KOSMONAUT-FESTIVAL – Stausee Rabenstein, Chemnitz (16.06. + 17.06.2017)

KOSMONAUT-FESTIVAL - Stausee Rabenstein, Chemnitz (16.06. + 17.06.2017)
Deichkind, © Wolfgang Heisel
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Als ich vor gut vier Wochen einem Freund erzähle, dass ich auf’s Kosmonaut Festival fahre, kommt erst die Frage, wo das denn sei und als zweites gleich die Frage, wer denn da so spiele. “Chemnitz”, sage ich und verzeihe ihm, dass er das Festival nicht kennt, schließlich ist es unübersichtlich geworden, in der deutschen Festivallandschaft. Auf die zweite Frage antworte ich: “Den Headliner kenne ich nicht. Der ist geheim”, und mein Kumpel glotzt mich ungläubig an.

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Dabei ist die Geheimniskrämerei um den Headliner auf dem Kosmonaut schon lange Teil des Konzepts. Und gleichzeitig ist es Beweis der guten alten These, dass auf einem Festival gar nicht so wichtig ist, wer spielt. Viel wichtiger ist die Atmosphäre und alles was um die Bühne herum noch so passiert. Und was das betrifft, hat das Kosmonaut Festival einiges zu bieten. Es ist eines der kleineren Festivals, die Zuschauerzahlen reichen sicherlich nicht an die großen Platzhirsche Hurricane oder gar Rock am Ring heran, aber für meinen Geschmack ist das eher Vor- als Nachteil. Außerdem findet das Kosmonaut Festival in einem Strandbad statt, der Badesee zur Abkühlung ist inklusive.

Freitag, 16.06.2017

Leider war das Wetter am Festivalwochenende gar nicht so warm, wie man es sich erhofft hätte. Als ich das Festivalgelände betrete, mache ich mir auch mehr Gedanken über eine Regenjacke, als über die Badehose. Trotzdem, der Zeltplatz, das Gelände, alles ist irgendwie einladend heimelig. Hier fühlt man sich spontan wohl und lässt sich gerne auf der zum See hin abfallenden Wiese nieder, während sich auf der Bühne Leoniden durch den Nachmittag rocken.

Ab kurz vor sechs geht es auf der Hauptbühne dann Schlag auf Schlag. Zunächst legen Von Wegen Lisbeth einen souveränen Auftritt hin, der beim Publikum schon erste Feierlaune aufkommen lässt. Vereinzelt behauptet man sogar den ersten Moshpit des Festivals gesehen zu haben. Mit MoTrip und den Editors, die gleich darauf, nacheinander die Hauptbühne bespielten, zeigte das Kosmonaut seine ganze musikalische Bandbreite, von Hip Hop bis Indie. Derweilen liefen im Wettbüro die Drähte heiß. Wer würde der Headliner am zweiten Tag werden? Natürlich setzten viele Lokalpatrioten auf Kraftklub, aber auch so ziemlich jede Band, die in der Vergangenheit irgendwo mal mit Kraftklub Kaffee trinken war, stand hoch im Kurs.

Zunächst galt es aber noch den Freitag feierlich zum Abschluss zu bringen. Und das besorgten auf der Hauptbühne mit Bravour Deichkind. Leider Geil! Die Show von Deichkind ist nicht mehr ganz frisch, das letzte Album ist immerhin schon zweieinhalb Jahre her, aber sie hat kein bisschen an Wucht verloren. Die Hamburger liefern aber nicht nur eine perfekte Show zum Abfeiern, sondern auch den ein oder anderen Subtext. So surfen Sie in gewohnter Manier auf einem riesigen Holzfass durchs Publikum, singen dabei Rollt Das Fass herein und Niveau, Weshalb, Warum. Dabei ist die Truppe in weiß mit „Refugees Welcome!“ Schriftzügen bekleidet und schwenkt eine „No Sexism, no Racism“-Fahne. Niveau? Deshalb! und Darum!

Samstag, 17.06.2017

Der zweite Festivaltag beginnt für viele Besucher überraschend früh, als Kraftklub, die sich einen Auftritt doch nicht nehmen lassen, mit einem LKW auf dem Zeltplatz aufschlagen und um 7:30 Uhr ihren musikalischen Weckruf starten. Am Campingplatz 2 geht dieses Spektakel leider spurlos vorbei. Macht nichts, ausschlafen ist auch nicht das schlechteste, was einem auf einem Festival passieren kann.

