JEAN-MARC LEDERMAN EXPERIENCE – 13 Ghost Stories

JEAN-MARC LEDERMAN EXPERIENCE - 13 Ghost Stories
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8 Gesamtnote

Gesamtnote

8

Der belgische Keyboarder und Produzent Jean-Marc Lederman hat schon mit einigen Größen in der Musikszene zusammen gearbeitet, als da wären: Fad Gadget, The The, Gene Loves Jezebel, The Weatherman, Front 242, um nur einige zu nennen. Bei einem Mittagessen mit einem Freund kam die Frage auf “Was würdest Du tun, wenn Du als Geist nochmal für einen Tag auf die Erde zurück könntest?” Diese Frage hat Jean-Marc Lederman nicht mehr losgelassen und vor allem war er interessiert, was andere zu diesem Thema zu sagen haben und so schrieb er seine FreundInnen aus Musikszene an, ob sie Lust haben etwas zu diesem Projekt beizutragen und fast alle sagten zu. Einigen sandte er auch MP3 Ordner zu mit den jeweils angedachten Melodien. Und so ist dieses überaus spannende Album entstanden

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Willkommen zur Geisternacht!

Die Einleitung kreiert das passende Setting und Stimmung. Man hört das Knistern des brennenden Holzes im Kamin, der Schraubverschluss einer Flasche wird geöffnet und ein alkoholisches (?) Getränk, wie etwa ein guter Cognac, wird in ein Glas geschüttet und vor unserem geistigen Auge sitzt nun ein älterer grauhaariger Herr in einem bequemen Ohrensessel am Kamin mit einem Buch in seinen Händen, der uns nun aus ebenjenen einige Geschichten zur Nacht vorlesen wird. Mit einer tiefen, sonoren Stimme begrüßt uns Jean-Marc Lederman. Warum er seine Hörer als “industrial people” begrüßt, erschließt sich mir hier nicht, da die nachfolgenden Songs nichts mit diesem Musikstil zu tun haben, auch wenn die stilistische Palette sehr breit ist und einige der Protagonisten tatsächlich auch musikalisch in der Industrial Szene zu verorten sind mit ihren Bands/ Projekten. Wie dem auch immer sei, auch an uns wird die hypothetische Frage gestellt, was wir machen würden, wenn wir für einen Tag als Geist zur Erde zurückkehren könnten. Manche würde versuchen ihre(n) Fehler wieder gut zu machen, oder Abbitte leisten. Andere würden gerne noch mal Zeit mit ihrer Liebe zu verbringen und wiederum andere würden gemeine Menschen heimsuchen. Diese Frage stellte Jean-Marc Lederman einige herausragende Musiker/ Künstler und die in Songtexten verpackten Antworten wurden von ausgewählten SängerInnen eingesungen und musikalisch von Jean-Marc Ledermann in Szene gesetzt.

Der erste Song wurde von Christer Hermodsson, dem ehemaligen Mitglied von S.P.O.C.K., der auch bei Biomekkanik und Spark! tätig war/ist, eingesungen. Als Geist kehrt er in das ihm vertraute Haus zurück, was schmerzliche Erinnerungen erweckt und beschreibt Szenerien und unbeantwortete Fragen, die sich in fünf Zimmern mit fünf Fenstern abspielen und kommt am Ende zu dem Schluß, dass die Geister nicht nur träumen, sondern vor Trauer und Entsetzen schreien. Untermalt ist dieses melancholische Lied mit einer dezenten wunderschönen Synth-Pop Melodie.

Der nächste Geist ist weiblich und ist ein wenig unentschlossen und spielt mehrere Möglichkeiten durch, was sie so alles anstellen könnte. Das Intro des Songs erinnert mich ein wenig an die Intros von Schiller. Der Gesang von Louise Fraser, der in Form von Background Stimmen vielstimmig umher schwebt, ist sehr sphärisch. Die schottische Sängerin hat bereits mit vielen großen Namen, als da wären The Counting Crows, Tom Petty and the Heartbreakers, John Fryer, Don Smith, Jean- Marc Lederman und dem Komponisten Jeff Rona in der Musikbranche zusammen gearbeitet und ist einigen bekannt durch ihre Songs für diverse TV Formate und Filme bevor sie sich auf ihre keltischen Wurzeln besann und nun sich dieser Musikrichtung zugewandt hat. An sich ist dieser Song schon fast trance-mäßig, wären da nicht die Bass-Akzente, die jede Box zum Vibrieren bringt.

