klassisch und doch fremd…
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A-U-M heißt eine Silbe im Sanskrit: ?, es ist heilig, es ist Mantra, ein transzendenter Urklang. Und A-U-M ist auch der Titel des neuen Albums von Merciful Nuns. Man ahnt es, die pansophische Reise auf der Suche nach Weisheit und meta-philosophischen Erkenntnissen geht weiter. Die neunte Station von Artaud Seth, dem obersten Zeremonienmeister des klassischen Goth-Rocks, ist dieses Mal – und wer hätte es bei diesem Titel noch nicht vermutet – Indien.
„Och, nö!“, höre ich schon einige stöhnen, „Wie überaus einfallsreich!“. Schließlich kann man sich heute nicht mal mehr 50 Liter Blumenerde kaufen, ohne dass man mit verstrahlt grinsenden Buddha-Skulpturen aus Kunstharz verstört oder auf der Suche nach Joghurt mit den ayurvedischen Heilsversprechen überzuckerter Mango-Lhassis geködert wird. Hausfrauen-Hinduismus und Wohlfühl-Buddhismus scheinen ihren Marketing-Zenit doch schon längst überschritten zu haben. In jeder nur denkbaren Nische des fernöstlichen Hokuspokus scheint man doch schon lange seine Groschen verdient zu haben.
Braucht es denn darüber jetzt noch ein Goth-Rock-Album? Die Antwort lautet ganz klar: ja, selbstverständlich. Denn wer, wie Merciful Nuns, sich seit nunmehr 27 Jahren musikalisch so souverän jenseits des Mainstreams bewegt und es schafft selbst Themen wie Prä-Astronautik mit renommierter Ernsthaftigkeit zu beleuchten, hat auch heute noch dem Hinduismus und seiner Rezeption in Europa nachhaltig etwas hinzuzufügen.
Die spirituelle Reise beginnt mit dem Titelsong A-U-M. Rituelle Glöckchen eröffnen die Zeremonie, ein shankha ertönt, im Hintergrund dröhnt ein bedrohliches Gewirr, transzendenter Klangstrukturen: “A-U-M”
„every start
is an end
each arrival
a departure
every exit
is but an entrance
to the endless cycle of Samsara …
…dance
dance with the body
of liberation…”.
Artaud Seth war im vergangenen Jahr für längere Zeit vor Ort und hat die Stimmungen dieser geheimnisvollen und fremden Religion aufgesogen, tatsächlich: verinnerlicht. Nur so sind Texte erklärbar, die so einfach, wie weise und kein bisschen plakativ sind. Merciful Nuns begleiten uns mit ihrem neuen Album zur Einheit von Körper, Denken und Geist und befreien uns von der ewigen, leidvollen Mühsal Samsaras. Musikalisch gibt es dabei Goth-Rock in seiner reinsten, klassischsten Form. Beyond Nirvana und Cremation sind einfach coole, harte Bretter, die ihre Hörer auf die Tanzfläche peitschen werden. Das poppige, sphärische Eternal Decay erinnert mit seinen waveigen Synthesizern fast schon ein bisschen an Joy Division.
Die Stücke sind sparsam und auf den Punkt instrumentiert, Drums dominieren dabei genauso, wie Jawa Seths vorwärts treibender Bass eine zentrale Rolle einnimmt. Artaud Seths markanter und eigenwilliger Gesang verleiht den Songs etwas abgrundtief, drängend Leiderfülltes. Kurz: ganz genau, wie man es von Merciful Nuns erwartet und mit jedem Album auch bekommt. Vernachlässigt man Text und einige, sehr, sehr wenige fernöstliche Akzente auf A-U-M, hätte Artaud Seth auch von Cthulhu oder Suma singen können (was er beides schon mehrmals getan hat). Musikalisch jedenfalls hätte man keinen Unterschied gehört.
Dass man dieses Empfinden sowohl negativ als auch positiv werten kann, liegt auf den Hand, denn nicht einmal die eingefleischtesten Fans der Garanten des deutschen Goth-Rocks aus dem Ruhrgebiet würden behaupten, dass Progressivität zu den erklärten Hauptzielen der Merciful Nuns zählt. Die Band ging vor sieben Jahren als „… only legitimate successor“ aus The Garden Of Delight hervor und ist es auch bis heute noch. Andererseits spricht es für Artaud Seths untrügerisches Gespür für sein – so in etwa kann man es angesichts der wenigen ernst zu nehmenden Konkurrenten ruhig ausdrücken – Genre, dass es ihm gelingt den in unserer Kultur zwar bis zur Unkenntlichkeit kommerzialisierten und doch immer noch so fremden Glauben der Hindus in eben dieses zu übersetzen.
Diesem Gespür ist nicht nur zu verdanken, dass diese Übersetzung meisterhaft funktioniert sondern auch, dass diese Übersetzung selbst zu einer neuartigen Annäherung und einem erweiterten Verständnis dieses faszinierenden Glaubens führt.
A-U-M erscheint offiziell am 07.April bei Solar Lodge.
Anspieltipp: Beyond Nirvana
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Tracklist MERCIFUL NUNS – A-U-M:
01. A-U-M
02. Beyond Nirvana
03. Eternal Decay
04. Cremation
05. Kundalini Express
06. Discloser
07. Lightwaves
08. Lost Chord Of The Sun
Weblinks MERCIFUL NUNS:
Official: http://www.mercifulnuns.com
Facebook: http://www.facebook.com/MercifulNuns/?fref=ts