Am 10.02.2017 hatte ich das große Vergnügen, Frontmann René Anlauff und Schlagzeuger Dirk Oechsle von der Band Heldmaschine kurz vor ihrem Konzert bei Naumann’s im Felsenkeller in Leipzig zu erwischen und ein kleines, durchaus feines und recht offenes Interview mit den beiden zu führen. Ganz locker empfingen mich die beiden in der Location. Bereits in ihren Konzertoutfit setzten wir uns gemütlich an einen Tisch im Merchandise-Bereich – und das gute 20 min bevor die Türen geöffnet werden. Was dabei rum kam? Lest selbst.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Herzlich Willkommen erst einmal und recht herzlichen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt uns heute hier Rede und Antwort zu stehen.
– Beide: Gerne.
Kommen wir zur ersten Frage. Ihr seid die Band Heldmaschine und habt euch 2011 gegründet, ein sogenanntes Parallelprojekt der Rammstein-Coverband Völkerball. Welche Parallelen gibt es zwischen den beiden Projekten?
– Dirk: Erst einmal die Bandmitglieder, der Rene, ich (Dirk) und der Tobias, dass sind so die Schnittmenge von Völkerball und Heldmaschine und ansonsten das rollende “R” vielleicht. (lacht)
– René: Das was man nicht darf. (lacht)
– Dirk: Es ist mittlerweile auch ein Markenzeichen von uns geworden. Aber das wissen nur nicht alle. Wir haben irgendwann mal gesagt, warum soll man das verstecken oder ständig dagegen angehen.
– René: Oder auch krampfhaft etwas anderes zu versuchen. Also es ist ja auch so, dass man sich an Völkerball an die Rammstein-Tribute-Band auch lange dran gewöhnt hat. So zu singen und wenn man anfängt mit der eigenen Musik, dann ist es eher unnatürlich, ganz anders zu sein. Wir haben immer gesagt, wir machen Musik wie sie fließt, wie sie uns einfällt und wir wollen uns nicht verkrampfen. In dem Fall gibt es manche Leute, die sagen, sobald sie ein rollendes “R” hören, dann ist das direkt gleich Rammstein. Mein Gott, dann sollen sie es sagen, aber am Ende war es für uns wichtiger, dass wir authentische Musik machen.
Kommen wir gleich einmal zu eurem Namen. Wie ist denn der Bandname Heldmaschine entstanden? Erzählt einmal.
– Dirk: Es ist tatsächlich ein Song auf der ersten Platte. Wir haben lange überlegt: Wie sollen wir das Baby nennen? Ja, da gab es eine Schnittmenge, wir mussten auch die Parallele zum Album irgendwie hinbekommen. Wir haben ja mit Völkerball angefangen und wenn wir da Konzerte gegeben haben, waren auch Leute da, die gedacht haben, jetzt wird nur Rammstein gespielt. Um das dann wirklich zu trennen, da brauchen wir einen neuen Namen. Und um da noch einmal eine Schnittmenge herzustellen, nehmen wir einen Titel vom Album als Namen für unsere Band.
Wie entstehen bei euch Songs? Woher nehmt ihr die Ideen und wie werdet ihr inspiriert?
– René: Von den Texten ist es ganz einfach so, dass man sich einfach nur umschauen muss. Die Schwierigkeit dabei ist es aber, dass man nicht nur Klagesongs spielt oder schreibt. Man sollte auch den Partycharakter aufrecht erhalten, obwohl man ernste Themen anspricht und dabei hilft es auch, dass man schon zweideutig unterwegs ist und die Sachen etwas versteckt oder verschlüsselt heraushaut und da kann man auch den scharfen Cut umgehen.
– Dirk: Auch ist es schön, wenn ein Augenzwinkern dabei ist. Man sollte nicht immer alle super ernsten Themen auch wirklich ernst behandeln.
– René: Man kann sich auch lustig darüber machen.
Wer macht genau was in der Band? Wer schreibt die Texte und wer komponiert?
– René: Ja, also die Texte schreibe ich als Sänger fast zu 80%. Aber es kommen auch noch Ideen, zum Beispiel habe ich mit Dirk auch schon Texte geschrieben. Mit Tobias mache ich auch ziemlich viel und Tom unser Produzent hat auch noch etwas zu sagen und gibt seinen Senf dazu und hat da coole Ideen. Also alle sind irgendwie mit involviert, aber ich als Sänger muss hinter den Texten auch stehen. Deshalb ist es für mich wichtig meine Sprache wählen zu können. So wie ich mich ausdrücke und spreche, so muss ich es auf der Bühne rüber bringen. Sonst ist es befremdlich.
Mit bereits vier veröffentlichten Alben habt ihr ja ein erstaunliches Tempo vorgelegt. Wie geht’s denn weiter mit euch, was ist in Planung?
– Dirk: Jetzt erst einmal die Tour natürlich und im Herbst noch eine zweite Tour. Dann ist noch ein Video geplant, was noch relativ zeitnah kommen wird. Dann stehen ja noch die Festivals an und anschließend… Mal gucken. Vielleicht ein neues Album, aber jetzt ist es erst einmal wichtig unser aktuelles Album Himmelskörper nach draußen zu bringen.
