätte machen können. Das mit dem Song auszusprechen war super erleichternd. Es war auch die Kehrtwende, den Mut gefasst zu haben, wieder nach vorne zu blicken.

Würdet Ihr denn dann sagen, Perfektion ist gesund oder ungesund?
– Darius: Oh, das ist eine sehr gute Frage! Perfektion ist vielleicht das falsche Wort. Aber was uns schon wichtig ist, ist, es so gut wie wir es können und es wollen zu machen. Und dabei nicht eine unauthentische oder unpassende Perfektion an den Tag zu legen. Eine Perfektion, alles steril zu halten und keine Reibepunkte zu bieten, wäre nicht die richtige Perfektion. Aber wenn es heißt, die Botschaften, die wir haben und auch die Unperfektheit, die wir als Menschen an den Tag legen, so natürlich wie möglich und so klar wie möglich rüberzubringen, dann ist das finde ich eine gute Sache.

Nach dem Stück kommt der Ghost on the Ceiling. Was für ein Geist ist es, den Ihr da besingt?
– Darius: Das, was oft im Raum steht. Was so ein bisschen verkörpert ist durch diese Art Geist, dass man Entscheidungen manchmal viel zu schnell trifft. Dass irgendwas im Raum ist, was einen dazu bringt, Dinge überstürzt anzugehen und einen davon abhält, sich wirklich intensiv mit Veränderungen auseinanderzusetzen. Sich auch die Zeit zu nehmen, die es braucht. Ich glaube, dieser Geist ist in den Lyrics das, was einem im Weg steht, was man nicht sehen kann, aber was einen ständig beeinflusst und unter Druck setzt.

Ich habe noch Failsafe rausgepickt. Gleich die erste Zeile ist „I’m too young to know what life means“. Wo kommt dieses Gefühl her? Ich habe mich auch selbst gefragt: Gibt es überhaupt das richtige Alter dafür?
– Yannic: Wir sind ja auch noch recht jung…
– Darius: Das ist schon immer etwas, das uns als Band mitprägt. Wir haben die Band mit 14 gestartet, nächstes Jahr gibt es uns zehn Jahre. Wir haben immer das Image von der kleinen jungen Band, die nie so wirklich erwachsen wird. Auf der einen Seite merken wir, dass das, was wir musikalisch machen und an Erfahrungen sammeln, sich sehr erwachsen und professionell anfühlt, in einer gewissen Weise reif als Band. Auf der anderen Seite machen wir ein bisschen naiv das, worauf wir Bock haben, ohne einen perfekten Business-Plan dahinter – wo wir wieder bei Perfektion wären. Das wollen wir auch nicht, wir wollen das authentische Gefühl von Musik haben, das durch sich selbst wachsen muss. Das war auch ein Gedanke, ob die Zeile zu stumpf ist und raussollte, aber sie passte dann so schön.
– Yannic: Sie relativiert auch alles Weitere ein bisschen, weil man sich nicht anmaßen will, zu wissen, was das Leben bedeutet. Man kann ja nur von seinem eigenen reden. Deshalb gefällt sie mir auch so gut als erste Zeile von dem Song.
– Darius: Das wird ja oft in den Mittelpunkt gestellt, dass man Leuten vielleicht eine Meinung vorgibt oder gar als Vorbild gesehen wird. Damit wollen wir auch klar machen, dass wir das gar nicht sein wollen. Wir können nur unsere Erfahrungen teilen, die wir haben. Wir sind selbst nicht perfekt. Wir haben Gedanken zu gewissen Themen, die wir sehr relevant finden und wir geben weiter, was wir davon denken. Ohne dabei vielleicht wirklich erwachsen zu sein oder es ganz zu durchblicken.

Ihr besingt auch den Fickle Fake Friend auf dem Album. Ganz platt gefragt: Wer ist das?
– Darius: Das ist ein Song über Freundschaft. Es ist auch ein sehr direkter Song über eine Erfahrung, die wohl jeder im Leben mal macht. Dass es sehr wichtig ist, sich freundschaftlich an Menschen halten zu können, Kraft durch sie bekommen zu können und nicht hintergangen zu werden. Dass man die Wertschätzung bekommt, die man sich wünschen würde. Gleichzeitig ist es auch eine schöne Sache, wenn man Menschen trifft, wo man das noch gar nicht so auf den ersten Blick durchschaut, aber dann erst merkt, wie viel sie einem geben können. Das ist ein gutes Fazit in dem Song: Menschen nicht vorzuverurteilen, sondern ihnen eine Chance zu geben und in vielen Fällen auch zu erkennen, dass aus einer schwierigen oder ungewöhnlichen Erfahrung etwas Großes entstanden.

