“Im Weltraum hört dich niemand schreien.”
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2034: Die Kirche der Kinder des A.T.O.M. (Abandoned Territories Of Mankind) glaubten, dass ihr Gott A.T.O.M. jenes Jahr für ein herausragendes heiliges Ereignis auserkoren hat. Doch sie haben sich geirrt …
Für Visionäre ist der Weltraum ein Ort grenzenloser Ambitionen und die Verheißung auf Antworten existenzieller Fragen. Trotzdem gibt es wohl kaum einen Platz, der für den Menschen lebensunwirtlicher, gefährlicher und schwerer zu kontrollieren ist – beherrscht von Kälte, Stille und Einsamkeit. Der Weltraum ist das Synonym für die Ambivalenz des Neuen und Unbekannten. Eigentlich alle bekannten Geschichten von Jules Verne bis Stanley Kubrik, die sich mit der “Welt da draußen” auseinandersetzen, fußen auf diesem Gleichnis. Musikalische Annäherungen an das Thema machen hier keine Ausnahme, egal ob man nun Planets von Gustav Holst, der die Erhabenheit des Weltalls, mythologisch gefärbt, in den Mittelpunkt stellt oder David Bowies Space Oddity hört, in welcher die eben beschriebene Ambivalenz sehr eindrücklich eingefangen wird.
Artaud Seth und Ashley Dayour gehen mit Near Earth Orbit da sogar noch einen Schritt weiter, in dem sie dem Ganzen ein eigene Storyline verpassen. Das Projekt um die letzten Tage der Menschheit auf der Erde und ihrem Aufbruch ins Unbekannte ist bis ins kleinste Detail durchkonzeptualisiert. Das reicht von einer eigenen Homepage, auf der man das Geschehen via Satellitenaufnahmen verfolgen kann, über endzeitliche Bühnenoutfits bis hin zu einer schriftlich ausformulierten Fortsetzungsgeschichte, die man beim Erwerb der CD erhält.
To understand your past
Look to your future
Near Earth Orbit lassen dabei Elemente aus Literatur, Mythologie, Wissenschaft, Philosophie und Film zu einem düsteren und bedrohlichen Endzeitszenario verschmelzen, das die Hintergrundgeschichte beinahe haptisch werden lässt. Man hört vom Multiversum, von Lucifer oder Nine Billion Names Of God, wahrscheinlich inspiriert durch die gleichnamige Kurzgeschichte von Arthur C. Clarke. Wodurch auch schon die Verbindung zur Mutter aller Weltraum-Epen 2001: Odyssee im Weltraum hergestellt sei. Allerdings, soviel sei verraten, gaunern sich Near Earth Orbit nicht eine Minute in Gestalt heischender Epigonen an den beinahe schon heiligen Stoff heran, sondern sind im Stande ihre ganz eigene Geschichte zu spinnen.
Im vierten Teil dieses dystopischen Weltraumepos A.T.O.M. tritt, deutlicher noch als bei den Vorgängeralben, der Soundtrack-Charakter in den Vordergrund. So fühlt man sich beim Hören von Moonlet Pan, eines der wunderschönen Ambient-Stücke auf A.T.O.M. beinahe schwerelos, voller Ruhe und ein wenig beklommen angesichts der unfassbaren und übermächtigen Weite und Schönheit des Raums, der man schutzlos ausgeliefert ist.
The future is a beautiful place
Overlords und Nine Billion Names Of God, die beiden Opener auf A.T.O.M., gehören zu den heftigsten und apokalyptischsten Stücken der gesamten Near Earth Orbit Reihe. Hier prallen Doom, Elektronik mit infernalischen Wucht auf schwärzesten Goth-Rock – mit das innovativste, das ich in letzter Zeit aus dem Hause Solar Lodge hören durfte. Bei Fans dürften solche atmosphärischen Stücke Assoziationen zu Science-Fiction Produktionen der letzten Jahre wie das Rollenspiel Mass Effect oder die erdrückend-dystopische Serie The Expanse wachrufen.
Alone
Eternal
Forseen
Forgotten
All lost
In you
Die herausragensten Stücke, sofern man sich da überhaupt festlegen möchte, sind Lucifer Rising und der Titelsong A.T.O.M. Ersterer greift getragen von einem einfachen, traurigen Piano-Thema die Stimmung von Moonlet Pan auf. Ein immer lauter werdendes Dröhnen und ein immer bedrohlicheres Hämmern, dazu Artaud Seths anschwellende und wieder ruhiger werdende dunkle Stimme erzeugen eine Stimmung, die sowohl beklemmend und angsterfüllend ist, als auch Gelassenheit und Zuversicht erzeugt. A.T.O.M. besticht durch seinen herausragenden, hypnotisierenden Text. Zusammen mit dem tanzbaren, in der zweiten Hälfte des Songs, rasend anschwellenden Beat erhält man für seine Endzeit auch noch den dazu passenden Club-Sound.
Beyond anything is everything
Endzeitlich angehauchte Alben findet man derzeit einige unter den Neuveröffentlichungen, aus denen Konzept und musikalische Qualität von Near Earth Orbit immer wieder herausstechen. Mit ihrem vierten Album, gelingt es ihnen, da noch einen drauf zusetzen. A.T.O.M. ist ungemein fesselnd, bemerkenswert und von zerstörerischer Schönheit.
A.T.O.M ist am 06.10.2017 bei Solar Lodge erschienen.
Anspieltipp: Nine Billion Names Of God
Tracklist NEAR EARTH ORBIT – A.T.O.M. (Abandoned Territories Of Mankind):
01. Overlords
02. Nine Billion Names Of God
03. Paths
04. Moonlet Pan
04. Lucifer Rising
05. A.T.O.M.
06. The Last Theorem
07. Life Beyond Earth
Weblinks NEAR EARTH ORBIT:
Official: http://www.nearearthorbit.org
Facebook: https://www.facebook.com/NearEarthOrbit
Label: https://eshop.t-online.de