– René: Wir wollen wirklich erst einmal unsere Platte Himmelskörper abfeiern, denn es ist unser bestes Stück geworden. Würden wir jetzt gleich etwas neues hinterher schieben, würde Himmelskörper in der Versenkung verschwinden. Ich finde man muss nicht unbedingt diesen Wahnsinn mitmachen, dass man aller drei Monate ein neues Album auf den Markt schmeißt. Das Leben ist schon schnelllebig genug und warum nicht mal eine Platte etwas länger abfeiern. Das ist auch so geflossen. Also zwischen den ersten beiden Alben waren es gut anderthalb Jahre, dann zwischen dem Album Propaganda und dem Album Lügen nur ein Jahr und dann bis zur Himmelskörper nur ein dreiviertel Jahr. Das lag daran, dass wir so im Fluss waren mit dem Songs, den Ideen vom Album Lügen, die noch übrig waren und an denen haben wir weiter gearbeitet. Deshalb konnten wir auch ziemlich schnell ein neues Album hinterher schießen. Man merkte dann ziemlich schnell, dass das Album Lügen, nicht mehr so im Fokus stand. Das ist ja klar, wenn eine neue Platte da ist. Deshalb ist es Fluch und Segen zugleich. Man sollte auch schauen, wo man sich am wenigsten schadet.
Wird es zukünftig beide Projekte geben oder konzentriert ihr euch jetzt mehr auf das Projekt Heldmaschine?
– René: Ganz klar: Ja. Da braucht keiner Angst zu haben und da brauch auch keiner Heldmaschine zu hassen, weil es vielleicht Völkerball irgendwann mal nicht mehr gibt. Keine Ahnung. (lacht)
Welche Musik hört ihr privat so? Außer Rammstein?
– René: (lacht) Ne, Rammstein haben wir genug.
– Dirk: Das ist eigentlich breit gefächert. Ich komme zum Beispiel eher aus der schwarzen Szene und Rene eher aus der Metal- bzw. härteren Ecke, aber grundsätzlich hören wir ganz unterschiedliche und breitgefächerte Sachen. Da sind wir nicht wirklich festgelegt. Einfach gute handgemachte Musik, teilweise auch Blues oder andere Dinge.
Mit wem würdet ihr gerne einmal etwas zusammen machen? Realistisch oder auch unrealistisch?
– Dirk: Ich mit Marilyn Manson.
– René: Ich überlege gerade… Mh, mit Madonna. (lacht)
– Dirk: Warum auch nicht. Es ist einfach skurril genug.
– René: Das war jetzt glaube ich unrealistisch. Realistisch würde ich gerne einmal mit Eisbrecher auf Tour gehen oder Combichrist. Das passt aber auch nicht so.
– Dirk: Das passt. (lacht)
Eure Texte auf dem Album Himmelskörper sind doch an der einen oder anderen Stelle ziemlich zweideutig (z. Bsp. Auf Allen Vieren und Sexschuss). Verarbeitet ihr da Persönliches, welche Geschichten stecken dahinter?
– René: Clevere Frage. (lacht) Der Titel Sexschuss ist der eindeutigste Titel überhaupt. Da kann man den Text eins zu eins Ernst nehmen und man muss dabei nichts umdeuten. Bei Auf Allen Vieren wird es gerne so verstanden, so Sado Maso und mit Peitsche. Aber eigentlich war der Ursprung ein ganz anderer. Nämlich, wie man sich daran ergötzt, wenn es anderen Leuten sehr schlecht geht. Wenn man sieht wie einer am Boden ist und sich das anguckt und hilft nicht. Solche Sachen werden damit angekratzt und die Zweideutigkeit bei dem Song Auf Allen Vieren, war dann ein willkommenes Ding, dass wir auch gerne so benutzen, um Songs interessanter zu machen oder auch die Leute zu animieren, darüber einmal nachzudenken.
– Dirk: Sexschuss natürlich auch. Dieser Song hat einen ernsten Hindergrund. Nämlich die ganze Internetpornopgraphie, die VR-Brillen, was alles so auf den Markt kommt. Alles wird realistischer, man wird zugespamt mit Kram und irgendwann hat man so eine Überdosis, vor allem gerade Jugendliche. Die Jugendlichen kommen mittlerweile auf jede Art von Pornographie heran. Das ist natürlich auch gefährlich, da die Reizschwelle einfach nicht mehr da ist und darum geht es einfach.
– René: Die wissen auch nicht mehr wie es geht (lacht). Die gucken dann diese Pornos und denken das ist die Realität. Das ist ziemlich traurig irgendwie.
Wieder andere Tracks sind provokant und zugleich sarkastisch. Auf was möchtet ihr aufmerksam machen?
– Dirk: Die Missstände, die es so gibt. Wir sprechen ja auch Themen an, die sehr Ernst sind, auch aktuell Ernst sind, aber auf der anderen Seite sind wir auch gerne einmal selbstironisch und nehmen uns gerne auch selbst aufs Korn, zum Bespiel mit dem Song R. Das ist eigentlich breit gefächert.