Der Morgen vergeht ruhig. Ein wenig abhängen auf dem Zeltplatz, eben mal rüber zum Foodsharing und schauen, ob es dort noch was leckeres gibt (ja, gibt es) und ein Runde übers Gelände drehen. Danach wieder auf den Zeltplatz und mit den Nachbarn quatschen. Die sind in der Zwischenzeit auch wach und diskutieren über den geheimen Headliner. Die Toten Hosen scheinen bei den Jungs tatsächlich hoch im Kurs zu stehen. Oder doch Die Ärzte?

Ich lass die vier alleine und mach mich auf den Weg zum Festivalgelände, wo das Programm schon vor einiger Zeit begonnen hat. Auf der kleinere Atomino-Bühne spielten Neufundland aus Köln. Wer weiß, beim aktuellen Trend könnten die Jungs in den nächsten Jahren kontinuierlich weiter Richtung Abend rücken und vielleicht auch größere Bühnen zugeteilt bekommen. Mal sehen.

Genau diesen Werdegang haben nämlich Annenmaykantereit hinter sich, die pünktlich zu Dämmerung die Hauptbühne stürmen. Die Jungs aus Köln sind sozusagen ein Hausgewächs des Kosmonaut-Festivals, stehen sie doch schon immer beim Veranstalter Landstreicher Bookings unter Vertrag. Sie sind am Samstag sozusagen heimlicher Headliner. Heimlicher Headliner, nicht geheimer. Was Annenmaykantereit abliefern ist übrigens höchst routiniert. Man sieht, dass die Band sich auf der Bühne wohlfühlt und mittlerweile einiges an Erfahrung auch vor großem Publikum gesammelt hat. Da sitzt jeder Ton und jede Ansage, was es fast schon wieder langweilig macht. Selbst der Gastauftritt von Die Höchste Eisenbahn, mit denen zusammen sie Du Hast Den Farbfilm Vergessen von Nina Hagen covern, kann nicht wirklich überraschen. Den hatten sie schon beim Soundcheck verheizt, der am Vormittag das ganze Gelände inklusive Zeltplatz beschallte. Aber immerhin, ne coole Nummer.

Danach geht’s schnell rüber zur Atomino-Bühne, wo Terrorgruppe den Punkrock-Fans einheizen. Irgendwie fällt dieser Auftritt aus dem Rahmen des Festivals. Terrorgruppe gehören nicht mehr zu dem, was man jung nennen könnte. Die Herren sind durchweg gesetzten Alters und schon einige Jahre im Geschäft. Und das Publikum ist hier auch deutlich anders zusammengesetzt. Fast könnte man meinen, es sei eine ganz andere Veranstaltung.

In der Zwischenzeit wird die Hauptbühne dunkel verhangen, damit niemand mitbekommt, für wen hier umgebaut wird. Im Publikum haben sich einige schon seit Stunden in Stellung gebracht. Genau in der Mitte der Bühne, in der ersten Reihe wartet eine Gruppe Mädels im Teenageralter und gibt lautstark zu erkennen, dass sie auf Kraftklub hoffen. Kraftklub? Wirklich? Wie lahm wäre das denn? Nach dem Secret Gig am Morgen, auch noch auf dem eigenen Festival den Headliner machen? Natürlich nicht. Kraftklub kommen zwar auf die Bühne, aber vor den Vorhang und nur um nochmals allen Fans, allen Mitarbeitern und allen Helfern zu danken. Dann fällt der Vorhang. Und wer steht auf der Bühne? Beginner!

Ich weiß nicht, wer damit gerechnet hätte. Im Nachhinein irgendwie konsequent einen Hip-Hop Act zu besetzen, schließlich war mit dem Genre noch nicht viel los in diesem Jahr. Trotzdem, die Überraschung ist im Publikum förmlich spürbar. Und die Mädels direkt vor der Bühne? Lange Gesichter. Dann drehen sie sich um und gehen tatsächlich. Oha, da hatte wohl jemand mit etwas ganz anderem gerechnet.

Trotzdem, der überwiegende Teil des Publikums scheint mächtig Spaß mit Jan Delay und Co zu haben. Die packen auch alles aus, was sie in ihrer mittlerweile mehr als 25-jährigen Bandgeschichte an Erfolgen gesammelt haben. Ehrlich gesagt bin ich selbst ganz schön überrascht, wie viele Songs dabei sind, an denen man damals oder heute gar nicht vorbeikam. Nicht meine Musik, insofern wäre mir ein rockigerer Headliner vielleicht lieber gewesen, aber trotzdem spannend eine Band live zu erleben, die in 25 Jahren gerade mal fünf Alben zu Stande gebracht hat und gleichzeitig doch so viel Einfluss auf den Hip-Hop in Deutschland genommen hat. Und nun beginnt also das Raten, wer am 29. und 30.06.2018 wohl der geheime Headliner sein wird…

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