FAMILY FIRST FESTIVAL 2018 – Köln, Palladium (02.02.2018)

Fotos: BOYSETSFIRE
Boysetsfire, © Michael Gamon
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“America first”? Nix da: Family first! Unter diesem Motto haben sich Boysetsfire Freunde und Bekannte eingeladen und das Palladium zu Köln geentert. Und familiär ging es auch zu als sich jung und alt trafen, um mehrere Jahrzehnte der gepflegten (Punk)Rock Musik zu feiern. Den Anfang machten AYS aus Wegberg/Düsseldorf. Der Fünfer bietet solide Hardcore-Punk-Kost an, mit einem extrem aggressiv-kehligen Schrei-Gesang. Zu diesem Zeitpunkt war die Halle nur halb gefüllt (17 Uhr an einem Freitag Nachmittag ist in Köln eben noch äußerst früh), aber vor allem Frontmann Schommer verausgabte sich so sehr, dass er nach dem relativ kurzen Set völlig durch war.

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Das Publikum war dagegen noch frisch und hungrig und begrüßte nach einer kurzen Toiletten/Getränk-Pause Great Collapse. Die Punk-Supergroup (Mitglieder von Set Your Goals, Rise Against, Death By Stereo) um Strike Anywhere Frontmann Thomas Barnett spielt glasklaren, aber dynamischen Melodic-Punk-Rock. Die Musiker setzten – die zugegebenermaßen nicht sonderlich ausgeklügelten Songs, aber hey, das ist Rock’n’Roll! – tight um und drückten allesamt ordentlich aufs Gas. Einzig Barnett lag in der ersten Hälfte des Sets gesanglich leider neben seinen Kollegen. Gegen Ende passte aber alles und das sich weiter füllende Palladium nahm es dankbar an. Next up: die Post-Hardcore-Shootingstars der vergangenen Jahre – Fjørt. Das Trio aus Aachen stieß als Special Guest erst später zum Line-Up dazu und wurde so herzlich wie man es sich auf einer “Family First”-Tour nur wünschen kann, aufgenommen. Die deutschen Texte waren klar zu verstehen und verstärkten die Atmosphäre, die Fjørt nicht nur mit ihrer Präsenz, sondern auch besonders mit ihrer stellenweise flächigen Musik erzeugen, verstärkt. Die Band vom Label Grand Hotel van Cleef (Kettcar) präsentierte bekannte Stücke sowie auch neue Musik aus ihrem aktuellen Album Couleur und machten auch in ihren Ansagen mobil gegen Faschisten aller Art. Sie setzten dem Abend den ersten großen Stempel auf und brachten Bewegung in das bis zu 4.000 Leute fassende Venue. Springen, Pogo, Mitsingen – alles was das Konzertbesucher-Herz begehrt.

Das nächste große Ausrufezeichen – vor dem Main-Act, den Gastgebern Boysetsfire – kam von Dave Hause, der seine Band The Mermaids um sich versammelte. Er lebt “Family First” und setzt auf seinen Bruder an der Leadgitarre. Der Singer-Songwriter sowie Frontmann der Punk-Band The Loved Ones entwickelt sich bereits seit einigen Jahren in die Richtung Bruce Springsteen und wäre tatsächlich ein verdienter Erbe auf den Stadion-Rock-Pop-Thron. Der bald 40-Jährige hat bei der Show allen gezeigt, wie Rock geht, und fegte über die Bühne, wie kein Zweiter an diesem Abend auf dieser Bühne. Er peitschte so nicht nur seine Meerjungfrauen nach vorne, sondern auch die Zuschauer, die allerdings ein paar Songs brauchten, um den musikalisch auffälligen Bruch zu verarbeiten. Letztlich wurden alle mitgerissen und haben bei Time Will Tell, spätestens aber beim Tom Petty Cover-Song Won’t Back Down lauthals mitgesungen. Dirty Fucker wurde wie gewohnt dem derzeitigen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewidmet und die Stimmung war ordentlich angeheizt für den Headliner.

Setlist DAVE HAUSE & THE MERMAID @ Family First Festival 2018, Köln, Palladium (02.02.2018):

01. Bury Me In Philly
02. Autism Vaccine Blues
03. The Mermaid
04. C’mon Kid
05. The Flinch
06. The Shine
07. Louisiana (The Loved Ones Song)
08. Time Will Tell
09. Dirty Fucker
10. We Could Be Kings
11. I Won’t Back Down (Tom Petty Cover)
12. With You

Wenn man an der Theke Gespräche mitbekommt wie: “Italien hat 42 Millionen in den Sand gesetzt, jetzt muss ich ein Schreiben an den Minderheitsbeteiligten fertig machen”, darf man sich schon mal fragen, wo denn der Punk geblieben ist. Der ist nicht zuletzt auf der Bühne geblieben: Denn entern die Melody-Hardcore-Punker von Boysetsfire nämlich die Bühne, weiß man wo der Hammer hängt. Bereits beim Intro, noch bevor ein riesiges Banner den Blick auf die Bühne freigegeben hat, haben ausnahmslos alle im Saal – egal ob 20 oder 50 Jahre alt – mitgesungen. Und so blieb das bis zum Ende des Auftritts. Boysetsfire waren super aufgelegt und gaben alles für ihre treuen Fans. Die Songs sind der Band merklich in Fleisch und Blut übergegangen, die können sie im Schlaf spielen. Aber viel wichtiger: Man konnte zu jeder Sekunde den Bock und die Leidenschaft der – inzwischen etwas ergrauten – Herren spüren. Sänger Nathan Gray lieferte auf den Punkt ab und wurde zum Glück nicht komplett von den Boysetsfire-Anhängern übertönt. Was für eine emotionale Show, Schweiß, Blut, Tränen und Gänsehaut garantiert. Die Setlist bestand erwartungsgemäß aus sämtlichen “Hits” und ließ niemanden enttäuscht nach Hause fahren.

Und nicht vergessen, Freunde: Familie zuerst!

Setlist BOYSETSFIRE @ Family First Festival 2018, Köln, Palladium (02.02.2018):

01. After The Eulogy
02. Release The Dogs
03. Requiem
04. Deja Coup
05. Last Year’s Nest
06. Never Said
07. Handful Of Redemption
08. Cutting Room Floor
09. Closure
10. With Every Intention
11. (10) And Counting
12. Eviction Article
13. Until Nothing Remains
14. Vehicle
15. The Misery Index
16. Bled Dry
17. Rookie
18. Walk Astray
19. My Life In The Knife Trade
20. Empire

Fotograf: Michael Gamon

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