15 Jahre Amphi Festival – eine Erfolgsgeschichte setzt sich fort. Mit mehr als 12.000 Zuschauern war der Schwarze-Szene-Treff am Kölner Rheinufer einmal mehr bestens besucht, 42 Bands und Projekte aus allen musikalischen Subgenres stellten sich und ihre Musik am Tanzbrunnen und auf dem Innendeck der MSRheinEnergie, die erstmals seit 2016 wieder auf der „richtigen“ Seite anlegen konnte, vor.
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Los ging’s bei schon recht ordentlicher Besucherzahl wie gehabt am Samstag um 11 Uhr mit dem Projekt Seelennacht. Frontmann und Songschreiber Marc Ziegler kombiniert Joachim-Witt-esqen Gesang mit Blutengel-esqen Instrumentals – muss man mögen, mochten viele und sorgten so für das erste Stimmungshoch des Tages. Deutlich gitarrenlastiger der Auftritt von Erdling, vor allem der letzte (und wohl auch bekannteste) Song Blitz und Donner wurde laut mitgesungen und frenetisch bejubelt. Danach standen auf der Main Stage wie auch im Theater bei Logic & Olivia, Chrom und Massive Ego elektronische Klänge im Vordergrund. Letztere konnten im Theater deutlich mehr punkten als noch vor zwei Jahren als Hauptbühnen-Opener, vor allem das And-One-Cover Military Fashion Show ist und bleibt ein Garant für euphorische Reaktionen.
02. New Visions
03. Schall und Rauch
04. Fährmann
05. Pathfinder
06. Neuzeit
07. Aftermath
08. Die Zeit zurückdrehen
09. Keeping Hope
02. Soldat
03. Erdling
04. Supernova
05. Tieftaucher
06. Wir sind Midgard
07. Phönix
08. Im Namen der Krähe
09. Blitz und Donner
02. Pink
03. Games You Play
04. Frei und gemeinsam
05. I Like
06. Night Of Despair
07. Because Of Your Smile
08. The Diamonds And The Slaves
02. For The Blood In Your Veins
03. Kill The Conspiracy
04. Low Life
05. My Religion Is Dark
06. I Idolize You
07. Malfunctioning Me
08. Point Of No Return
09. Military Fashion Show
10. Haters Gonna Hate
Der Nachmittag brachte die ersten Acts des Tages mit sich, die vor allem für die Oldschool-Goth-Fraktion interessant waren. Dirk Ivens treibte das Prinzip „Minimale Show, maximaler Bums“ im Rahmen seines Auftritts mit Dive auf die Spitze, die stockdunkle Bühne wurde lediglich durch einige Stroboskop-Lichter erhellt. So konnte der treibende Electro-Sound unverkennbarer belgischer Prägung richtig wirken. Richtig voll wurde es dann erstmals bei The Cassandra Complex, die mit vielen Klassikern und ihrer treibenden Mischung aus Post-Punk, Electro und Rock punkten konnten.
02. Too Stupid To Sin
03. Valis
04. Second Shot
05. Motherad
06. What Can I Do For You?
07. War Against Sleep
08. Datakill
09. Moscow Idaho
10. One Millionth Happy Customer
Etwas luftiger (nicht nur wegen der bestens funktionierenden Klimaanlage) war es auf der MSRheinEnergie. Ash Code um die Zwillingsbrüder Adriano und Alessandro Bellucio gehören sicher zu den besten jungen Dark-Wave-Acts überhaupt. Mit Ausnahme von Oblivion, das von viel zu starkem Basswummern geradezu verstümmelt wurde, machte der abwechslungsreiche Sound richtig Spaß. Als kleines Bonbon für die Fans wurde sogar der deutschsprachige Titeltrack des aktuellen Albums Perspektive in die Setlist integriert.
02. Crucified
03. Empty Room
04. Betrayed
05. Disease
06. Posthuman
07. Oblivion
08. Want
09. Perspektive
10. Drama
11. Dry Your Eyes
Generell gehörte der Samstag auf dem Schiff eher wavig-post-punkigen Sounds. So blieben viele Gäste fast den ganzen Tag über an Bord und genossen zwischen den Auftritten das Sonnendeck (mal abgesehen von zwei kurzen Starkregenphasen) oder die direkte Nähe zu den Musikern am Merchandise-Stand. Die durften sich quasi durchweg Lob anhören – jedoch nur seltenst in Muttersprache. Denn nach den Italienern von Ash Code folgte ein schwedischer Dreierpack, auf das Duo Hearts Of Black Science, die ihren groovigen Mix aus Synth-Pop, Wave und Shoegaze vorstellten, Agent Side Grinder.