– René: Also wenn man nur in der Stube sitzen würde und schreiben ohne daran zu denken, dass man auf die Bühne muss und dort Party macht, dann würden wir ganz anders schreiben. Aber das will dann auch keiner mehr hören. Keiner will den erhobenen Zeigefinger sehen oder anmahnen lassen. Das ist auch Quatsch, weil man geht raus um Spaß zu haben und den Alltag zu vergessen und wenn wir dann nur mit Problemen kommt, dass geht halt auch nicht.
Welcher Song auf eurem Album Himmelskörper ist euer absoluter Favorit und warum?
– René: Wow. Ich bin glücklich, dass ich auf diese Frage keine Antwort weiß. Weil das Album geht so breit auseinader. Es gibt keinen Song der sich heraus kristallisiert hat als Lieblingssong der Fans. Das finde ich persönlich sehr schön. Jeder hat so seine eigenen Lieblinge verbunden damit das jeder seine eigenen Erfahrungen hat und deshalb wirken die Songs auf die Leute mal stärker oder schwächer.
Was war 2016 als Band ein einzigartiger Augenblick für euch?
– Dirk: Defintiv das Mera Luna Festival, das Wacken Open Air, auf dem wir spielen werden. Die Tour mit Subway to Sally war auch ein riesen Highlight. Die Tour mit Megaherz war toll. Da gibt es schon viele. Die Videodrehs waren auch super.
– René: Das wir jetzt auf Tour sind. Die Eintrittszahlen jetzt wirklich zugelegt haben. Das wir mittlerweile immer mehr in aller Munde sind und das es vorwärts geht.
Wo seht ihr euch als Band in 5 Jahren?
– Dirk: Hoffentlich bei Rock am Ring auf der Mainstage. (lacht)
– René: (lacht) Das sind Träume und die hat man ja immer. Ich habe früher auch mal geträumt, in Wacken zu spielen und da war ich vielleicht 15 Jahre alt und jetzt ist es wirklich so. Das kann man schwer realisieren oder irgendwie fassen. Erst wenn es um ist und dann dauert es noch eine Woche und irgendwann macht es klick. Und man denkt Wow, es ist wirklich passiert.
Seid ihr eigentlich Vollblutmusiker? Ich meine Hauptberuflich Musiker?
– René: Also nur von der Musik zu leben, das ist schwierig, auch wenn wir mit beiden Projekten mehr als nur genug zu tun haben. Aber trotzdem reicht das jetzt noch nicht aus. Dazu hat jeder noch zwar mit Musik zu tun, aber auf einer anderen Ebene. Dirk zum Beispiel hat eine Musikschule und ich habe ein Tonstudio, die anderen geben noch Gitarrenunterricht. Hat alles weitesgehend mit Musik zu tun. Deshalb können wir trotzdem sagen, wir leben irgendwie von der Musik.
Welche Ziele habt ihr? A) Realistisch B) Unrealistisch
– Rene: So eine Tour ins Ausland, zum Beispiel über den großen Teich wäre cool. Das wäre dann aber auch eine andere Hausnummer und das wird bestimmt noch etwas dauern.
Wo würdet ihr gerne einmal ein Konzert geben, so als Besonderes für eure Fans?
– Dirk: Haben wir doch schon getan. Wir haben ein Unplugged-Konzert nur für unsere Fans in einem kleinen intimen Rahmen gespielt und das ist super angekommen. Nur für unsere Hardcore-Fans.
– René: Mit vier Alben hast du ungefähr vier Stunden Material und die Songs erreichen die unterschiedlichsten Leute und die Songs sind dann auch unterschiedlich beliebt und es gibt halt auch die Leute, die sagen, warum habt ihr den Song nicht gespielt und warum diesen nicht. Da kam schon oft der Wunsch der Fans, dass wir halt alles komplett mal spielen sollen an einem Abend. So ein Vier-Stunden-Pprogramm halt. Klar (lacht), dass kann man so nicht wirklich bringen, denn die letzten Songs werden sich dann irgendwie nicht gut anhören.
– Dirk: So ein Vier-Stunden-Konzert ist dann doch irgendwie too much. Wir haben schon über zwei Stunden Programm und das ist schon ziemlich lang.
– René: Da bleibt einem nichts anderes übrig, als die Songs zwischen den Konzerten einmal umzutauschen. Wir haben echt ein Problem, Songs herauszuschmeißen. Wir haben ja selbst unsere Lieblinge auf den vier Alben, so dass man sagen kann, dieser Song fliegt jetzt heraus. Wir wollen auf der Tour anderthalb Stunden spielen, aber wir sind bei knapp zwei Stunden, weil wir es einfach nicht geschafft haben, dass Programm zu kürzen. Es macht einfach zuviel Spaß.
Ich bin dann ziemlich gespannt auf euer Konzert.
– Dirk: Vielen Dank für das tolle Interview.
Auch ich möchte mich bei den beiden von Heldmaschine, Rene Anlauff und Dirk Oechsle für die offenen Worte und für ein energiegeladenes Konzert im Anschluss an das Interview bedanken.
Konzertfotos: Jana Breternitz