Das Album ist jetzt schon ein paar Wochen draußen. Wie lief es bisher? Wie habt Ihr die Reaktionen darauf empfunden?
– Darius: Allein die Tour, die wir jetzt spielen, ist schon die geilste Reaktion überhaupt. Schon allein, dass in jeder Stadt wirklich Leute da sind, die wirklich wegen uns kommen, die bereits die Songs gehört haben.
– Yannic: Man sieht Leute, die teilweise Songs mitsingen, die gerade erst mit der Platte rausgekommen sind, wo es sonst bei uns immer ein Weilchen gebraucht hat, bis mal jemand ein Text konnte. Das ist die größte Bestätigung, die man kriegen kann.
– Darius: Absolut. So eine Platte ist ja etwas, das länger weilt als wir selber auf dieser Erde – das hat unser Produzent im Studio so schön gesagt. Und es wird ja auch noch so viel Schönes kommen, soviel Zeit noch vergehen, bis auch noch mehr Leute das anhören können. Leute, mit denen man sprechen kann und wird. Ich freu mich, dass da hoffentlich noch so viel passieren wird.

Das Album ist auf 22Lives Records erschienen, im Gegensatz zum Vorgänger…
– Darius: Der Vorgänger war im Prinzip auf vier Labels, aber alles sehr kleine Do It Yourself-Labels, die in verschiedenen Ländern Arbeit für uns gemacht und uns unterstützt haben.
– Yannic: Aber ohne, dass wir irgendwo unter Vertrag waren.
– Darius: Das war auf verschiedene kleine Möglichkeiten verteilt, sozusagen.

Jetzt habt Ihr mit 22Lives Records alles in einer Hand. Wie kam es dazu?
– Darius: Wir sind das Label!
– Yannic: Wir haben uns gedacht, wir gründen für die Platte einfach unser eigenes Label. Das haben wir dann auch gemacht.
– Darius: Es gibt ja viele Bands, die das heutzutage machen, wir sind da keine Vorreiter mehr. Es ist einfach eine sehr komfortable Situation. Nicht komfortabel im Sinne von Arbeitsstress und Arbeitsaufwand, aber sehr komfortabel im Sinne von Entscheidungen, Abrechnungen usw. Wir machen schon immer so viel es geht selbst und wollen das auch so. Wo die Chance jetzt da war, das in einem größeren und professionelleren Rahmen zu machen, wollten wir das auch so nutzen.

Ihr seid sozusagen Euer einziges Signing bisher?
– Yannic: Ja, bisher haben wir da absolut keine Kapazitäten mehr für etwas anderes. Aber das ist jetzt ja auch das erste Release, dann schauen wir mal weiter.
– Darius: Wir haben uns selber noch keinen Vertrag geschrieben. (lacht)

Wie schon gesagt, die Tour ist im Endspurt. Es kommt noch Euer Heimspiel. Was bedeutet Euch das Heimspiel? Was erwartet Ihr Euch? [Anmerkung: Zum Zeitpunkt des Interviews war die Verschiebung der Show auf den 27. November noch nicht bekannt.]
– Yannic: Es ist immer der krönende Abschluss, wenn man auf Tour ist und dann zu Hause in Freiburg spielt. Das letzte Mal, als wir in Freiburg gespielt haben, mussten tatsächlich Leute draußen bleiben. Gut, wir haben uns auch für einen der kleinsten Clubs entschieden, aber sogar unser Produzent der ersten Platte kam nicht mehr rein und wir konnten da auch nichts mehr machen. Das ist immer schwer einzuschätzen, aber deshalb haben wir uns dieses Mal für den etwas größeren Laden, das Waldsee entschieden, wo wir noch nie gespielt haben, den wir aber alle supercool finden. Deshalb sind wir doppelt gespannt, weil wir jeden anderen Abend in Freiburg gefühlt auswendig kennen.
– Darius: Wir sind da immer triple gespannt. Je mehr Leute kommen, die man persönlich kennt, desto spannender, aufregender und auch stressiger wird es, weil man unter einer gewissen Erwartungshaltung steht.

Das war es von mir soweit mit Fragen. Zum Schluss würde ich gerne wissen: Wir haben über das Album und die Tour geredet… Gibt es schon weitere Pläne, für das, was in nächster Zeit von Euch kommen soll?
– Darius: Jein. Grundsätzlich plant man natürlich immer voraus als Band, hat Vorlaufzeiten, braucht Menschen, die mit einem arbeiten werden… Wir spielen im Sommer viele Festivals, es wird noch Teil 2 der Tour kommen, wir schreiben auch wieder an Songs – das wird alles passieren. Aber ich glaube, für den Moment ist für uns superschön, es zu genießen, diese Platte draußen zu haben…
– Yannic: Genau, mal gerade nichts so richtig zu planen.
– Darius: Wir ernten gerade das, woran wir jetzt drei Jahre gearbeitet haben.

Weblinks THE DEADNOTES:

Homepage: www.thedeadnotesofficial.com
Facebook: www.facebook.com/thedeadnotesofficial
Twitter: www.twitter.com/the_deadnotes

Bilder: Marius Meyer (Handy-Fotos)

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