Holländisch, Englisch, Polnisch, Spanisch, Portugiesisch, Belgisch – man hörte sie alle. Nicht auf der Bühne, sondern davor. Wo Menschen aus aller Welt (oder zumindest aus einem großen Teil davon) zusammenkommen, kann es sich wohl nur um‘s Melt handeln! Nirgends anders harmonieren Raver mit Hipstern und Trance-Liebhaber mit Hiphoppern so sehr wie hier. Selbst im Camp spielten aktuelle Hits neben Yung Hurn wie die Backstreetboys neben den Foals. Kein Wunder, wenn das Melt als eines der größten Elektro-Festivals in Deutschland gilt, auf dem die Vielfältigkeit der Acts kaum größer sein könnte.
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I Was Thursday’s Child (David Bowie)
Schon am Donnerstag ließ sich diese Vielfalt auf dem Zeltplatz spüren. Nach einer langen Anreise, dem Aufbau und einem genüsslichen ersten Bier sorgte Fatboy Slim mit kräftigen Bässen für einen nostalgisch klingenden Technoeinstieg auf dem Sleeplessfloor. Der Brite brachte die euphorisch gestimmte Meute zum Tanzen. Barfuß. Im Schlamm. Bis in den Morgen.
It’s Friday I’m In Love! (The Cure)
Grund genug, am Freitag erst um halb fünf abends aufs Gelände zu gehen, um der sanften, zarten Maggie Moore zu lauschen. Sowohl ihr Tanzstil als auch ihre Stimme erinnerten ein wenig an Lorde. Nur, dass Moore in Ihrem blauen Lametta-Glitterkleidchen über die Bühne hüpfte und sich überfröhlicher Erscheinung nicht genug beim Publikum fürs Zuhören bedanken konnte. Abwechslung von diesem Fröhlichkeitstrip brachten The Lemon Twigs direkt im Anschluss. Und die erinnerten nicht nur augenscheinlich an die Beatles oder die Beach Boys. Die Brüder schienen wirklich alle Instrumente drauf zu haben, mal abgesehen davon, dass sie beide sich auch noch beim Gesang gegenseitig ergänzten. Etwas runtergekommen vom Euphorismusschub die perfekte Vorbereitung für Sylvan Esso, dessen Songs Die Young beziehungsweise Hazy längst zu Hits geworden sind, und später noch die Glass Animals. Den perfekten Abschluss brachte dann M.I.A. Ihr Auftritt begann im tristen Regenwetter. Das schreckte die Fans allerdings keineswegs davon ab, in großen Massen zu erscheinen. Und Mathangi Arulpragasams dem Wettergott entgegengestreckter Mittelfinger machte die Musikerin nur noch sympathischer. Allerdings durften die Bands im Anschluss nicht mehr allzu sehr auf die Nassgeregneten hoffen. Wäre auch zu schade gewesen, das restliche Wochenende erkältet zu verpassen.
Saturday Night’s Alright For Fighting (Elton John)
Der Samstag dagegen begann etwas mau, fing sich aber nach 19 Uhr mit Honne wieder ein, um dann mit Warpaint doch noch in die Vollen zu gehen. Die ausschließlich aus Frauen bestehende US-Amerikanische Rockband begeisterte mit ihren atmosphärischen und leicht psychedelischen Indie-Sounds. Besonders die Frontrauen Emily Kokal und Theresa Wayman zogen die Meltfreunde durch ihre Publikumsnähe und ihr Abrocken an der Gitarre mit. Bilderbuch dagegen wirkte danach etwas weniger echt. Zu gekünstelt kamen die Aussagen des österreichischen Maurice Ernst rüber. Könnte aber auch an den Dopamin-Ausschüttungen zuvor gelegen haben. Immerhin brachte er viele Leute zum Mitschreien seiner Forderung nach Frinks – free Drinks. Besser wurde der Abend dann mit Bonobo beendet. Hypnosepotenzial hatten nicht nur die Songs, sondern auch die perfekt dazu abgestimmten Natur-Visuals.
Sunday Always Comes Too Late (The Cure)
Noch später kam der Sonntag in Fahrt – dafür aber umso heftiger! The Kills rockten die Bühne wie keine andere Band zuvor. Mit ihrem Sternschnuppenshirt und den dazu passenden Sternsticker auf Alison Mossharts Gitarre konnten die Fotografen kaum ihre Finger von der Kamera lassen. Wie auch, wenn die Künstlerin kaum stillsteht. Dafür ging Jamie Hince umso mehr an seiner Gitarre ab. Eines der absoluten Highlights des Festivals in diesem Jahr! Das gilt auch für Phoenix. Die Band scheint immer mehr aus sich herauszukommen. So ließ sich Thomas Mars zum Ende hin sogar von der Crowd hin und her transportieren. Mit altem und neuem Zeug brachten sie eine perfekte Mixtur auf die Bühne. Wer’s lieber provozierend statt harmonisch haben wollte, hatte immer noch die Möglichkeit, Die Antwoord zu sehen. Die südafrikanische Rap-Rave-Band kündigte sich an wie ein Psychothriller und verließ die Stage wie ein verstörender Splatter. Zum Runterkommen blieb zum Glück noch Karen Marie Ørsted a.k.a. MØ.
Doch nicht nur die musikalischen Höhepunkte machen das Melt zu dem, was es ist. Von besonderer Bedeutung ist mindestens genau so die wunderschön detaillierte Industriekulisse der Stadt aus Eisen Ferropolis. Kein Wunder, dass sich dort gleich mehrere Festivals (Nexus und Splash) angesiedelt haben. Was dem Melt allerdings ganz und gar eigen bleibt, ist wohl der so benannte Meltfrieden. MELTed my Heart 2017!