SCHANDMAUL & KRAYENZEIT – Hamburg, Stadtpark Open Air (05.08.2017)

SCHANDMAUL & KRAYENZEIT – Hamburg, Stadtpark Open Air (05.08.2017)
Schandmaul © Thomas Papenbreer
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Schandmaul braucht man eigentlich niemandem mehr vorzustellen. Seit beinahe 20 Jahren hat sich die Band als feste Größe am Firmament des Mittelalter-Rocks etabliert und damit einen festen Platz in den Herzen einer riesigen Fan-Gemeinde erspielt. Ihr aktuelles Album LeuchtFeuer ging auch straight auf die Nummer eins der Albumcharts und verharrte dort ganze neun Wochen. Für eine Band aus einem Spartengenre ist das nicht nur eine Sensation, man kann sogar mit Fug und Recht behaupten, dass die Münchner damit ein Stück weit den Sprung in den Mainstream geschafft haben. Und so verwundert es nicht unbedingt, dass im Stadtpark Open Air sehr viel buntes Volk und vor allem auch sehr viel Volk (ca. 4.000 Besucher) bei lauem, nicht regnerischem Wetter (dieses Jahr bei uns im Norden eher eine Seltenheit) anzutreffen ist. Der Beginn ist auf 18:00 Uhr terminiert: eine sehr familienfreundliche Zeit, an einem sehr familienfreundlichen Ort. Viele haben deswegen auch ihre Kinder mitgebracht um beide Konzerte zu erleben.

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Das Stadtpark Open Air ist sehr idyllisch in die Großstadt eingebettet. Es gibt dort sehr viel Grün, die Bühne ist von hohen Hecken und dichten Bäumen umgrenzt. Vor der Bühne erhebt sich ein ca. ein Meter hohes, begrüntes Plateau, in dessen Mitte ein schmaler Steg die Verbindung zum Publikum herstellt. Als Veranstaltungsort hat sich das Stadtpark Open Air ein sehr vielfältiges Programm auf die Fahnen geschrieben. Uns so kann es schon mal vorkommen, dass sich auch mal Roland Kaiser und Patti Smith die Klinke in die Hand geben. Heute sind es aber erst einmal Schandmaul, die sich Krayenzeit als Verstärkung mitgebracht haben.

Das heutige Konzert ist, zusammen mit dem auf dem M’era Luna (12.08.), der letzte Auftritt vor der großen Sommerpause der überaus erfolgreichen LeuchtFeuer-Tour, bevor es dann im Oktober weitergehen wird. Das heutige Konzert wird darüber hinaus auch eines der letzten sein, an dem Anna Katharina Kränzlein mitwirkt. Zur Sommerpause wird die Geigerin aus familiären Gründen leider die Band verlassen. Und so mischte sich bereits im Vorfeld bei dem ein oder anderen Fan auch ein wenig Wehmut in die Vorfreude.

Doch bevor es losgeht, kommt es noch zu einem kleinen Schockmoment. Markus “Engel”fried, der Sänger der kreischenden schwarzen Vögel hat sich offenbar kurz vor dem Auftritt am Rücken verletzt. Ob nun ein eingeklemmter Nerv oder eine nach vorn gefallene Bandscheibe dafür ursächlich die Verantwortung trägt, beide möglichen Gerüchte machen die Runde. Wahrscheinlich weiß man es auch noch nicht so genau, was aber sofort klar wird: der anstehende Gig wird damit fraglich. Also heißt es erstmal warten.

Schließlich tauchen Krayenzeit doch auf: mit verkürzten Set und einem sitzenden Sänger. Hut ab vor so viel Professionalität! Selbstverständlich verliert der Auftritt dadurch etwas an Dynamik, aber das scheint den anwesenden Fans völlig egal zu sein. Sie feiern die Ludwigsburger, die vor allem Songs ihres aktuellen Albums Tenebra spielen. So startet man auch mit dem gleichnamigen Song und bringt das Publikum damit schnell auf seine Seite. Die Akustik ist richtig gut und so kann nicht nur Markus’ markante Stimme sehr gut zur Geltung kommen, es sind auch alle Instrumente, wie Geigen und Drehleier (nicht immer selbstverständlich), zu hören. Bei In Vino Veritas, Feugefeuer und Krayenzeit kann also ausgiebig mitgegrölt werden. Krayenzeit wird sich nach diesem Abend bestimmt über den einen oder anderen neuen Fan freuen können. Unter tosendem Applaus verlässt die Band die Bühne und mach Platz für die Meister des beschwingt-mittelalterlichen Story-Tellings.

Schandmaul sind live ein Phänomen. Legendär sind ihre schweißtreibenden Auftritte, die selten weniger als drei Stunden dauern. An diesem Abend hingegen spielen die Münchner lediglich ein 2-stündiges Set. Wer Schandmaul jedoch kennt, weiß, dass dies wahrscheinlich nicht die erklärte Entscheidung der Band gewesen sein dürfte. Dafür sind Schandmaul ihre Fans einfach zu wichtig. Viel eher dürften Lärmschutzauflagen der Grund gewesen sein, da der Veranstaltungsort in unmittelbarer Hörweite zu Wohnhäusern liegt.

Geschenkt, es ist weniger wichtig wie lange, sondern wie heftig man Gas gibt. Die Bühne ist in Windeseile umgebaut, denn auf das aufwendige LeuchtFeuer-Bühnenbild wird heute verzichtet. Eröffnet wird mit Orleans, von dem aktuellen, leicht maritim angehauchten Album. Die Fans stehen sofort wie ein Mann hinter Thomas Lindner und seinem bunten Haufen. Die Band präsentiert einen ausgewogenen Mix aus altem und neuem Liedgut: mitreißende und gediegene, überdrehte und nachdenkliche Nummern wechseln einander gekonnt ab und beweisen einmal mehr, was für ein gutes Händchen die Band für Auftritte und das Ohr ihrer Fans hat.

Thomas Lindner gibt zwischen den Songs immer wieder den Geschichtenerzähler, um auf diese Weise einzuleiten und die dafür notwendige Stimmung zu erzeugen. Das Publikum hängt förmlich an seinen Lippen, um so das nächste Lied schon im voraus zu erraten. Spätestens bei Songs wie Drachentöter und Walpurgisnacht ist dann alles vorbei. Selten habe ich ein so selig-eskalierendes Publikum gesehen! Selten habe ich Fans gesehen, die text-sicherer waren.

Zusammenfassend kann man sagen: ein sehr gelungener, wunderschöner Sommerabend in Hamburg mit einem routinierten, gewohnt mitreißenden Auftritt beider Bands.

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