Stefan Netschio (Beborn Beton) leiht der nächsten Geistergeschichte seine Stimme. Bei den ersten Klängen, dem metallischen Klimpern glaubt man, ein Song von Depeche Mode aus den frühen Jahren folgt. Aber auch die nachfolgende Melodie kommt poppig locker flockig im Gewand des 80er Jahr Synth-Pop Sounds daher. In den ersten Stunden seines geschenkten Tages ist er damit beschäftigt, die Gefallen, die ihm getan wurden zu erwidern, begangenes Unrecht wieder gut zu machen. Aber nach fast sechs Stunden ist auch das erledigt und so ist Zeit sich über andere versäumte Dinge Gedanken zu machen, um zu dem Schluß zu kommen, dass weder etwas gewonnen, noch verloren wurde. Er war zwar nicht perfekt, aber auch nicht der schlechteste Mensch. Warum nicht stattdessen in der verbliebenen Zeit seinen Nächsten/liebsten Menschen überreden, ihm in die Ewigkeit nachzufolgen?

Die Belgische Sängerin Juliette Bossé des Dream Wave Duos Rive verbringt den ihr geschenkten Tag mit ihrer großen Liebe, sofern ich es mit meinen bröckeligen Resten aus Schul-Französisch verstanden habe. Mit verträumter Stimme malt sie sich diesen Tag aus, unterlegt mit einer Melodie, in der neben ein paar Streichern auch ein Xylophon eine verspielt verträumte Atmosphäre kreieren. Das Multitalent, US Amerikanerin Jenna Fearon trug als Songwriterin und Sängerin zu der fünften Geistergeschichte bei. Beim Klang dieser Stimme hätte ich jetzt nicht gedacht, dass der Song von einer Frau eingesungen wurde. Auch dieser Geist überlegt sich verschiedene Optionen den geschenkten Tag zu gestalten. Fliegen vielleicht? Oder tauchen? Wobei hier ist die Sicht schon ein wenig distanzierter – losgelöster. Hauptsache Musik begleitet diesen Geist. Entsprechend ist die Musik, die diese Überlegungen einbettet abwechslungsreich. Mal langsamer, bedächtig, mal wieder Tempo aufnehmend, verspielter, mit regulär gespielten Violinenklängen, mal mit gezupften Saiten. Der nächste Geist erscheint in stimmlicher Form von Agi Taralas (Our Banshee). Verpackt in mit einer schönen, teils pulsierenden Synth-Pop Melodie wird hinterfragt, ob es sinnvoll ist Gedanken und Sorgen zu verschwenden an die Menschen, die einen haben viel durchleiden lassen, wo eh alles eh vergänglich ist und wer überhaupt ist dafür zuständig eine Seele zur Verantwortung zu ziehen.

Kirlian Camera Sängerin Elena Alice Fossi betritt als siebter Geist die Bühne und dieser Song kommt so poppig daher, dass man unwillkürlich mit den Füßen wippt. Industrial könnte man tatsächlich den nächsten Song bezeichnen. Eine computergenerierte weibliche Stimme sagt, dass sie der Geist deines Vaters sei, verdammt, für eine bestimmte Zeit in der Nacht auf der Erde zu wandeln, während er tagsüber im Fegefeuer gefangen ist bis seine Strafe für begangene Sünden getilgt ist. Dieser Satz wird mehrfach, teilweise überlagernd, wiederholt von weiblichen Computerstimmen, allerdings mit den starken sprachlichen Akzenten als da wären z. B. französisch, spanisch, japanisch (?), etc., so dass man im ersten Moment glaubt, dieser Satz würde tatsächlich in der jeweiligen Sprache gesprochen. Erst bei genauerem Hinhören erkennt man, dass dieser Satz nach wie vor in englischer Sprache vorgetragen wird. Der Hintergrundsound lässt diese gesprochene Szenerie unheimlich wirken. Die niederländische Sängerin Yvette Winkler malt sich als Geist aus, der großen Liebe endlich nahe zu sein – einer unerfüllten Liebe zu Lebzeiten und was alles hätte sein können, aber da eine Liebeserklärung nie ausgesprochen wurde, geht dieses dunkle Geheimnis mit ins Grab. Unterlegt ist dieser melancholische Song mit einer beatlastigen Synth-Pop Melodie.

