Nach einem ereignisreichen Samstag gab es zahlreiche gute Gründe, sich auf den zweiten regulären Tag von Deutschlands drittgrößtem Gothic-Festival zu freuen.
Der Tag auf der Mainstage begann erneut mit synthetischen Klängen. Nach den eher unspektakulär agierenden Briten von Massive Ego entpuppte sich der zweite Auftritt des Tages als absolute Perle. Camouflage-Sänger Marcus Meyn startete unlängst ein Nebenprojekt namens M.I.N.E., welches sich klanglich nicht zu weit von seiner Hauptband abhebt. Was bei wunderschönen Songs wie Things We’ve Done und Dangerous überhaupt nicht schlimm ist. Ganz im Gegenteil: Ergänzt mit Live-Drums, Gitarre und Keys sowie drei der größten Hits aus der langen Camouflage-Historie konnten die Zuseher hier einen der handwerklich und musikalisch herausragendsten Acts des Wochenendes begutachten.
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02. That Smiling Face (Camouflage)
03. Dangerous
04. Shine (Camouflage)
05. White Trash
06. Things We’ve Done
07.The Great Commandment (Camouflage)
08. You Were There
Minimalistisch begann der Sonntag zur gleichen Zeit im Theater. Carl Nilsson nennt sich Lucifer’s Aid, kommt aus Schweden und klingt wie ein Belgier. Kraftvoller, monotoner, dunkler Electro-Industrial mit Stimmgewalt für Fans von Dive oder den Frühwerken von Suicide Commando.
Nicht alles rund lief hingegen bei Stahlmann. Den NDH-Rockern um Sänger Martin Soer spielte die Technik gegen Ende des Sets nicht nur einen Streich. Ärgerlich, wenngleich sich die Fans den Spaß nicht vermiesen ließen. Überraschend: Die Göttinger Band scheint sich von ihrem Markenzeichen, dem silbernen Bodypainting verabschiedet zu haben. Ob dies in Zukunft so bleibt? Die Fans von Das Ich durften sich danach jedenfalls weiter an einem farbenfrohen Auftritt erfreuen, denn Fronter Stefan war wieder komplett rot bemalt und ist mittlerweile auf der Bühne wieder ganz der Alte. Einfach unglaublich, wie er seine schwere Krankheit weggesteckt hat. Uns und die vielen Fans vor der Bühne freute es, zumal auch die Show der drei, nicht nur optisch, wieder so einiges zu bieten hatte. Gottes Tod, Destillat, you name it… you got it! Klasse!
02. Adrenalin
03. Stahlmann
04. Der Schmied
05. Spring
06. Plasma
07. Wahre Liebe
08. Schwarz
09. Tanzmaschine
10. Süchtig
Die Apokalypse naht
Derweil im Theater: 14:05 Uhr, es wurde Zeit für die Apokalypse. Zumindest so in etwa. Near Earth Orbit lieferten, unterstützt mit mehreren Screens und hochatmosphärischer Videoshow, den Sound zum prophezeiten Weltuntergang. Abwechslungsreiche Düster-Musik mit viel Schmackes, die man so wahrhaftig nicht immer geboten bekommt – dies honorierte auch die im Vergleich zu Lucifer’s Aid deutlich in ihrer Anzahl gestiegene Zuschauerzahl. Interessant: Nach dem Horrorpunk-Zwischenspiel von The Other durfte NEO-Sänger Artaud Seth mit seiner Hauptband Merciful Nuns direkt noch einmal ran. Charakteristisch auch hier die zahlreichen Screens mit erdrückenden Video- und Textsequenzen inmitten des klassischen Gothrock-Sounds (DG).