Und damit, urteilt man nach den Kommentaren in den einschlägigen sozialen Netzwerken, eine der besten Bands des gesamten Festivals. Wer nach dem Abgang dreier Mitglieder, darunter dem des charismatischen Frontmannes Kristoffer Grip, dachte, dass es mit ASG vorbei ist, kann getrost aufatmen. Johan Lange, Peter Fristedt und der neue Sänger Emanuel Aström lieferten eine Performance der Extraklasse ab. Die alten Songs wurden behutsam modernisiert, die E-Bass-Spuren von damals durch entsprechende Synthie-Klänge ersetzt und in den Sound eingebettet. Aström bringt die passende Stimmfarbe und Präsenz mit ein, ohne seinen Vorgänger dabei zu kopieren. Vor allem die Single Stripdown brachte die Menge vor der Bühne zum Toben – zweifellos einer der besten Synthie-Pop-Songs dieses Jahrtausends. Kurz vor dem Ende dann noch ein seltenes Highlight: So spielten ASG und Henric de la Cour ihren gemeinsamen Song Wolf Hour.
02. Life In Advance
03. Mag7
04. Stripdown
05. Giants Fall
06. Doppelgänger
07. This Is Us
08. Wolf Hour
09. Into The Wild
02. Unfolding
03. Field Of Light
04. Last Chances
05. Icon
06. Wolves At The Border
07. Protector
So konnte sich der großgewachsene Ausnahmekünstler aus Eskilstuna einsingen – zur Abwechslung sah man ihn dabei auch mal ungeschminkt. Gut 40 Minuten später kehrte er mit der üblichen Bühnenbemalung zurück und stellte viele Stücke des aktuellen Albums Gimme Daggers vor, dazwischen wurden altgeliebte Songs wie Dracula oder Grenade eingestreut. Ein toller Gig, vor allem im Vergleich zu dem an Ort und Stelle vor zwei Jahren, als de la Cour kurz nach einer schweren Blutvergiftung nach Köln kam und den Auftritt stark geschwächt nach nur acht Liedern abbrechen musste.
Zurück zur Main Stage: Alexander Kaschte hielt sich mit Beleidigungen diesmal zurück und schmiss auch keine Shirts mit der Aufschrift „Alexander Kaschte muss sterben“ ins Publikum, wie er es auf so manch anderen Festivals der letzten Jahre tat. Stattdessen gab es ein überaus solides Set von Samsas Traum auf die Ohren – klar, dass Ein Foetus wie Du und 9mm (Kugel im Gesicht) zum Abschluss besonders abgefeiert wurden.
02. Für immer
03. Dein bleicher Wolf
04. Schlag in den Flammen
05. Igel im Nebel
06. Stromausfall im Herzspital
07. Endstation.Eden
08. Heiliges Herz
09. Die Zärtlichkeit der Verdammten
10. Ein Foetus wie du
11. Kugel im Gesicht (9mm)
Auf den exzentrischen Kaschte folgte der Bühnen-Flummi der Szene. Erk Aicrag bewältigte den ersten Teil seiner Amphi-Doppelschicht mit Bravour (am Sonntag stand noch ein Gig mit Rabia Sorda auf dem Programm) und machte zusammen mit Cousin Rasco Agroyam kräftig Werbung in eigener Sache – das neue Hocico-Album Artifical Extinction wurde nämlich exakt pünktlich zum Amphi auf den Markt gebracht.
02. Dark Sunday
03. Sex Sick
04. No One Gets Out Alive
05. Bite Me
06. I Abomination
07. Psychonaut
08. Poltergeist
09. Dead Trust
10. Forgotten Tears
Ebenfalls mit einer neuen Veröffentlichung (9. August) stehen Lord Of The Lost in den Startlöchern. Allerdings handelt es sich bei Till Death Us Do Part „nur“ um eine Best-Of. Sei’s drum: Chris Harms & Co. lieferten Hits in gewohnter Qualität und verzückten ihre zahlreich anwesenden Fans darüber hinaus mit einer der kräftigsten Lichtshows des Wochenendes.
02. Loreley
03. Morgana
04. Black Halo
05. Drag Me To Hell
06. Prison
07. Under The Sun
08. Six Feet Underground
09. Blood For Blood
10. Doomsday Disco
11. Die Tomorrow
12. La Bomba
Zu späterer Stunde entwickelte sich dann ein aus den Vorjahren bekanntes Problem, für das aber niemand so recht eine Patentlösung zu entwickeln vermag. Pünktlich zum kräftig einsetzenden Platzregen bildete sich eine lange Schlange vor dem Einlass zum Theater. Wer es pünktlich hinein schaffte, den entlohnten Solitary Experiments mit viel Energie – und im nun proppevollen wie heißen Theater konnten die nassen Haare und Klamotten dann auch bestens trocknen.
