“Gelungene Neuerfindung”
Ein Mädel an der Gitarre, ein Junge am Schlagzeug. Und dann können beide auch noch ganz gut singen und schreiben simple Songs zum Mitgrölen, zu denen man in Indie-Discos und auf Festivals fast schon zwingend ausflippen muss. Zugegeben: Mit den Liedern, mit denen sich Laura-Mary Carter und Steven Ansell gegen Ende des vergangenen Jahrzehnts in die Tanzbeine und Gehörgänge ihrer Fans spielten, haben viele Stücke auf Get Tragic nicht mehr viel zu tun. Doch eine genaue Auseinandersetzung mit der fünften Blood-Red-Shoes-LP lohnt.
Zunächst gilt: Der Titel ist Programm. Das Gros der zehn Songs (das völlig verzichtbare Interlude ignorieren wir der Einfachheit halber) klingt tatsächlich bedächtig, schwelgerisch, ja manchmal wirklich nach Tragik. Bedeutet: Carter und Ansell nehmen das Tempo über weite Teile des Albums raus. Und das funktioniert beim Opener Eye To Eye so hervorragend wie noch nie zuvor in mittlerweile 15 Jahren Bandgeschichte. Das Lied erzeugt einen Spannungsbogen, der sich nach 80 Sekunden in einem fantastischen Refrain entlädt. Dieser wird von kräftigen, dunklen Synthies gestützt – ja, Blood Red Shoes benutzen nun tatsächlich Synthies und werden Angaben bei aktuellen Interviews zufolge bei zukünftigen Konzerten auch nicht mehr nur zu zweit auf der Bühne stehen.
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Immerhin noch zwei Hits für die Indie-Disse
Rock-Puristen dürfen danach zunächst aufatmen. Das bereits bekannte Mexican Dress und vor allem Bangsar (Liebe Indie-DJs, den bitte umgehend in Eure Sets aufnehmen, Ihr werdet es nicht bereuen) bestechen durch Eingängigkeit, mitreißende Riffs und treibendes Drumming. Zwei Songs, die auch perfekt auf die beiden ersten Alben Box Of Secrets und Fire Like This gepasst hätten. Darauf folgt allerdings der nächste Schock: Auf Nearer benutzt Laura-Mary Carter einen Stimmenverzerrer – und klingt plötzlich allen Ernstes wie Beth Gibbons auf dem ersten Portishead-Album. Auch musikalisch bedient sich der Titel bei den Trip-Hop-Legenden aus Bristol. Hat man sich nach dem ersten Schock darauf eingelassen, entpuppt sich Nearer vor allem aufgrund des starken Chorus als weitere Perle.
Ähnlich entschleunigt, immer mal wieder mit sachten E-Drum-Beats und Keyboards versetzt, schallen auch die meisten der weiteren Songs aus dem Lautsprecher. Besonders gelungen dabei die von Steven gesungene Ballade Find My Own Remorse und das abschließende Elijah – auch hier sitzen die Refrains wie eine Eins und sofort im Ohr. Schwächeln tun Blood Red Shoes in Albumhälfte zwei aber ausgerechnet in ihrer bisherigen Paradedisziplin. Howl und Anxiety wirken wie zwei Alibi-Songs, die nur auf Get Tragic landeten, um die Alt-Fans nicht völlig zu verschrecken. An frühere Großtaten reichen beide im Gegensatz zu den bereits erwähnten Mexican Dress und vor allem Bangsar nicht mal im Ansatz heran.
Fazit: Nach zwei eher mäßigen Alben ist dem Duo aus Brighton der Neustart im Großen und Ganzen geglückt. Wie die Mehrheit der Fans den doch recht radikalen Stilwechsel aufnimmt, bleibt aber zunächst abzuwarten. Vorstellen werden Blood Red Shoes die neuen Stücke im Februar bei zwei längst ausverkauften Gigs in Hamburg und Berlin sowie am 30. Mai beim Puls Festival auf Schloss Kaltenberg und am 1. Juni beim Way Back When Festival in Dortmund – vielleicht wissen wir danach schon mehr.
Get Tragic erscheint am 25. Januar via Jazz Life.
Tracklist BLOOD RED SHOES – Get Tragic
01. Eye To Eye
02. Mexican Dress
03. Bangsar
04. Nearer
05. Beverly
06. Find My Own Remorse
07. Howl
08. Interlude
09. Anxiety
10. Vertigo
11. Elijah
Weblinks BLOOD RED SHOES
Facebook: www.facebook.com/bloodredshoes
Instagram: www.instagram.com/bloodredshoesuk
Homepage: www.bloodredshoes.co.uk
Blood red shoes wurden 2004 gegründet, das sind 15 Jahre und nicht 12. Fast alle Magazine schreiben da falsche Informationen. Und die letzten beiden Alben waren vor allem nicht mäßig
Gut, dass wir aufmerksame Leser haben 😉 Fehler ist korrigiert. Und das mit den vergangenen beiden Platten – nun ja, das ist eben Geschmackssache …