02. Planet X
03. Abandoned World
04. The Warning
05. Observing The Sun
06. Them
07. Jupiter Ignition
08. Kepler 1871
09. Earth Research
10. Ignition Started
02. Skeletons
03. Nie mehr
04. Transylvania
05. Bloodsucker
06. Drieming op de Doebel
07. Puppet On A String
08. End Of Days
09. Beware Of Ghouls
10. Der Tod steht dir gut
11. Lovers Lane
12. Dunkelheit
13. We All Bleed Red
14. Tarantula
02. Cremation
03. Body Of Light
04. Karma Inn
05. Eternal Decay
06. Allseeing Eye
07. Exosphere
08. Blackbody/Ultraviolet
09. Passing Bell
10. Thelema
Auf dem Schiff eröffnete das sogenannte „Future-Wave-Projekt“ We Are Temporary des New Yorkers Mark Roberts den Tag. Danach wurde es im Innendeck der MS RheinEnergie speziell – und richtig voll. Käpt’n Rummelsnuff spielte – wie hätte es auch anders sein können – auf dem Schiff. Zugegeben: Der Mix aus kuriosen deutschen Texten, Akkordeon und dezenter Electronica ist wirklich arge Geschmackssache. Daran ändern auch die Stripeinlagen des Käptn’s und seiner Mitstreiter nichts. Aber: Die Anwesenden hatten ihren Spaß.
Nicht viel weniger speziell ist die lyrisch wie musikalisch ultra-monotone EBM von Orange Sector. Funktional bleibt die Oldschool-Mucke der Hannoveraner jedoch allemal. Die dicken Moshpits gab es allerdings nicht auf dem Dampfer, sondern am Tanzbrunnen. Egal, ob mit Rabia Sorda oder wie am Amphi-Sonntag mit Hocico: Wenn Wirbelwind Erk Aicrag die Bühne betritt, geht auf und vor dieser die Post ab. Was sich zunächst nicht ändern sollte: Von vielen früheren Fans werden Combichrist seit dem radikalen Stilwechsel von Aggrotech zu Metal verachtet – live gibt es aber kaum Bands auf diesem Planeten, die ein höheres Energielevel gehen. Die Kombination der drei brauchbaren Songs vom ziemlich grausigen letzten Album mit vielen altgeliebten Klassikern funktionierte bestens.
02. Blut Royale
03. Skullcrusher
04. Throat Full Of Glass
05. No Redemption
06. Zombie Fistfight
07. Exit Eternity
08. My Life My Rules
09. Get Your Body Beat
10. Shut Up And Swallow
11. Can’t Control
12. Maggots At The Party
13. Sent To Destroy
Winterkälte mit ihrem charakteristischen Noise sowie Ordo Rosarius Equilibrio bedienten zur selben Zeit eine ganz andere Klientel. Die Schweden hätten dabei beinahe gar nicht auftreten können – auf dem Flug von Skandinavien ins Rheinland ging ihr Gepäck verloren. Vor ungewohnt viel Nebel lieferte der Trupp um Sänger Tomas Pettersson mit geliehenem Instrumentarium seinen typischen Neofolk ohne viele Schnörkel. Zwei ganz besondere Perlen durften das Festival auf dem Schiff beschließen. (DG)
Die Isländer Legend kann man ohnehin nie genug loben. Es wird einfach allerhöchste Zeit für Midnight Champion, den Nachfolger zum 2012er-Sensationsdebüt Fearless. Den Titeltrack und einen weiteren neuen Song hatten Krummi Björgvinsson und Co. nebst der altbekannten Kracher im Gepäck. Für den krönenden Abschluss sorgte das italienische Künstlerkollektiv Kirlian Camera um die charismatische Frontfrau Elena Alice Fossi, die vor einem begeisterten Publikum ein abwechslungsreiches Set darboten.
Musikalische Gegensätze im Theater
Die zweite eher folkig-mitteralterlich orientierte Gruppe des Festivals sorgte derweil im Theater für gute Laune. Letzte Instanz werden wohl nie so groß wie Subway To Sally, Schandmaul oder In Extremo, sind aber ein Garant für solide guten deutschsprachigen Rock zwischen Cello, Violine und E-Gitarre. So auch an diesem Abend.