Mark Hockings von Mesh wählt als Geist die Kugelfessel, in der sein Name eingraviert ist, weil er es nicht ertragen kann, seinen Liebsten Schmerzen zu bereiten. Eingebettet ist der Song im exquisiten Trip-Hop Sound. Das dürfte von Jean-Marc Lederman mit Sicherheit durchaus beabsichtigt gewesen sein, kommt doch sowohl der Sänger, als auch seine Band aus Bristol, England, die Geburtsstadt des Trip-Hops. Der nächste Geist ist wieder weiblich und wird vertreten von Natasha A. Twentyone (Ambassador 21 und Suicide Inside). Pulsierende und kalte auf- und abschwellende Töne und eine verzerrte Stimme machen einem schnell klar, wenn man tot ist, dann ist auch alles vorbei. Fertig aus. Da wird auch nicht mehr großartig rum gespukt. Eine geisterhafte weibliche Stimme ruft um Hilfe, bevor Alice Gift, unterlegt mit einer flotten Synth-Pop Melodie, bei der ein paar Geigen zur Unterstreichung der Dramatik nicht fehlen dürfen, klar macht, dass es keinen interessiert, wenn man sich von der Bühne des Lebens verzieht. Außer diejenigen, die einem nahestanden und versuchten denjenigen von seinem Suizid abzuhalten und da wäre es nur anständig die Schuldgefühle denjenigen von den Schultern zu nehmen. Christa (La) Jerôme verleiht dem Thema eine Soul und R’n’B Note. Zusammen mit der passenden Melodie glaubt man, es gehe um ein verträumtes Liebeslied, aber in Wirklichkeit kommt dieser Geist als Racheengel zurück für alles, was ihr ihre Liebe angetan hat.

Ein paar daher geschrömmelte Gitarrenklänge und das Vogelzwitschern bilden das Outro. Die Geisternacht und all die Spukereien sind vorbei und ein neuer Morgen bricht an.

Fazit: Sicherlich kein Album für die Tanzfläche, obwohl einige Songs durchaus das Potential dazu haben. Eine spannende Frage, viele verschiedene Antworten und dazu jeweils von Mastermind Jean-Marc Ledermann passend maßgeschneiderte Melodien, die stilistisch völlig unterschiedlich sind, aber niemals den Hörfluss beim Durchhören des Albums stören. Meines Erachtens sehr gelungen umgesetzt.

13 Ghost Stories ist am 28. Februar via Dependent Records erschienen.

Tracklist JEAN-MARC LEDERMAN EXPERIENCE – 13 Ghost Stories:

01. By The Fireside (part I) (Jean-Marc Lederman)
02. The Dead Still Scream (Jean-Marc Lederman/ Christer Hermodsson)
03. Maybe (Jean-Marc Lederman/ Louise Fraser)
04. Brian Wilson Stole My Prom Date (Jean-Marc Lederman/ Stefan Netschio)
05. Nuages À L’envers (Jean-Marc Lederman/ Juliette Bossé)
06. The Tallest Building In Town (Jean-Marc Lederman/ Jenna Fearon)
07. Nothing Shall Remain (Jean-Marc Lederman/ Agi Taralas)
08. Upset Karma (Jean-Marc Lederman/ Elena Alice Fossi)
09. I’m The Ghost Of Your Father (Jean-Marc Lederman/ The Capella Robotic Association)
10. The Darkest Secret (Jean-Marc Lederman/ Yvette Winkler)
11. Ball & Chain (Jean-Marc Lederman/ Mark Hockings)
12. Last (Jean-Marc Lederman/ Natasha A Twentyone)
13. Last Woman Standing (Jean-Marc Lederman/ Alice Gift)
14. Watch Them All Dance (Jean-Marc Lederman/ Christa (La) Jerôme)
15. Everything Is Going To Be Fine In The End (Jean-Marc Lederman)

 

Weblinks JEAN-MARC LEDERMAN EXPERIENCE:

Homepage: http://www.jmlederman.com/
Facebook: https://www.facebook.com/jeanmarc.kollector/

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