02. Trial And Error
03. Immortal
04. Delight
05. Pale Candle Light
06. Rise And Fall
07. Crash & Burn
08. Stars
09. Brace Yourself
10. Epiphany
Damit sich das Publikum zum Tagesende bestmöglich auf die drei Bühnen verteilt, standen nun jeweils Acts auf dem Programm, die verschiedener nicht hätten sein können. Im Co-Headliner-Slot überschnitten sich Pink Turns Blue, ein Zuckerstückchen für die Haarspray-/Patchouli-Fraktion, das wie immer äußerst tanzbare Hauptprojekt von Elektronik-Tausendsassa Daniel Myer, Haujobb, sowie Blutengel.
Die „sonnigste Band der schwarzen Szene“, wie es Frontmann Chris Pohl scherzhaft formulierte, stellte ihr Set ins Zeichen der noch recht frischen LP Un:Gott. Da die sich musikalisch aber nicht allzu sehr von den Klassikern abhebt, war die Stimmung von Beginn an euphorisch. Auch in Sachen Bühnenshow boten die Berliner mal wieder einiges: Viele Laser, Videos, Kostüme – und drei leicht bekleidete junge Damen, die es sich nicht nehmen ließen, zwischendurch mit Pohl, Keyboarder Lukas und nicht zuletzt sich selbst herumzuknutschen.
Es folgte eine regelrechte Völkerwanderung. Das Gros, das bei Blutengel vor der Main Stage auf und ab sprang, wechselte aufs Schiff zu L’Âme Immortelle oder zu den Hannoveraner Dark-Rockern Unzucht, die das Theater mit aktuellem Material der Akephalos-LP, aber auch Hits wie Kleine Geile Nonne, Deine Zeit läuft oder Engel der Vernichtung endgültig in eine Sauna verwandelten.
02. Antimatter
03. Renegates of Noise
04. Crossfire
05. Machine Drum
06. Input Error
07. Let’s Drop Bombs
08. Net Culture
09. Noise Institute
10. Information Space
11. Dead Market
02. Nela
03. Der Tod in mir
04. Ein Wort fliegt wie ein Stein
05. Lava
06. Widerstand
07. Der letzte Tanz
08. Kettenhund
09. Unzucht
10. Kleine geile Nonne
11. Nur die Ewigkeit
12. Deine Zeit läuft ab
13. Engel der Vernichtung
Der krasse Publikumswechsel war aber durchaus verständlich, schließlich steht die britische EBM-Legende Nitzer Ebb in so ziemlich allen Facetten für etwas komplett anderes als Unzucht, L’Âme Immortelle oder eben Blutengel.
Zum Auftritt des nun zum Quartett angewachsenen Szene-Urgesteins gingen allerdings die Meinungen auseinander. Nach fast acht Jahren waren Douglas McCarthy, Bon Harris und die „alten neuen“ Mitglieder David Gooday und Simon Granger wieder live in NRW zu sehen, die Vorfreude war entsprechend riesig. Schnell zeigte sich jedoch, dass die durchweg alten Songs komplett neu gemixt wurden. Kein Schlagzeug mehr auf der Bühne, dafür Granger, Gooday und Harris hinter Maschinen – das Ergebnis klang eher nach einem Techno-DJ-Set mit Live-Gesang als nach EBM. Der ein oder andere Hardliner ließ seinem Unmut auf dem Heimweg oder auf Facebook freien Lauf. Durchaus nachvollziehbar, weil neben fetten Stampf-Beats auch runde 15 bis 20 Dezibel Lautstärke fehlten. Der Punch, für den NEP seit jeher berühmt sind, ließ zu wünschen übrig – hoffentlich wird dies bei der November-Tournee besser. Da war auch die Tatsache, dass mit Alarm (inklusive Live-Geschrei von Gooday) und Fitness To Purpose zwei Stücke der 1987er-Debüt-LP That Total Age nach Jahrzehnten (!) ins Set zurückkehrten, für einige nur noch ein schwacher Trost. Insbesondere auf Facebook äußerten sich aber auch viele positiv zur Performance des Headliners – wie gesagt, die Meinungen gingen auseinander.
02. Shame
03. Hearts & Minds
04. Let Your Body Learn
05. Lightning Man
06. Blood Money
07. For Fun
08. Come Alive
09. Ascend
10. Captivate
11. Fun To Be Had
12. Join In The Chant
13. Control I’m Here
14. Murderous
15. Alarm
16. Fitness To Purpose
Die mangelnde Lautstärke an der Main Stage war übrigens kein Nitzer-Ebb-eigenes Problem und ein kleiner Wermutstropfen an einem sonst sehr gelungenen ersten Festivaltag. Bereits am frühen Sonntagmorgen sollte sich dies glücklicherweise ändern – doch dazu bald mehr in Teil zwei unserer großen Amphi-Nachlese auf Monkeypress.de.
Fotos & redaktionelle Mitarbeit: Peter Bernsmann, Cynthia Theisinger