02. Blutmond
03. Flucht ins Glück
04. Blind
05. Der Garten
06. Tränen aus Stein
07. Todeskomm
08. Finsternis
09. Weiß wie der Schnee
10. Von Anfang an
Zu guter Letzt hieß es: Weg mit den handgespielten Instrumenten, her mit Laptops und Maschinen. Electro-Tausendsassa Daniel Myer hatte zahlreiche Weggefährten von früher bis heute um sich geschert, um den Amphi-Besuchern als Rausschmeißer ein ganz besonderes Erlebnis zu bieten. Nacheinander betraten Eskil Simonsson (Covenant), Sven Friedrich (Solar Fake), Jean-Luc De Meyer (Front 242), Tomas Tulpe, Boris May (Klangstabil) und Andy LaPlegua (Combichrist) die Bühne und sangen entweder alte Songs aus Myers großem Repertoire oder neue Mixe ihrer eigenen Stücke, welche der umtriebige Leipziger kürzlich angefertigt hat. Einiges von Destroid, ein wenig Haujobb, ein paar bekannte Songs wie Covenants Lightbringer oder Klangstabils Math & Emotion im neuen Gewand – und zum krönenden Abschluss eine Synthie-Pop-Version von Combichrists „Johnny Cash-Gedächtnis-Ballade“ The Evil In Me – ein wahrhaftig spezielles und erfolgreiches Konzept. Nachahmer wären wünschenswert!
Widmen wir uns zum Ende der großen Amphi-Nachlese noch den nominell größten Bands des Tages und dem Abschluss auf der Hauptbühne. Vergeblich warten Fans von Apoptygma Berzerk schon lange auf ein neues vollwertiges Album – die zugegeben starke, sehr ambient-esque EP-Compilation Exit Popularity Contest lassen wir hierbei mal außen vor. So performten Stephan Groth und Konsorten einmal mehr ein Best-Of-Set. Dies stellte dafür wohl jeden Fan zufrieden. Die Norweger werden seit Jahren auf den Festivals im deutschsprachigen Raum in höchstem Maße zurecht abgefeiert – wann gibt es endlich mal wieder eine richtige Tour? Die Apop-Diskographie hat einfach zu viele Knaller zu bieten, als dass man sie auf Konzerten jahrelang immer nur auf 60 Minuten komprimieren kann …
02. Starsign
03. Shadow
04. Asleep Or Awake?
05. Deep Red
06. Eclipse (OE Remix)
07. Non-Stop Violence
08. Kathy’s Song
09. Love Never Dies
10. Until The End Of The World
11. Major Tom
Der Letzte macht das Licht aus – in diesem Jahr durfte einmal mehr der „Checker“ den Schalter betätigen. Eisbrecher liefern seit Jahren zuverlässig ab und gehören im Jahre 2017 zur absoluten Spitze der Goth-Szene in Deutschland. Ob man das nun gut findet oder nicht: Wer so viele Hits produziert, die Fans derart mobilisieren kann und zusätzlich einen Charme- und Charisma-Bolzen wie Alex Wesselsky als Frontmann hat, der verdient sich den Headliner-Slot halt. Vom Ende August erscheinenden Longplayer Sturmfahrt spielten die Bayern nur die bereits bekannte Single Was ist hier los? – sonst gab es bei bester Stimmung ein buntes Potpourri aller Schaffensphasen.
02. Willkommen im Nichts
03. Augen unter Null
04. Fehler machen Leute
05. Leider
06. Was ist hier los?
07. Prototyp
08. Himmel, Arsch & Zwirn
09. So oder so
10. Eiszeit
11. 1000 Narben
12. Miststück
13. This Is Deutsch
14. Ohne dich
So ging das 13. Amphi zu Ende – das 14. ist bereits terminiert. Im kommenden Jahr sind Tanzbrunnen und MS RheinEnergie für den 28. und 29. Juli reserviert. Wir freuen uns drauf!
Redaktion: Patrick Friedland, Dietman Grabs (DG)