“Eine Momentaufnahme im künstlerischen Schaffen des Ausnahmeprojektes: unmittelbar, direkt und authentisch”
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Rome sind und waren immer schon Feuilleton.
Selbst, wenn man das Ausnahmeprojekt von Jérôme Reuter im Destillat des intelligenten Neo-Folk genauer betrachtet, aus dem bereits alle Epigonen des Genres herausgefiltert wurden, erreichen Texte und Melodien einen intellektuellen Gleichklang, dass man sich als Hörer mitunter schrecklich ungebildet fühlt.
Die Luxemburgische Band liefert einzigartige musikalische Arrangements zwischen Chanson, Dark Ambient, Apocalyptic Folk und Coldwave. Rome zeigen sich inspiriert von Lyrikern und Schriftstellern wie Camus, Genet oder auch Shakespeare – allesamt große, wie streitbare Geister ihrer eigenen Epoche. Die Songs handeln von den Gestrauchelten, den Gescheiterten, den Zweiflern, den Ausgestoßenen und den Gejagten. Die meisten von ihnen finden ihr Setting im vergangenen Jahrhundert, dem Zeitalter der Extreme, der Hoffnungslosigkeit und des Neubeginns, das uns geprägt, verstört und mit vielen offenen Fragen zurückgelassen hat.
Jérôme Reuter widmet sich diesen Fragen in seinem Gesamtwerk. Er greift das dem Neo-Folk innewohnende Konzept von “Emptiness” auf, verknüpft es mit dem Gefühl der Entwurzelung seiner Protagonisten und erschafft daraus eine düstere Melancholie aus Verlorenheit. Er selbst nimmt die Rolle des dunklen Chansonniers ein. Daraus erwächst eine Synthese, die beim Hören ein so unglaubliches Gefühl tiefen Sehnens auslöst, das im Grunde nur noch durch die herausfordernde lyrische Ausgestaltung und die Komplexität der vielschichtigen Arrangements übertroffen wird. Ja, Rome ist eine Band für alle, die Lust auf das Bohren dicker Bretter haben.
Und als ob das nicht schon reichen würde: Rome gehören obendrein noch zu den produktivsten Bands des Genres. Auf 16 Veröffentlichungen kann Jérôme Reuter innerhalb seiner 12-jährigen Schaffensperiode mit Rome zurückblicken. Darunter befinden sich Mammut-Alben wie Die Æsthetik der Herrschaftsfreiheit, das unter einem einzigen konzeptionellen Schirm schon allein Material für ganze drei Veröffentlichungen bieten würde. Bisher fand sich darunter allerdings noch kein Live-Album.
Das ändert sich nun mit Hansa Studios Session bis zu einem gewissen Grad. Aufgezeichnet wurde live, denn für das Album wurde konsequent immer das erste Take genommen. Die Song-Auswahl spiegelt die Quintessenz der zuvor zu Ende gegangenen Tour wider. Ganz bewusst wollten Rome mit Hansa Studios Session eine Momentaufnahme des Künstlers zu dieser Zeit (dem 02. Oktober 2016) und an diesem Ort (einem der namhaftesten Tonstudios der Welt) einfangen.
Nur das Publikum fehlt und anstatt der üblichen zwei Stunden für ein Konzert ließ man sich insgesamt 14 Stunden Zeit und vertraute das Unterfangen den erfahrenen Ohren und Händen von Michael Ilbert an. Der schwedische Ton-Künstler hat nicht nur neben einer Vielzahl weitere Preise auch einen Grammy auf dem Kaminsims stehen, sondern auch ein eigenes Tonstudio im Hansa-Komplex Berlin. Wer so überlegt in exzellentes Understatement investiert, erhält am Ende seiner Bemühungen exzellentes Understatement. Selbst die Gestaltung des Covers lässt bei dieser Form von Kompromisslosigkeit keine Zweifel mehr aufkommen.
Unter den ausgewählten acht Songs befinden sich Klassiker, wie Der Brandtaucher, Reversion (das einzige Stück, das mit den vertrauten Sprach-Samples unterlegt ist), A Legacy Unrest und Querkraft, das nach anfänglichen Gleichklang durch ein verändertes Arrangement gänzlich neu aber nicht im Mindesten weniger bewegend aufschlägt. Noch mesmerisierender und fesselnder als die Original-Version durch puristische Instrumentierung und perfekt dosierte Tempowechsel erscheint The Torture Detachment. Dadurch und den dramatisch anschwellenden verzweifelten Gesang (nie hab ich Jérôme Reuter so aus sich raus gehen hören) wird der Song durch die Aufnahme praktisch noch einmal neu erschaffen. Das beste Stück auf Hansa Studios Session.
Vom aktuellen Album The Hyperion Machine hören wir Stillwell (und Transference), das Jérôme Reuter mit seiner unvergleichlich sonoren, nachdenklichen Stimme, die auf den Aufnahmen ein leicht kratzendes Timbre aufweist, durch fünf Minuten zarte Intimität trägt, nur begleitet von einer akustischen Gitarre und einer schüchtern-matten pastoralen Orgel. Man möchte dieses Kleinod nehmen, an einen sicheren Ort bringen und nur in ganz besonderen Momenten hervorholen, um seine Seele daran zu wärmen.
Mit Mine, bisher unveröffentlicht, wartet Rome mit einem besonderen Leckerbissen auf, denn es zeigt sie Band von ihrer äußerst seltenen, rockigen und wuchtigen Seite. Eine echte Rarität, wie das ganze Album.
Anspieltipp: The Torture Detachments
Hansa Studios Session ist am 30.06.2017 bei Trisol Music Group erschienen.
Tracklist ROME – Hansa Studios Session:
01. Transference
02. Der Brandtaucher
03. Querkraft
04. Stillwell
05. Reversion
06. Mine
07. The Torture Detachment
08. A Legacy of Unrest
Weblinks ROME:
Official: http://rome.lu
Facebook: https://www.facebook.com/romeproject
Weblink Hansa Tonstudios:
Official: http://www.hansatonstudio.de